Künstliche Intelligenz

Energiekrise bei KI-Rechenzentren: Warum Frankfurt auf der Bremse steht

Helles, stimmungsvolles Editorial-Foto eines modernen Rechenzentrums im urbanen Frankfurter Umfeld bei sanftem Tageslicht, das durch große Panoramafenster flutet, mit Fokus auf technische Details wie Serverracks und Kabelbündel, während im Hintergrund die Silhouette der Mainmetropole warm leuchtend zu erkennen ist und so die Spannung zwischen digitalem Fortschritt und Energieherausforderung eindrucksvoll vermittelt wird.

Die Rhein-Main-Region gilt als Europas Hotspot für digitale Infrastruktur – doch beim Ausbau von KI-Rechenzentren droht Frankfurt nun der Stillstand. Der Grund: Die Energieversorgung stößt an ihre Grenzen. Was bedeutet das für den Wirtschaftsstandort und das KI-Ökosystem in Deutschland?

Frankfurt am Limit: Rechenzentren stoßen auf Strombarriere

Frankfurt ist als Teil der sogenannten FLAP-Städte (Frankfurt, London, Amsterdam, Paris) einer der wichtigsten Rechenzentrumsstandorte Europas. Rund 70 Prozent des deutschen Datenverkehrs laufen über den DE-CIX, den weltweit größten Internetknoten – und der befindet sich in der Mainmetropole. Seit Jahren boomt der Bau neuer Rechenzentren, Businessparks schießen im Westen der Stadt aus dem Boden. Doch jetzt stößt die Expansion auf ein fundamentales Problem: Strommangel.

Die Bundesnetzagentur und der Netzbetreiber TenneT warnen vor Engpässen in der Stromversorgung der Region. Laut einer Analyse des Energieversorgers Mainova hat das Stromnetz im Ballungsraum Frankfurt bereits heute Mühe, steigende Anschlussansprüche zu bedienen. Rechenzentren gelten als extreme Stromfresser: Ein großes KI-Rechenzentrum kann bis zu 100 Megawatt Leistung benötigen – genug um eine Kleinstadt zu versorgen.

Laut Branchenverband Bitkom wächst der Strombedarf von Rechenzentren in Deutschland jährlich um rund 8 Prozent. 2022 lag der Verbrauch aller Rechenzentren in Deutschland laut Borderstep Institut bei etwa 17 Milliarden Kilowattstunden – bis 2030 könnte sich der Wert laut Prognosen verdoppeln. Die steigende Nachfrage durch KI-Anwendungen verschärft die Lage zusätzlich. Modelle wie GPT-4 oder Googles Gemini benötigen enorme Rechenleistung und damit Energie.

Stopp für Neuanschlüsse – Der Netzbetreiber schlägt Alarm

Bereits im Frühjahr 2024 informierte der regionale Netzbetreiber Syna GmbH öffentliche Stellen und Projektentwickler: Neue Anträge auf 10-Megawatt-Anschlüsse könnten ab 2025 frühestens 2030 oder später umgesetzt werden. Der Ausbau des Stromnetzes könne mit der Geschwindigkeit der beantragten Vorhaben schlicht nicht mithalten.

Damit steht praktisch ein Moratorium für neue Großprojekte im Raum Frankfurt im Raum. Vor allem Anwendungen im Bereich Künstliche Intelligenz sind betroffen, da sie neben Basishardware wie GPUs auch eine stabile, hochleistungsfähige Versorgung benötigen. Dies bremst nicht nur bestehende Investitionen von Hyperscalern, sondern verschreckt auch internationale Player, die Frankfurt ursprünglich als Standort für neue KI-Zentren wählen wollten.

Michael Winter, Energieexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), bezeichnet die Entwicklung gegenüber unserem Magazin als „ernsten Warnruf“ für die Digitalisierungsstrategie Deutschlands. „Ohne zuverlässige Energieinfrastruktur lassen sich weder nachhaltige KI-Anwendungen skalieren noch der Standort langfristig sichern“, so Winter.

Industrie unter Druck – Konsequenzen für KI-Startups und Hyperscaler

Die unmittelbaren Folgen der Stromknappheit betreffen nicht nur Neubauprojekte, sondern auch Erweiterungen bestehender Zentren. Tech-Giganten wie Google Cloud und Microsoft Azure haben Pläne für zusätzliche Datacenter-Kapazitäten in Frankfurt auf Eis gelegt. KI-Plattformen wie Aleph Alpha oder Neurocat berichten von Verzögerungen bei Infrastrukturzugängen, die sie für den schrittweisen Ausbau ihrer Modelle benötigen.

Für Startups bedeutet diese Entwicklung einen Vertrauensverlust in das lokale Ökosystem. Jonas Schäfer, Gründer eines auf generative KI spezialisierten Unternehmens, sieht bereits erste Talente und Investoren Richtung Amsterdam oder Helsinki abwandern. „Wettbewerbsfähig bleiben wir nur, wenn wir auch die technische Infrastruktur mitdenken. Energiesicherheit ist ein zentraler Teil davon.“

Die wirtschaftliche Bedeutung ist enorm: Der Branchenverband eco schätzt, dass Rechenzentren und digitale Infrastrukturen in Deutschland 2022 für rund 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verantwortlich waren – Tendenz stark steigend. Der KI-Bereich trägt dabei maßgeblich zum Innovationspotenzial bei.

Lösungsansätze zwischen Netzausbau und smarter Architektur

Um das akute Energieproblem zu entschärfen, fordern Experten und Branchenvertreter ein Bündel aus kurz- und langfristigen Maßnahmen. Dazu zählen:

  • Flächen- und Netzentkopplung: Verlagerung neuer Rechenzentren in Regionen mit verfügbarer Netzinfrastruktur, etwa in ländliche Gegenden Hessens oder Ostdeutschlands.
  • Beschleunigter Netzausbau: Die Netzentwicklungspläne 2037/2045 der Bundesnetzagentur sehen Investitionen von über 80 Milliarden Euro in die Übertragungsnetze vor. Doch Genehmigungsprozesse dauern durchschnittlich 6–8 Jahre – zu lang für die dynamische Entwicklung der KI-Branche.
  • Erneuerbare Energiequellen lokal integrieren: Einige Betreiber wie NDC-Garbe planen bereits hybride Konzepte mit PV-Anlagen, Batteriespeichern und Wärmerückgewinnung.

Ein exemplarisches Projekt zeigt das neue Green Data Center in Hanau: Der Betreiber wants2connect setzt auf Direktversorgung mit industrieller Abwärmenutzung und Solarstrom, was den Primärenergiebedarf um 30 Prozent reduzieren soll. Solche Pilotprojekte könnten als Blaupausen für die Region Frankfurt fungieren.

Politik und Stadtplanung: Erste Kurskorrekturen sichtbar

Auch die Politik zeigt inzwischen Reaktionen. Das hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen kündigte Mitte 2025 eine Rechenzentrumsstrategie speziell für Ballungsräume an. Ziel sei es, zentrale Standorte zu entlasten, alternative Flächen auszuweisen und Genehmigungsverfahren für energetisch optimierte Projekte zu beschleunigen.

Frankfurts Planungsdezernentin Rosemarie Heilig betonte im Gespräch mit der FAZ: „Wir wollen Rechenzentren nicht verhindern, aber wir brauchen klare ökologische Leitplanken. Ohne Wärmeauskopplung, Energieeffizienz und städtebauliche Integration wird es künftig keine Genehmigung mehr geben.“

Gleichzeitig steht auch die europäische Perspektive auf dem Prüfstand: Im Rahmen des European Green Deal fordern Umweltorganisationen strengere Nachhaltigkeitsstandards für Hyperscaler-Rechenzentren. Die EU-Kommission erwägt, ab 2026 verbindliche PUE-Grenzwerte (Power Usage Effectiveness) einzuführen. Der europäische Durchschnitt lag 2023 laut Uptime Institute bei 1,55 – bei hocheffizienten KI-Zentren sind Werte von 1,2 oder darunter möglich.

Handlungsempfehlungen für Unternehmen und Planer

Unternehmen, die KI-Infrastruktur in Frankfurt oder deutschlandweit aufbauen wollen, sollten die folgenden Aspekte beachten:

  • Netzverfügbarkeit früh prüfen: Bereits vor Projektbeginn sollte die Abstimmung mit Netzbetreibern erfolgen. Lastprofile, Ausbaukapazitäten und Einspeiseoptionen müssen abgestimmt sein.
  • Auf Energieeffizienz im Design setzen: KI-Zentren mit GPU-Clustern profitieren besonders von Direct Liquid Cooling, Waste Heat Reuse und High-Density-Colocation-Modellen.
  • Enge Kooperation mit Stadtwerken und Kommunen: Frühzeitiger Austausch beschleunigt Genehmigungen und bietet Synergien bei der lokalen Energienutzung – etwa durch Fernwärmeeinspeisung.

Ein weiterer Trend: Der Einsatz von Edge-Computing kann helfen, die zentrale Infrastruktur zu entlasten, indem Rechenlasten näher an den Endpunkt verlagert werden. Auch hybride Konzepte mit Private-Cloud-Elementen gewinnen an Bedeutung, um Lastspitzen flexibel abzufedern.

Fazit: Digitale Souveränität braucht energietechnische Resilienz

Frankfurts Rechenzentrums-Engpass ist mehr als nur ein regionales Infrastrukturproblem – es ist ein Weckruf für Politik, Industrie und technologische Visionäre. Die Energiewende muss zwingend mit der Digitaloffensive zusammengedacht werden, sonst gefährdet Deutschland seine Rolle als KI-Standort.

Die Chancen für Innovationen im KI-Bereich sind riesig – doch ohne Strom laufen weder Trainingsprozesse noch intelligente Anwendungen. Nur durch integrierte Ansätze zwischen Netzplanung, Energieeffizienz und urbaner Entwicklung kann dem steigenden Bedarf begegnet werden.

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