Ob Instagram, TikTok oder LinkedIn – gefälschte Profile auf Social Media sind längst keine Seltenheit mehr. Besonders prominente Personen und Influencer sind betroffen, aber auch Privatnutzer werden zunehmend zum Ziel von Identitätsdiebstahl. Der Fall des deutschen Finfluencers Thomas Kehl verdeutlicht, wie gravierend die Auswirkungen dieser digitalen Täuschung sein können – und wie mühsam der Weg zur Rechtsdurchsetzung ist.
Identitätsdiebstahl in sozialen Netzwerken: Eine unterschätzte Gefahr
Die Zahl der gefälschten Social-Media-Profile steigt rasant. Laut einer Studie von Cyberhaven aus dem Jahr 2024 sind etwa 9,5 % aller Social-Media-Profile automatisiert erstellt oder betrügerisch. Besonders im Visier stehen Persönlichkeiten mit finanziellem oder sozialem Einfluss – und ihre Follower.
Ein prominentes Beispiel: Thomas Kehl, Gründer des erfolgreichen YouTube-Kanals „Finanzfluss“ mit über einer Million Abonnenten. 2023 war Kehl wiederholt Ziel von Identitätsfälschungen auf Instagram. Die Betrüger kopierten sein Profil und wandten sich unter Vorwand persönlicher Beratung direkt an Nutzer – häufig mit dem Ziel, diese zur Investition in dubiose Krypto-Projekte zu bewegen.
Instagram versprach zwar konsequentes Vorgehen gegen Fake-Accounts, doch wie Kehl selbst in Interviews betonte, blieben viele seiner Meldungen über Wochen unbeantwortet – und die Fake-Konten aktiv. Der wirtschaftliche und persönliche Schaden: erheblich.
Wie Fake-Profile funktionieren – und warum sie gefährlich sind
Die Ersteller gefälschter Profile greifen dabei auf diverse Methoden zurück:
- Kopieren von Namen, Profilbildern und Biografien realer Personen
- Nutzung automatisierter Bots zur Skalierung der Profile
- Direktnachrichten mit Gewinnversprechen oder Finanzangeboten
- Phishing-Links oder Aufrufe zu Zahlungen über angebliche „Investment-Chancen“
Opfer sind nicht nur die Betroffenen, deren Namen missbraucht werden – sondern auch die Follower, die im Vertrauen auf eine authentische Kommunikation zu Entscheidungen verleitet werden, die finanzielle und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können.
Rechtliche Situation in Deutschland: Identitätsdiebstahl als Straftat
In Deutschland existiert kein eigenständiger Straftatbestand für „Identitätsdiebstahl“. Dennoch kommen mehrere Paragrafen des Strafgesetzbuches (StGB) zur Anwendung:
- § 263 StGB – Betrug: Täuschungshandlungen durch Fake-Profile mit dem Ziel, einen Vermögensschaden herbeizuführen.
- § 202a StGB – Ausspähen von Daten: Wenn Fake-Accounts auch auf die Datenerlangung abzielen.
- § 185 StGB – Beleidigung bzw. Rufschädigung: Im Fall von rufschädigenden Inhalten oder Konstellationen.
Doch der rechtliche Weg ist komplex. Laut Digitalverband Bitkom fühlen sich nur 28 % der Betroffenen von Identitätsbetrug ausreichend polizeilich unterstützt (Bitkom, Sicherheitsstudie 2023). Die juristische Situation verkompliziert sich zusätzlich, da viele Täter im Ausland agieren – verbunden mit schwieriger Identifikation und niedriger Strafverfolgungsquote.
Plattformverantwortung: Wo Instagram, Facebook & Co. versagen
Soziale Netzwerke wie Instagram, X (ehemals Twitter) und TikTok stehen laut EU-Digital Services Act (DSA) seit 2024 vermehrt in der Pflicht, gegen Desinformation, Fake-News und auch Identitätsfälschungen aktiv vorzugehen. Doch der praktische Vollzug hinkt.
Ein internes Meta-Dokument, das Bloomberg im Januar 2024 veröffentlichte, zeigte deutlich: Über 75 % der gemeldeten Fake-Profile auf Instagram bleiben länger als 14 Tage aktiv – ein inakzeptabler Zustand, besonders für Prominente und Medienschaffende.
Zwar bietet Meta inzwischen erweiterte Verifizierungsoptionen an (z. B. den „Meta Verified“-Status gegen Gebühr), doch dieser bietet keinen umfassenden Schutz vor Profilkopien. Zudem werden Fälschungen häufig erst auf Nutzerbeschwerden hin gelöscht – ein Prozess, der angesichts hunderttausender Profile stark verzögert wirkt.
Betroffener spricht: Erfahrungen von Thomas Kehl
Im Gespräch mit Capital (2023) schilderte Thomas Kehl seine frustrierenden Erlebnisse mit Instagram-Meldesystemen. Trotz offizieller Verifizierung seien über 60 Fake-Profile gemeldet, aber nur ein Bruchteil davon gelöscht worden. Die psychologische und geschäftliche Belastung für ihn und sein Team sei erheblich – vor allem, da gutgläubige Zuschauer ihm anschließend Vorwürfe machten, auf Krypto-Betrug hereingefallen zu sein.
Kehl setzt sich seitdem aktiv für strengere Plattformregulierungen und eine bessere Kennzeichnung offiziell verifizierter Kanäle ein. Sein Appell: „Verantwortung darf nicht nur beim Betroffenen liegen – Plattformen müssen mitziehen.“
Handlungsempfehlungen: So schützen sich Nutzer vor Fake-Profilen
Die gute Nachricht: Nutzer haben durchaus Mittel an der Hand, um sich gegen Identitätsdiebstahl und Fake-Konten besser abzusichern oder aktiv zu reagieren. Folgende Maßnahmen werden von Datenschutzexperten und IT-Sicherheitsverbänden empfohlen:
- Regelmäßige Selbstsuche mit Bild und Name: Wer den eigenen Namen bei Google oder per Rückwärtsbildsuche regelmäßig überprüft, kann Fake-Profile oft frühzeitig entdecken.
- Verifizierung beantragen: Viele Plattformen bieten einen offiziellen Verifizierungsprozess – etwa über Personalausweis oder Steuer-ID.
- Fälle sofort melden und dokumentieren: Screenshots anfertigen, Links sichern, Zeitpunkt notieren – und an Plattformbetreiber sowie Polizei übermitteln.
- Follower regelmäßig warnen: Influencer und öffentliche Persönlichkeiten sollten ihre Community transparent über Betrugsversuche informieren.
- Passwörter und Sicherheitsfragen regelmäßig aktualisieren: Um keinen weiteren Datenmissbrauch zu ermöglichen, sollte auch der eigene Account bestens geschützt sein.
Ergänzend empfiehlt das Bundeskriminalamt (BKA) die Nutzung von Zwei-Faktor-Authentifizierung, um gehackte Übernahmen der Originalaccounts zu verhindern.
Gesetzgeber und Strafverfolgung: Brauchen wir härtere Regeln?
Die Diskussion um eine klare gesetzliche Verankerung von „Identitätsmissbrauch im Netz“ ist nicht neu. Bereits 2019 forderten Digitalpolitiker wie Konstantin von Notz (Die Grünen) eine Modernisierung des StGB. Passiert ist bisher wenig.
2024 startete das Bundesministerium für Justiz (BMJ) eine neue Initiative unter dem Titel „Digitale Integrität schützen“. Ziel ist, einen neuen Straftatbestand „digitaler Identitätsmissbrauch“ nach französischem Vorbild zu prüfen. In Frankreich sind seit 2021 bis zu ein Jahr Haft und 15.000 Euro Geldstrafe für ID-Fälschungen im Netz möglich.
Ob ein solcher Ansatz auch in Deutschland durchsetzbar ist, hängt maßgeblich vom Koalitionswillen und der Praktikabilität ab. Die Kriminalpolizei jedenfalls befürwortet laut Aussagen des BKA grundsätzlich eine Verschärfung der Gesetzeslage – da bestehende Normen häufig ins Leere laufen oder aufwendig zu belegen sind.
Fazit: Digitale Täuschung ist mehr als ein Kavaliersdelikt
Fake-Profile sind kein Nischenproblem mehr – sondern ein wachsendes Massendeliktsfeld, das sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen und öffentliche Persönlichkeiten betrifft. Der Fall Thomas Kehl zeigt exemplarisch, wie ohnmächtig selbst prominente Menschen Social-Media-Betrügern gegenüberstehen.
Umso wichtiger ist ein Dreiklang aus persönlicher Vorsorge, smarter Technik und politischer Bereitschaft zur Gesetzesnovellierung. Plattformen müssen in die Pflicht genommen werden, Identitätsdiebstahl ernsthaft zu bekämpfen – und Nutzer müssen über ihre Rechte und Möglichkeiten aufgeklärt sein.
Wie sind Sie mit Fake-Profilen umgegangen? Wurden Sie selbst schon Opfer oder kennen Betroffene? Teilen Sie Ihre Erfahrungen mit unserer Community – und helfen Sie, mehr Sichtbarkeit für dieses wichtige Thema zu schaffen.