Künstliche Intelligenz

KI-Weiterbildung versus Stellenabbau: Wandel bei SAP

Ein hell erleuchtetes, freundliches Büroambiente, in dem diverse Mitarbeitende mit konzentrierten, zuversichtlichen Gesichtern an modernen Computern und Tablets sitzen, während natürliche Sonnenstrahlen durch große Fenster fallen und eine Atmosphäre von Hoffnung, Zusammenarbeit und digitalem Wandel ausstrahlen.

Der Softwarekonzern SAP steht mitten in einem tiefgreifenden Transformationsprozess: Während weltweit Stellen gestrichen werden, will das Unternehmen massiv in Künstliche Intelligenz (KI) investieren – und setzt auf Weiterbildung statt Entlassung. Doch ist das ein nachhaltiger Weg in die Zukunft oder nur ein symbolischer Balanceakt?

SAP im Umbruch: Zwischen Personalabbau und KI-Investition

Im Januar 2024 sorgte SAP für Schlagzeilen, als das Unternehmen ankündigte, bis Ende des Jahres rund 8.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umzuschulen oder ihren Arbeitsplatz abzubauen. Gleichzeitig stellte SAP ein milliardenschweres KI-Investitionsprogramm auf – beides Teil einer umfassenden Strategie zur Neuausrichtung im digitalen Zeitalter.

„Wir investieren nicht nur in Technologie, sondern vor allem in unsere Menschen“, erklärte CEO Christian Klein anlässlich der Ankündigung. Ziel sei es, vorhandene Arbeitnehmende auf neue Rollen mit Fokus auf Künstliche Intelligenz, Datenanalyse und Cloud-Technologien vorzubereiten. Laut SAP sollen rund zwei Drittel der betroffenen Stellen nicht kurzfristig abgebaut, sondern durch interne Umschulungen erhalten bleiben.

Diese Entwicklung spiegelt einen globalen Trend wider: Unternehmen versuchen, disruptive Technologien durch Weiterbildung abzufedern, anstatt massenhaft Personal zu entlassen. Doch wie tragfähig ist dieses Modell wirklich?

KI als Treiber organisatorischer Transformation

Künstliche Intelligenz verändert nicht nur Geschäftsmodelle, sondern greift tief in Strukturen, Arbeitsprozesse und Kultur eines Unternehmens ein. SAP, als weltweit führender Anbieter für Geschäftssoftware, sieht sich in der Verantwortung, Innovation mit sozialer Verantwortung zu verbinden.

Nach Angaben des Weltwirtschaftsforums (WEF) könnten bis zum Jahr 2027 weltweit rund 83 Millionen Stellen durch technologische Veränderungen wegfallen, gleichzeitig aber 69 Millionen neue entstehen – besonders im Bereich KI, Data Science und Softwareentwicklung (Quelle: WEF Future of Jobs Report 2023).

Um den Wandel zu gestalten, setzt SAP auf ein mehrstufiges Transformationsmodell:

  • Skill-basierte Umschulungsprogramme: Mitarbeitende können sich über interne Lernplattformen weiterqualifizieren – teils verpflichtend, teils freiwillig.
  • Mentoring und Coaching: SAP hat ein internes Netzwerk von KI-Expertinnen und -Experten aufgebaut, die als „AI Champions“ Kolleginnen und Kollegen begleiten.
  • Adaptive Jobgestaltung: Neue Rollen – etwa „Prompt Engineer“ oder „AI Product Owner“ – entstehen parallel zur Automatisierung klassischer Tätigkeiten.

Diese Maßnahmen sollen sicherstellen, dass nicht der Mensch an die Maschine angepasst wird – sondern die KI am Menschen ausgerichtet bleibt.

Das Spannungsfeld: Weiterbildung vs. Effizienz

Doch der Weg ist steinig. Kritiker werfen SAP vor, den massiven Personalabbau zu beschönigen. Zwar betont der Konzern, dass Umschulungen im Fokus stehen. Dennoch handelt es sich formell bei der Maßnahme um ein sogenanntes „freiwilliges Trennungsprogramm“ – laut Konzernangaben könnten bis zu 3.000 Mitarbeitende SAP dauerhaft verlassen (Quelle: SAP Geschäftsbericht Q1/2024).

Diese strategische Ambivalenz ist kein Einzelfall. Viele Großunternehmen – darunter IBM, Microsoft oder Accenture – stehen vor ähnlichen Herausforderungen: Einerseits fordern Investoren Kosteneffizienz, andererseits erwarten Mitarbeitende und Öffentlichkeit verantwortungsbewusste Technologiegestaltung. Die Folge: Initiativen zur Reskilling geraten häufig unter Effizienzdruck.

Globale Entwicklungen: Wie Unternehmen KI-Weiterbildung skalieren

SAP ist nicht allein. Weltweit setzen größere Konzerne auf KI-Weiterbildungsinitiativen, um ihre Belegschaft zukunftsfest zu machen. Im Mai 2023 kündigte IBM an, bis 2030 weltweit 30 Millionen Menschen im Umgang mit neuen Technologien wie KI zu schulen (Quelle: IBM Global Skills Academy).

Auch Amazon investiert jährlich über 1,2 Milliarden US-Dollar in Weiterbildung, mit Programmen wie „Machine Learning University“ und „Upskilling 2025“ (Quelle: Amazon Corporate Responsibility Report 2024).

Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist dabei die Verzahnung von Lernprogrammen mit operativem Geschäft. Erfolgreiche Initiativen zeichnen sich durch drei Merkmale aus:

  • Bedarfsorientierung: Inhalte werden passgenau auf künftige Rollenprofile abgestimmt.
  • Nutzerzentrierung: Lernpfade sind flexibel und individuell skalierbar.
  • Messbare Wirkung: KPIs wie Job-Placements oder Projektbeteiligung nach Weiterbildung sind integraler Bestandteil.

Diese Erkenntnisse sind auch für SAP relevant – denn noch steht der Beweis aus, dass die KI-Transformation unter Einbeziehung der Belegschaft gelingen kann.

Chancen für die Unternehmenskultur

Jenseits betriebswirtschaftlicher Kennzahlen eröffnet KI eine Chance für kulturellen Wandel – wenn er richtig gesteuert wird. SAP nutzt die Debatte, um Führung neu zu denken: Hierarchien sollen abgebaut, Entscheidungskompetenzen breiter verteilt und Eigenverantwortung gestärkt werden.

Besonders erfolgskritisch ist dabei das Thema transparente Kommunikation. Wer als Unternehmen glaubhaft vermitteln möchte, dass Weiterbildung nicht bloß ein Feigenblatt ist, muss Haltung zeigen – auch in schwierigen Phasen wie Umstrukturierungen.

Drei Empfehlungen für Unternehmen im KI-Umbruch

Unternehmen, die sich aktuell in einer ähnlichen Lage befinden wie SAP, können aus dem laufenden Wandel wichtige Lehren ziehen:

  • Frühzeitig Kompetenzen definieren: Welche Skills werden in 2–3 Jahren benötigt? Eine strategische Personalplanung muss das antizipieren – datenbasiert und eng vernetzt mit der Geschäftsstrategie.
  • Weiterbildung praktisch verankern: Statt Einmal-Seminaren brauchen Organisationen kontinuierliche, anwendungsnahe Lernformate – etwa Peer-to-Peer-Trainings oder projektbezogenes Upskilling.
  • Kultur für lebenslanges Lernen verankern: Weiterbildung darf nicht als Reparaturbetrieb verstanden werden, sondern muss Teil der DNA eines Unternehmens werden – etwa durch Lernzeiten im Arbeitsalltag und formale Anreize.

Fazit: Evolution statt Revolution

SAPs Kurs ist ein mutiger Versuch, Technologiewandel menschlich zu gestalten. Der Spagat zwischen Stellenabbau und Qualifizierung ist nicht ohne Widersprüche – aber auch kein Zynismus, solange beide Seiten ernst gemeint umgesetzt werden. Wenn SAP es schafft, Weiterbildung als echten Transformationshebel zu etablieren, könnte das Modell Schule machen.

KI wird in den kommenden Jahren millionenfach Arbeitsplätze verändern – die Frage ist dabei nicht, ob, sondern wie wir darauf reagieren. Welche Erfahrungen haben Sie mit KI-Weiterbildung in Ihrem Unternehmen gemacht? Diskutieren Sie mit unserer Community und teilen Sie Ihre Perspektiven!

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