Das Design- und Kollaborationstool Figma verändert nicht nur die Zusammenarbeit in Kreativteams, sondern auch die Investmentstrategien im Tech-Sektor. Der rasante Aufstieg des Start-ups hat die Designlandschaft transformiert – und bei Investoren eine neue Goldgräberstimmung ausgelöst.
Figma als Gamechanger im Design-Tech-Markt
Seit seiner Gründung im Jahr 2012 hat sich Figma von einem jungen Silicon-Valley-Startup zum dominanten Akteur im Bereich kollaborativer Designsoftware entwickelt. Mit Funktionen wie Echtzeit-Zusammenarbeit im Browser, flexiblen Komponentenstrukturen und einem offenen Plugin-Ökosystem hat Figma klassische Tools wie Adobe XD oder Sketch weitgehend in den Schatten gestellt.
Spätestens seit der geplanten, später jedoch abgebrochenen Übernahme durch Adobe für 20 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 ist Figma in aller Munde. Zwar lehnte die EU-Kommission den Deal Anfang 2023 aus wettbewerbsrechtlichen Bedenken ab, doch allein die Bewertung war ein Weckruf für Investoren, dass Design-Tech kein Nischensegment mehr ist.
Der Markt hat reagiert: Laut PitchBook-Daten stiegen die Venture-Capital-Investitionen in Design- und UX-orientierte Start-ups 2023 um 43 % im Vergleich zum Vorjahr – auf ein Gesamtvolumen von über 3,1 Milliarden US-Dollar.
Design Thinking trifft auf Kapital: Was Investoren derzeit antreibt
Ein Blick hinter die Kulissen zeigt: Investoren erkennen zunehmend das Potenzial von Designlösungen als strategische Hebel – nicht nur zur Nutzerbindung, sondern auch zur Effizienzsteigerung in der Produktentwicklung.
„Was Tools wie Figma leisten, ist die Demokratisierung des Designprozesses. Das Design wird zur Teamsache – und das schafft Skalierbarkeit“, erklärt Katharina Lorenz, Investment Partnerin bei Forward VC, im Gespräch mit unserem Magazin. Forward VC hat 2024 zwei UX-Startups aus Berlin und Tel Aviv finanziert – beide mit Fokus auf generative Design-Assistenz via KI.
Neben klassischen Designplattformen geraten auch angrenzende Technologien wie DesignOps, Design-to-Code-Systeme und No-Code-UX-Builder ins Blickfeld. Die Anwendungsmöglichkeiten reichen von Prototyping über Entwicklerintegration bis zu Echtzeitanalyse des Nutzerverhaltens. Entsprechend diversifiziert sich das Portfolio der Investoren in diesem Bereich zunehmend.
Welche Märkte profitieren vom Figma-Effekt?
Besonders dynamisch zeigt sich der Markt in Nordamerika und Europa. Während in den USA insbesondere Enterprise-Lösungen wie Framer, Modulz und Builder.io von der gestiegenen Aufmerksamkeit profitieren, ist in Europa ein Trend zur Spezialisierung erkennbar: Hier entstehen kleinere, hochfokussierte Tools – etwa für Accessibility-first Design, barrierefreie UX-Audits oder KI-gestützte User-Journey-Analyse.
In Asien hingegen verlagert sich das Interesse auf Mobile-First-Designplattformen, meist mit Fokus auf Super-Apps und Messaging-Plattformen. Lokale Investoren wie SoftBank und GGV Capital investieren verstärkt in regionale Designlösungen mit Integrationen für WeChat, Line oder Kakao.
Ein globaler Indikator für den Marktwert von Design-Tech ist der Anstieg aktiver Figma-Nutzer: Laut Interbrand-Studie von 2024 wuchs die Plattform im Vorjahr um 60 Prozent und überschritt erstmals die Marke von vier Millionen monatlich aktiven Teams weltweit.
Interview mit einem Investmentanalysten: Mehr als nur ästhetisches Potenzial
Maximilian Kramer, Investmentanalyst bei BluePort Capital, sieht Designsoftware als strategische Infrastruktur: „Wir sprechen von Tools, die zunehmend zu unverzichtbaren Bestandteilen moderner Produktentwicklung werden. Figma ist nicht mehr nur Design-Tool. Es ist Workspace, Abstimmungsplattform und Wissens-Hub zugleich.“
Kramer verweist dabei auf Zahlen: Produkte, die mit integriertem Design-Workflow entwickelt werden, erreichen laut einer McKinsey-Studie von 2023 insgesamt 32 % schnellere Time-to-Market-Zyklen. Auch Nutzerbindung (Retention) sei bei Produkten mit hochwertigem UX-Design deutlich höher, so eine Analyse von Forrester aus März 2024, die einen durchschnittlichen ROI von 228 % für UX-Investitionen beziffert.
Sogenannte „Design-Driven Companies“ wie Airbnb, Spotify oder Notion haben sich längst zu Paradebeispielen entwickelt. Ihre Designsysteme erlauben es, schneller zu iterieren, Feedback aus Nutzerinteraktionen effizient zu verarbeiten und feature-übergreifend konsistente Experience zu garantieren – ein klarer Wettbewerbsvorteil.
Neue UX-Märkte und Early-Stage-Trends: Wohin fließt das Kapital jetzt?
Basierend auf Daten von Dealroom und Crunchbase investieren Venture-Capital-Firmen derzeit bevorzugt in folgende Segmente:
- Design-Automation mittels KI – etwa Tools wie Galileo AI (automatisiertes UI-Design aus Textprompts) oder Uizard (KI-gestütztes Wireframing).
- Design-to-Code-Plattformen, die Frontend-Code auf Basis visueller Designs generieren und Entwicklerprozesse beschleunigen – darunter Locofy, Quest AI oder BuilderX.
- UX-Analytics-Tools mit Echtzeitfeedback, Mouseflow-Tracking oder Heatmaps, darunter Maze, FullStory oder Hotjar NextGen.
„Vor allem ferngesteuerte Produktteams suchen nach Möglichkeiten, UX im global skalierbaren Maßstab zu synchronisieren“, sagt UX-Beraterin Linh Dao, die Start-ups bei internationalen Rollouts begleitet. „Investitionsentscheidungen reflektieren den Wunsch nach Effizienz, Standardisierung und Automatisierung.“
Handlungsempfehlungen für Start-ups und Produktteams
Unternehmen, die sich im wachsenden Feld der UX- und Designtechnologie positionieren möchten, sollten folgende Strategien beachten:
- Frühzeitiges Design-Scaffolding integrieren: Bereits in der Ideenphase lohnt es sich, Designsysteme anzulegen, die skalierbar sind und Automatisierung erlauben.
- Cross-funktionale Kollaboration fördern: Setzen Sie auf Tools, die Design- und Entwicklungsprozesse nahtlos verbinden – wie Figma, Storybook oder Zeroheight.
- UX-Qualität als KPI definieren: Messen Sie Designqualität nicht nur subjektiv, sondern mittels Nutzerfeedback, Conversiondaten und Systemnutzungsanalysen.
Zudem sollten Unternehmen stets den Datenschutz im Blick behalten – insbesondere bei in Europa noch wenig etablierten Tools mit Serverinfrastruktur außerhalb der EU.
Fazit: UX ist kein nice-to-have – sondern eine Kapitalstrategie
Der kometenhafte Aufstieg von Figma hat nicht nur bestehende Tools in Bewegung versetzt, sondern den Investitionsfokus des Tech-Sektors neu kalibriert. Design und UX sind kein Zusatzmodul mehr – sie sind strategische Assets. Unternehmen, die in diese Bereiche investieren, profitieren von schnelleren Produktzyklen, besserer Nutzerbindung und höherem Marktwert.
Gleichzeitig steigen die Erwartungen an junge Start-ups im UX-Bereich: Wer heute Kapital einsammeln will, muss nicht nur eine gute Idee, sondern auch ein klares Verständnis für Designprozesse und Userzentrierung mitbringen.
Wie sehen Sie die Zukunft von Design-Tech? Welche innovativen Tools oder Startups überzeugen Sie und wo sehen Sie Investitionsbedarf? Teilen Sie Ihre Einschätzungen und bevorzugten Tools mit der Community – wir freuen uns auf Ihre Kommentare!