In Sachsen-Anhalt entstehen derzeit mehrere großdimensionierte Rechenzentren, angeführt vom Mega-Projekt SBB Bytefortress. Was macht das Bundesland für Betreiber und Investoren so attraktiv? Ein Blick auf strukturelle Vorteile, politische Förderungen und die Bedeutung der geografischen Lage.
Von Agrarland zum IT-Knotenpunkt: Die neue Rolle Sachsen-Anhalts
Lange war Sachsen-Anhalt primär für seine industrielle Geschichte und landwirtschaftliche Produktion bekannt. Doch in den letzten Jahren zeichnet sich ein klarer Strukturwandel ab: Das Bundesland entwickelt sich zunehmend zu einem Hotspot für digitale Infrastrukturen. Jüngstes Beispiel: Das Großprojekt SBB Bytefortress, das mit einer geplanten Investitionssumme von rund einer Milliarde Euro eines der modernsten und nachhaltigsten Rechenzentren Europas entstehen lässt.
Bereits 2024 gab das Unternehmen bekannt, den Standort Sülzetal bei Magdeburg bewusst gewählt zu haben – maßgeblich wegen infrastruktureller Vorteile und klarer politischer Signale. Doch was steckt hinter diesem Trend?
Geografische Vorteile: Platz, Stabilität und Netzanbindung
Sachsen-Anhalt bietet ideale flächenökonomische Voraussetzungen für hyperskalierbare Rechenzentren. Im Vergleich zu urbanen Ballungsräumen sind hier nicht nur Grundstücke günstiger, sondern auch die Flächenverfügbarkeit ist deutlich höher. Für energieintensive Großprojekte ist das essenziell.
Ein weiteres Plus: Das Bundesland liegt in einer Region mit geringer seismischer Aktivität und stabiler klimatischer Bedingungen. Damit eignet sich Sachsen-Anhalt hervorragend für unternehmenskritische Infrastrukturen, die auf dauerhafte Verfügbarkeit angewiesen sind.
Zudem ist die Verkehrsanbindung – besonders rund um die Städte Magdeburg, Halle und Dessau – durch Autobahnen (A2, A14) und ICE-Knoten gut ausgeprägt. Auch Glasfaserleitungen wurden gezielt ausgebaut: Nach Angaben des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr lag die Glasfaserversorgung 2024 in Sachsen-Anhalt bei über 51 % – ein Spitzenwert im Ost-Vergleich.
Energiestandort mit Zukunft: Regenerativ und kosteneffizient
Ein entscheidender Faktor für die Standortwahl von Rechenzentren ist die Energieversorgung. Sachsen-Anhalt punktet hier mit einem hohen Anteil an erneuerbaren Energien: Rund 61 % des Bruttostromverbrauchs wurden laut Statistischem Landesamt Sachsen-Anhalt bereits 2023 regenerativ gedeckt – vor allem durch Windkraftanlagen im Norden und Photovoltaikanlagen im Süden des Landes.
Für energieintensive Branchen wie Cloud-Hosting oder KI-gestütztes Datenmanagement bedeutet das nicht nur Versorgungssicherheit, sondern auch die Möglichkeit, ESG-Ziele (Environmental, Social and Governance) effizient umzusetzen – ein entscheidender Investoren-Faktor.
Politische Rahmenbedingungen: Förderung trifft Strategie
Die sachsen-anhaltische Landesregierung hat frühzeitig Weichen gestellt, um als Digitalstandort wettbewerbsfähig zu bleiben. Neben Förderprogrammen wie der „Digitalen Agenda Sachsen-Anhalt 2030“ investierte das Land massiv in Breitbandinfrastruktur, Ausbildungsförderung und Clusterentwicklung im IT-Bereich.
In Zusammenarbeit mit der Landesentwicklungsgesellschaft wurden in den letzten drei Jahren über ein Dutzend Großflächen mit Rechenzentrums-Potenzial ausgewiesen und für Investoren erschlossen. Dazu gehört beispielsweise das Gewerbegebiet L52 bei Leuna, das mit grünem Strom aus angrenzenden Solarparks gespeist werden kann.
Fallstudie: Das Bytefortress-Modell
Mit dem Projekt SBB Bytefortress verfolgt das Betreiberkonsortium ein besonders nachhaltiges Rechenzentrumsmodell. Das auf über 200.000 m² geplante Hyperscale-Zentrum soll im Endausbau bis zu 200 Megawatt Leistung bereitstellen. Die Kühlung erfolgt durch ein geschlossenes Rückkühlsystem und Nutzung industrieller Abwärme.
Besonders innovativ: Ein integrierter Batteriepark ergänzt zukünftig die Netzstabilität in Kooperation mit regionalen Energieversorgern. Laut Projektentwicklern werden allein in den ersten fünf Jahren über 250 qualifizierte Stellen geschaffen und langfristig weitere 500 indirekte Jobs in angrenzenden Industrien entstehen.
Mit solchen Projekten entwickelt sich Sachsen-Anhalt zu einem echten Wachstumskern der digitalen Infrastruktur.
Standortvergleich: Warum andere Regionen aufholen müssen
Ein Vergleich mit anderen deutschen Regionen zeigt, warum Sachsen-Anhalt in puncto Rechenzentrumsansiedlung besonders attraktiv erscheint:
- Berlin/Brandenburg: hohe Erschließungskosten, Flächenmangel
- NRW: starke Nachfrage, aber zunehmende Netzengpässe
- Bayern: hervorragende Tech-Cluster, jedoch teures Bauland
- Hessen: etabliertes Zentrum (Frankfurt), aber mit regulatorischen Hürden und Netzüberlastung
Sachsen-Anhalt hingegen lockt mit einer Kombination aus niedrigen Fixkosten, politischer Unterstützung und ausreichender Energieverfügbarkeit – Faktoren, die in Ballungsräumen zunehmend fehlen.
Die Folge: Auch internationale Colocation-Anbieter und Hyperscaler wie Equinix und Interxion prüfen zunehmend ostdeutsche Standorte als Alternative zur überlasteten Rhein-Main-Region.
Ein aktueller Bitkom-Report aus dem Jahr 2024 bestätigt: Über 38 % der befragten Unternehmen sehen in mitteldeutschen Bundesländern künftig attraktives Investitionspotenzial für digitale Infrastrukturen – ein Anstieg um 12 Prozentpunkte gegenüber 2021 (Quelle: Bitkom Digital Infrastructure Index 2024).
Hinzu kommt: Der europäische CO2-Zertifikatehandel macht emissionsintensive Hosting-Modelle in Westdeutschland zunehmend unwirtschaftlich – ein weiterer Pluspunkt für grüne Standorte in Ostdeutschland.
Tipp für Investoren und Betreiber:
- Betrachten Sie Regionen mit hoher erneuerbarer Energie-Quote und verfügbarer Netzkapazität als vorrangige Zielstandorte.
- Berücksichtigen Sie politische Förderlandschaften – insbesondere auf Landesebene.
- Setzen Sie früh auf Partnerschaften mit lokalen Energieversorgern und Kommunen, um Genehmigungsprozesse zu beschleunigen.
Talententwicklung und Fachkräfteförderung
Ein häufig übersehener Erfolgsfaktor: die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte. Sachsen-Anhalt investiert gezielt in duale Ausbildungsgänge für IT und Elektrotechnik, fördert Berufsbildungszentren und kooperiert mit Hochschulen wie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg im Bereich Data Center Engineering.
Laut Bundesagentur für Arbeit lag die Fachkräftelücke im IT-Bereich 2024 in Sachsen-Anhalt bei lediglich 3,2 % – deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 5,1 %. Besonders gefragt: Elektrotechniker, Cloud-Architekten und Spezialisten für Gebäudekühlung.
Diese Entwicklung ist zentral, um spätere Skalierungshürden zu vermeiden.
Europäische Dynamik: Sachsen-Anhalt im internationalen Trend
Die zunehmende Digitalisierung von Wirtschaft und Verwaltung führt europaweit zu einer höheren Nachfrage nach Edge- und Hyperscale-Rechenzentren. Während Skandinavien und Irland lange als Favoriten galten, verlagert sich das Interessenfeld zunehmend nach Mitteleuropa.
Sachsen-Anhalt erfüllt zentrale EU-Kriterien für nachhaltige Infrastrukturstandorte – etwa in Bezug auf Energiemix, Baukosten sowie Flächenverfügbarkeit. Hinzu kommt die politische Stabilität eines EU-Kernlandes, die viele internationale Großinvestoren bewusst suchen.
Ein Beispiel: Der niederländische DataCenter-Investor GreenGate Infrastructure hat 2025 erste Explorationsprojekte in der Nähe von Bitterfeld angekündigt – primär wegen der Nähe zu Solarparks und regionalisiertem Wasserminimalverbrauch.
Fazit: Eine dynamische Region mit digitalem Zukunftspotenzial
Sachsen-Anhalt avanciert nicht zufällig zum Hotspot für Rechenzentren – sondern aufgrund einer strategisch klugen Positionierung entlang geografischer, politischer und industrieller Eckpfeiler. Die Kombination aus grünem Strom, politischer Unterstützung und moderner Infrastruktur schafft ein zukunftssicheres Fundament für Betreiber, Cloud-Anbieter und Investoren.
Wer digitale Infrastruktur nachhaltig und wettbewerbsfähig aufbauen will, kommt an Standorten wie Sülzetal, Leuna oder Magdeburg künftig kaum noch vorbei. Der ostdeutsche Rechenzentrumstrend steht erst am Anfang – und ist ein Paradebeispiel dafür, dass Standortwahl eben doch Strategie ist.
Was denken unsere Leserinnen und Leser: Ist Sachsen-Anhalt das neue Frankfurt für Rechenzentren? Diskutieren Sie mit uns in den Kommentaren oder auf unseren Social-Media-Kanälen unter #DatacenterSachsenAnhalt.