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Liquid Cooling: Die Zukunft der Kühlung in Rechenzentren

In einem hell erleuchteten, modernen Rechenzentrum strahlt ein Ingenieur lächelnd vor glänzenden, hochpräzisen Liquid-Cooling-Komponenten, während warmer Tageslichteinfall sanft die technische Innovation und nachhaltige Zukunft der Flüssigkeitskühlung betont.

Mit der fortschreitenden Verbreitung von KI-Anwendungen und Hochleistungsrechnen stoßen klassische Luftkühlungssysteme zunehmend an ihre Grenzen. Ein Technologiesprung bahnt sich an: Die Flüssigkeitskühlung steht bereit, Rechenzentren weltweit effizienter, leiser und umweltfreundlicher zu machen. Der Spezialist für Klimatechnik, Stulz, geht nun mit einer neuen Fertigungslinie in Hamburg in die Offensive.

Stulz investiert in Liquid Cooling „Made in Germany“

In einem wegweisenden Schritt hat das Hamburger Unternehmen Stulz, einer der führenden Anbieter für Präzisionsklimasysteme, im Juni 2025 eine komplett neue Fertigungslinie für Liquid-Cooling-Technologien in Betrieb genommen. Ziel ist es, die steigende Nachfrage nach Direct-to-Chip- und Immersionslösungen zu bedienen – insbesondere aus den Bereichen Künstliche Intelligenz (KI), High Performance Computing (HPC) und Cloud-Infrastruktur.

Die neue Fertigungslinie ist laut Unternehmensangaben auf Skalierbarkeit ausgelegt und kann sowohl maßgeschneiderte Komplettsysteme als auch modulare Komponenten wie CDU (Coolant Distribution Units) und Wärmetauscher produzieren. Stulz reagiert damit nicht nur auf die Anforderungen hybrider IT-Umgebungen, sondern auch auf geopolitische Faktoren, die eine europäische Technologieautarkie befördern.

Warum Flüssigkeitskühlung jetzt an Bedeutung gewinnt

Mit datenintensiven Anwendungen wie generativer KI, Big Data Analytics und wissenschaftlichen Simulationen steigt auch die thermische Last pro Rack. Während Luftkühlung typischerweise Rackleistungen bis zu 10–15 kW ermöglicht, stoßen modernere Racks, etwa für NVIDIA H100-basierte Server, schnell in Bereiche von 30–50 kW und darüber vor.

Hier bietet Flüssigkeitskühlung entscheidende Vorteile:

  • Höhere Kühlleistung: Wasser leitet Wärme bis zu 3.500-mal effizienter als Luft und ermöglicht so die direkte Ableitung hoher thermischer Energie.
  • Geringerer Energieverbrauch: Nach Schätzungen des Uptime Institute können moderne Direct Liquid Cooling (DLC)-Systeme den Energieverbrauch für Kühlung um bis zu 40 % gegenüber luftbasierten Systemen senken.
  • Lärmarme und kompaktere Infrastruktur: Kleinere oder vollständig umhüllte Kühlsysteme machen laute Lüfter und Klimaschränke überflüssig.
  • Niedrigere Gesamtbetriebskosten (TCO): Trotz höherer Anfangsinvestition amortisieren sich Liquid-Cooling-Lösungen über die Lebensdauer durch reduzierte Energiekosten und verbesserte Serverdichte.

Technologievarianten im Überblick

Flüssigkeitskühlung lässt sich prinzipiell in zwei Hauptkategorien einteilen:

  • Direct-to-Chip-Kühlung (D2C): Hierbei wird Kühlwasser mittels Pipelines direkt auf Kühlplatten geleitet, die CPUs, GPUs oder andere Hotspots berühren. Dieses System ist besonders geeignet für nachrüstbare High-Density-Server.
  • Immersionskühlung: Server werden vollständig in ein elektrisch nicht-leitendes Kühlmittel getaucht. Dank maximaler thermischer Kopplung ist dieses Verfahren eines der effizientesten, erfordert jedoch spezialisierte Hardware.

Beide Ansätze bieten – abhängig vom Einsatzszenario – strategische Vorteile. Große Hyperscaler wie Google und Microsoft testen bereits seit Jahren Immersionskühlung, unter anderem in Kooperation mit Anbietern wie Submer oder Asperitas.

Marktdynamik und wirtschaftliche Argumente

Laut dem Analystenhaus Omdia wird der globale Markt für liquid-cooled Server von 2024 bis 2030 mit einer CAGR von rund 21 % wachsen und ein Marktvolumen von über 14 Milliarden US-Dollar erreichen. Besondere Treiber sind steigende Strompreise, strengere Umweltauflagen und die Explosion von KI-Workloads.

Auch in Deutschland ist der Trend angekommen: So investierte das Unternehmen Northern Data Group im Frühjahr 2025 rund 45 Millionen Euro in ein auf Flüssigkeitskühlung spezialisiertes Rechenzentrum im Rhein-Main-Gebiet. Gleichzeitig fordern neue Standards wie die EU-Verordnung zur Energieeffizienz von Rechenzentren (ab 2026) konkrete Maßzahlen zur PUE (Power Usage Effectiveness) und Wärmerückgewinnung.

Ein Vergleich macht den Nutzen deutlich: Während luftgekühlte Datenzentren im Schnitt eine PUE von ca. 1,6 erreichen, sind mit Flüssigkeitskühlung Werte zwischen 1,05 und 1,2 realistisch – ein gewaltiger Effizienzsprung.

Praktische Tipps für den Umstieg auf Liquid Cooling

Für Betreiber von Rechenzentren und Infrastrukturverantwortliche ergeben sich konkrete Handlungsempfehlungen:

  • Führen Sie eine thermische Analyse Ihrer Racks durch – identifizieren Sie Hotspots und Bedarfsbereiche für Next-Gen-Kühlung.
  • Planen Sie Redundanz und Ausfallsicherheit bei Kühlkomponenten (z. B. durch doppelte Kühlmittelpfade oder Monitoring-Systeme).
  • Arbeiten Sie mit spezialisierten Integratoren und Herstellern wie Stulz, Vertiv oder Schneider Electric zusammen, um Systeme auf Ihre Betriebsabläufe abzustimmen.

Vor allem für Betreiber älterer Rechenzentren empfiehlt sich ein schrittweiser Rollout, etwa durch Retrofit-fähige D2C-Systeme.

Ökologische Perspektiven und Kreislaufwirtschaft

Ein zentraler Vorteil der Flüssigkeitskühlung ist die verbesserte thermische Rückgewinnung: Mithilfe von Wärmetauschern lässt sich überschüssige Wärme effizient für Fernwärmenetze, Gebäudebeheizung oder industrielle Prozesse nutzen.

Laut einer Studie des Borderstep Instituts (2024) könnten durch intelligente Wärmerückgewinnung bis zu 3,8 Terawattstunden Stromäquivalent jährlich in Deutschland eingespart werden – genug zur Versorgung von fast 1,2 Millionen Haushalten.

Innovative Betreiber wie das Eco Data Center in Schweden oder das Green Mountain Data Center in Norwegen nutzen bereits flüssigkeitsgekühlte Systeme mit 100 % erneuerbaren Energiequellen und nahezu kompletter Wärmerückführung.

Stulz als Wegbereiter einer europäischen Kühltechnologie

Mit seiner Investition in Hamburg unterstreicht Stulz nicht nur sein technologisches Know-how, sondern setzt auch ein industriepolitisches Signal: Europa soll nicht länger auf US- oder asiatische Anbieter angewiesen sein, wenn es um kritische Infrastrukturen geht.

„Mit unserer neuen Liquid-Cooling-Linie können wir sehr spezifisch auf die Anforderungen europäischer Hyperscaler, Industriekunden und Forschungseinrichtungen eingehen“, so Jörg Böttcher, Leiter Produktstrategie bei Stulz, im Juni 2025 gegenüber dem IT-Fachportal Data Center Insider. Die besonders hohe Fertigungstiefe ermögliche auch kundenspezifische Lösungen in kleinen und mittleren Stückzahlen.

Stulz plant zudem die Integration intelligenter Sensortechnik und modularer Steuerungen, um eine nahtlose Einbindung in DCIM-Systeme und Remote-Monitoring-Tools zu garantieren.

Fazit: Neue Kühltechnologien für ein neues Datenzeitalter

Der Energiehunger moderner Serverarchitekturen stellt Rechenzentrumsbetreiber vor enorme Herausforderungen – ökonomisch wie ökologisch. Flüssigkeitskühlung bietet eine der wirkungsvollsten Antworten auf diesen Wandel. Mit deutlich höherer Effizienz, besserer Skalierbarkeit und nachhaltiger Wärmenutzung etabliert sich Liquid Cooling zunehmend nicht nur als Nischenlösung, sondern als neuer Standard.

Die Investitionen von Unternehmen wie Stulz und das Interesse von Hyperscalern weltweit signalisieren eine technologische Zäsur. Jetzt ist die Branche gefragt, durch Pilotprojekte, Normierungsanstrengungen und kollektive Innovationskraft den Durchbruch zu beschleunigen. Wie sehen Ihre Erfahrungen oder Pläne im Bereich Flüssigkeitskühlung aus? Diskutieren Sie mit uns in den Kommentaren oder auf LinkedIn!

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