Suchmaschinenoptimierung bekommt eine neue Dimension: Mit dem Aufstieg generativer KI-Modelle wie ChatGPT, Bard oder Perplexity entwickelt sich ein Paradigmenwechsel – nicht nur in der Content-Erstellung, sondern auch in der Art und Weise, wie Inhalte entdeckt und bewertet werden. Das britische GEO-Experiment zeigt eindrucksvoll, wie künstliche Intelligenz durch gezielte Maßnahmen beeinflusst werden kann. Ein Einblick in eine neue Spielart des digitalen Marketings: Generative Engine Optimization (GEO).
Was ist Generative Engine Optimization?
Generative Engine Optimization (GEO) beschreibt eine aufkommende Marketingdisziplin, deren Ziel es ist, KI-basierte Antwortsysteme – sogenannte Generative Engines wie ChatGPT – gezielt zu beeinflussen. Anstelle klassischer SEO-Techniken, die auf algorithmische Crawling-Prozesse von Suchmaschinen abzielen, fokussiert GEO die Datenquellen, mit denen generative Modelle trainiert oder aktualisiert werden.
Anders gesagt: GEO zielt darauf ab, Inhalte so zu gestalten und zu platzieren, dass sie von generativen KI-Modellen aufgenommen, referenziert oder priorisiert werden. Dabei geht es nicht nur um organische Suchergebnisse, sondern auch um die Antworten, die große Sprachmodelle (LLMs) wie GPT-4 in dialogischen Kontexten liefern.
Das britische GEO-Experiment: Manipulation durch Strategie
Ein Forscherteam der University of Oxford und der University of Cambridge veröffentlichte Anfang 2024 eine aufsehenerregende Studie, in der es zeigte, wie einfach generative KI-Modelle mit existierenden SEO-Prinzipien beeinflusst werden können. In einem über mehrere Monate laufenden Experiment erstellten die Forscher fiktive Webseiten zu einem erfundenen Unternehmen – inklusive glaubwürdiger Inhalte, Backlink-Strategien und strukturierter Daten.
Das Ziel: herauszufinden, ob und wie schnell diese Inhalte den Weg in die Antwortmechanismen großer Sprachmodelle finden. Das Ergebnis war eindeutig: Innerhalb weniger Wochen begann unter anderem ChatGPT darauf zuzugreifen, Empfehlungen auszusprechen und sogenannte „halluzinierte Fakten“ aus den manipulierten Seiten zu zitieren.
Laut Studie reichte eine geschickte Onpage- und Offpage-Optimierung aus, um in mehreren AI-basierten Antwortsystemen als primäre Quelle zu erscheinen – selbst ohne in klassischen Webrankings weit oben positioniert zu sein (Quelle: Oxford Internet Institute, 2024).
Die Mechanismen hinter GEO
Doch wie genau funktioniert die Beeinflussung? Generative KI-Modelle nutzen ein Spektrum an Webquellen – teils über direkte Trainingsdaten, teils über sogenannte Retrieval-Augmented Generation (RAG), bei der externe Informationen dynamisch eingebunden werden.
Hier setzen GEO-Praktiker an: Indem sie Inhalte strategisch gestalten, auf Domains platzieren, die von KI-Systemen bevorzugt gecrawlt werden (z.B. Wikipedia, Reddit, Medium), und weitere Signale wie häufige Verlinkungen, Social Signals oder maschinenlesbare Schemata integrieren, erhöhen sie die Wahrscheinlichkeit, dass diese Inhalte Teil der KI-Ausgaben werden.
Ein wachsender Trend ist zudem das gezielte Bespielen von Quellen, die öffentlich als „vertrauenswürdig“ gelten und deren Inhalte explizit in die Modelle eingebunden werden – etwa wissenschaftliche Datenbanken, populäre Nachrichtenseiten oder bestimmte Open-Source-Plattformen.
GEO versus klassisches SEO: Was ändert sich?
Während traditionelles SEO vor allem auf Google-Rankings, Backlinks und Onpage-Faktoren setzt, rückt GEO neue Kennzahlen und Erfolgsmetriken in den Fokus. Dazu zählen:
- Inclusion Rate: Wie oft erscheinen bestimmte Inhalte oder Marken in AI-generierten Antworten?
- Model Reputation: Wie vertrauenswürdig oder präsent ist ein Absender aus Sicht des KI-Modells?
- Prompt Visibility: Bei welchen Nutzerfragen oder Prompts wird eine Marke erwähnt?
Laut einer Analyse von Gartner werden bis 2026 über 30 % aller organischen digitalen Markeninteraktionen durch generative AI-Systeme vermittelt – eine erhebliche Steigerung gegenüber heute (Gartner, 2024).
Chancen und Risiken: Marketing in der Blackbox
Für Unternehmen ergibt sich durch GEO eine völlig neue Möglichkeit zur Markenpositionierung – insbesondere in Bereichen wie E-Commerce, Gesundheitsinformationen oder Finanzberatung, wo KI-basierte Antworten als besonders vertrauenswürdig gelten. Doch die neue Disziplin bringt auch Unsicherheiten mit sich.
Ein Kernproblem: Viele LLMs sind proprietär – das heißt, externe Beobachter können nur schwer nachvollziehen, auf welchen Quellen sie konkret basieren oder welche Gewichtung diese erhalten. GEO operiert daher zum Teil in einer Blackbox: Mit viel Aufwand lässt sich messen, dass ein Effekt eintritt, aber nicht immer warum.
Ein weiterer ethischer Aspekt: GEO kann auch für Desinformation, Manipulation oder unlauteren Wettbewerb missbraucht werden – etwa wenn gezielt Inhalte gestreut werden, um Mitbewerber zu diskreditieren oder algorithmische Verzerrungen auszunutzen. Die EU-KI-Verordnung, die 2026 in Kraft tritt, könnte hier regulatorische Leitlinien setzen.
Best Practices: So gelingt der Einstieg ins GEO-Marketing
Für CMOs, SEO-Manager und Content-Strategen ergeben sich aus GEO neue Verantwortungsbereiche und Chancen. Wer erfolgreich agieren will, sollte systematisch vorgehen. Drei zentrale Handlungsempfehlungen:
- Datenquellen analysieren: Unternehmen sollten verstehen, welche Plattformen und Inhalte von generativen Engines vorrangig genutzt werden – etwa durch Prompt-Analysen, KI-Monitoring-Tools oder Experimente mit AI-Antworten.
- Content gezielt distribuieren: GEO funktioniert am besten, wenn Inhalte sowohl semantisch stark als auch maschinenlesbar aufbereitet sind – z.B. mittels strukturierter Daten, Schema.org-Markups und Frequent Mentions auf KI-relevanten Plattformen.
- Ethik-Check integrieren: GEO birgt Reputationsgefahren. Teams sollten klare Richtlinien erarbeiten, welche Inhalte in welchem Kontext verbreitet werden – und wo die Grenze zur Manipulation verläuft.
Zudem sollten Unternehmen verstärkt mit Prompt Engineers und KI-Strateg:innen zusammenarbeiten, um die Mechanismen besser zu verstehen und auszuschöpfen.
Der Markt wächst: GEO als Karriereweg
Mit dem rasanten Wandel hin zu AI-first-Kommunikation entstehen neue Berufsbilder: „GEO Manager“, „Generative Content Strategist“ oder „Prompt Visibility Analyst“ sind mittlerweile in ersten Stellenportalen zu finden. Laut LinkedIn hat sich die Zahl der Jobs mit KI-Schwerpunkt im Online-Marketing zwischen 2023 und 2025 mehr als verdoppelt (LinkedIn Economic Graph, 2025).
Auch Tech-Giganten wie Google und Microsoft investieren in Methoden, mit denen die Integrität und Transparenz generativer Modelle gestärkt werden können – darunter signalbasierte Qualitätsmetriken, Content Watermarking oder Echtzeit-Feedbackkanäle für Nutzer.
Fazit: GEO ist gekommen, um zu bleiben
Generative Engine Optimization verändert das digitale Marketing grundlegend. Während Google über Jahrzehnte hinweg den Ton angab, eröffnen heute KI-Modelle wie ChatGPT alternative Informationszugänge – mit eigenen Regeln, Datenpfaden und Chancen.
Für Unternehmen bedeutet das einen grundlegenden Strategiewechsel: Sichtbarkeit muss neu gedacht, Inhalte anders konzipiert und ethische Standards überarbeitet werden. Gleichzeitig eröffnet GEO kreative, datengetriebene Wege hin zu mehr Einfluss in einer KI-gesteuerten Welt.
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