Die Übernahme von VMware durch Broadcom hat tiefgreifende Veränderungen im IT-Infrastrukturbereich ausgelöst. Besonders die Kündigung zahlreicher kleinerer Reseller sorgt in der Branche für Unruhe. Was bedeutet dieser Strategiewechsel für den deutschen Cloud-Markt – und wie können Reseller darauf reagieren?
Ein radikaler Schnitt: Broadcoms neue Channel-Strategie
Mit dem Abschluss der 61 Milliarden US-Dollar schweren Übernahme von VMware im November 2023 hat Broadcom schnell klare Zeichen gesetzt. Der Konzern strebt seither eine radikale Vereinfachung des Partner-Ökosystems an – mit massiven Folgen für zahlreiche kleinere VMware-Reseller. Während zuvor über 18.000 Partner Teil des VMware-Partnerprogramms waren, wurde diese Zahl drastisch reduziert. Laut Broadcom liegt der Fokus künftig auf „autorisierten und strategischen Partnern“ mit direktem Einfluss auf Marktanteile und vertriebliche Skalierbarkeit.
Diese Konsolidierung bedeutet konkret: Zahlreiche regionale und kleinere Reseller, insbesondere solche im SMB-Segment, verloren ihre direkten Vertriebsrechte oder wurden in niedrigere Partnerränge umgestuft. In Deutschland betrifft dies laut Schätzungen des IT-Branchenportals CRN rund 60 Prozent der bisherigen VMware-Partner. Eine offizielle Liste der nicht mehr unterstützten Partner wurde nicht veröffentlicht, doch Rückmeldungen aus dem Channel zeigen eine klare Richtung.
Warum trennt sich Broadcom von kleineren Resellern?
Broadcom verfolgt mit dieser Neuausrichtung eine konsequent renditeorientierte Strategie. CEO Hock Tan betonte wiederholt, dass der Fokus auf Großkunden und bewährte Geschäftsmodelle gelegt werde, um Margen zu steigern. VMware solle sich stärker in Broadcoms bestehendes Vertriebsmodell einfügen, das auf minimale Vertriebskosten und maximalen ROI setzt.
Ein Kernmotiv: Komplexitätsreduktion. Die Vielzahl an variablen Partnerverträgen, Preisstaffelungen und individuellen Rabatten galt vielen Broadcom-Managern als ineffizient. Stattdessen setzt man nun auf Flatrate-Lizenzen für Großkunden und ein standardisiertes Subskriptionsmodell. Nicht zuletzt spielt auch das Argument der besseren Kontrolle über Preisgestaltung und Service-Qualität eine Rolle – kleinere Reseller galten in der Vergangenheit teilweise als schwer zu kontrollierender Risikofaktor.
Auswirkungen auf den deutschen Cloud- und Hosting-Markt
Der deutsche Cloud- und Hosting-Markt ist stark mittelständisch geprägt. Viele regionale Systemhäuser, Managed Service Provider (MSPs) und Infrastructure-as-a-Service-Anbieter nutzen VMware-Technologien als Rückgrat ihrer Plattformen. Die plötzliche Umstrukturierung bringt diese Geschäftsmodelle massiv unter Druck.
Ein Beispiel: Das Berliner IT-Systemhaus NetCon GmbH verlor Anfang 2024 seinen offiziellen VMware-Partnerstatus. Geschäftsführerin Jana Rehder berichtet: „Wir wurden über Nacht aus dem VMware-Partnerprogramm entfernt, obwohl wir seit über zehn Jahren verlässlich Lizenzen und Supportleistungen für unsere Kunden bereitstellen.“
Viele Anbieter stehen nun vor der Herausforderung, alternative Virtualisierungsplattformen zu evaluieren oder über Distributoren statt direkt bei VMware einzukaufen – meist zu deutlich schlechteren Konditionen.
Statistik: Marktanteile und Entwicklung
Laut der IDC-Studie „Worldwide Virtualization Software Market Share, 2024“ (veröffentlicht im Juni 2025) hält VMware trotz der Umstrukturierung weiterhin knapp 34 % am weltweiten Virtualisierungsmarkt, gefolgt von Microsoft mit rund 22 % und KVM/OpenStack mit 18 %.
Zugleich zeigt eine aktuelle Umfrage des Digitalverbands Bitkom (Mai 2025), dass 41 % der befragten mittelständischen IT-Dienstleister in Deutschland bereits Evaluierungsprojekte für alternative Plattformen angestoßen haben – ein Rekordwert gegenüber lediglich 18 % im Vorjahr.
Expertenstimmen: Eine Wette auf die Industrie – aber kein Ende für Reseller
Branchenexperten zeigen sich gespalten. Während einige Broadcoms Strategie als notwendiges „Aufräumen“ interpretieren, warnen andere vor bleibenden Verwerfungen im europäischen Channel. Dr. Andreas Weiß, Bereichsleiter Digitale Geschäftsmodelle bei eco – Verband der Internetwirtschaft e. V., erklärt: „Die kurzfristige Konzentration auf Großkunden ist betriebswirtschaftlich nachvollziehbar, aber strategisch riskant. Europa braucht resiliente, mittelstandsnahe IT-Infrastrukturen.“
Ähnlich sieht es Analyst Tim Schwenker vom Marktforschungsinstitut PAC: „Broadcom pokert hoch. Wenn MSPs und Hosting-Anbieter massenhaft zu alternativen Plattformen wie Proxmox oder Nutanix migrieren, verliert VMware langfristig die Breite der Marktdurchdringung.“
Einige Cloud-Anbieter sehen darin bereits eine Chance: OVHcloud etwa bewarb in einer Pressekonferenz im Juni 2025 gezielt seine VMware-alternativen IaaS-Angebote und meldete steigende Anfragen von Ex-VMware-Partnern.
Alternative Virtualisierungsplattformen im Fokus
Aufgrund der kehrenden Vertriebsstrategie rücken Alternativen wie KVM-basiertes Proxmox, Nutanix AHV oder Microsoft Hyper-V erneut stärker in den Fokus. Speziell im KMU-Umfeld gewinnen Open-Source-Varianten durch niedrige Einstiegskosten und Community-Support an Beliebtheit.
Ein steigender Favorit im deutschsprachigen Raum ist Proxmox VE (Virtual Environment). Die Plattform zeichnet sich durch eine schlanke Architektur, hohe Skalierbarkeit und keine Lizenzkosten aus – ein schlagkräftiges Argument für mittelständische IT-Dienstleister.
Handlungsempfehlungen für betroffene Reseller
Der abrupte Strategiewechsel zwingt Reseller zum Umdenken – bietet aber auch die Chance zur Neupositionierung. Die folgenden Schritte sind aus Expertensicht essenziell:
- Strategische Diversifikation prüfen: Reseller sollten ihre Abhängigkeit von VMware analysieren und parallel alternative Virtualisierungslösungen evaluieren.
- Neuverhandlungen mit Distributoren führen: Wer weiterhin VMware anbieten möchte, sollte mit VADs wie Arrow oder ALSO über Resellerkonditionen verhandeln.
- Kunden proaktiv informieren: Transparente Kommunikation mit Bestandskunden verhindert Vertrauensverlust und bietet Chancen für Cross-Selling anderer Plattformlösungen.
Was bedeutet das langfristig für Broadcom – und den Markt?
Langfristig ist offen, ob Broadcoms Strategie aufgeht. Zwar konnte der Konzern im ersten Halbjahr 2025 bereits 20 % höhere Margen im VMware-Segment ausweisen (laut Q2-Finanzbericht), doch gleichzeitig sinkt der Neukundenzuwachs in EMEA um etwa 12 % gegenüber dem Vorjahr.
Das zeigt: Während die fokussierte Großkundenausrichtung betriebswirtschaftliche Effizienz steigert, leidet die Kundendiversifikation. Gerade im Cloud-Hosting-Markt zählt jedoch Flexibilität und Nähe – ein Wert, den kleinere Reseller bislang überzeugend bedienten.
Fazit: Strukturbruch mit offenem Ausgang
Broadcoms Kurswechsel bei VMware ist mehr als eine Channel-Bereinigung – es ist ein Paradigmenwechsel in der B2B-IT. Für viele Reseller bedeutet dies kurzfristig einen herben Einschnitt, mittelfristig aber auch Raum für Innovation. Wer sich jetzt strategisch neu aufstellt, hat Chancen, sich als Anbieter unabhängiger Infrastruktur zu etablieren.
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