Künstliche Intelligenz

ChatGPT als Börsen-Trader: Ein Blick auf Chancen und Grenzen

Ein heller, freundlicher Büroarbeitsplatz mit einem konzentrierten jungen Mann vor mehreren Bildschirmen, auf denen Börsendiagramme und Daten zu sehen sind, in warmes Tageslicht getaucht und umgeben von Pflanzen und modernen Accessoires, die eine harmonische Verbindung von Technologie und menschlicher Intuition symbolisieren.

Kann ein KI-Chatbot wie ChatGPT an der Börse wirklich bestehen? Ein aufsehenerregendes Experiment des britischen Investors Nathan Smith liefert überraschende Einblicke – und wirft neue Fragen zur Rolle von Künstlicher Intelligenz in den Finanzmärkten auf.

Ein ungewöhnliches Experiment: ChatGPT als persönlicher Investmentberater

Im Frühjahr 2023 startete der private Investor Nathan Smith ein ambitioniertes Experiment: Er plante, ausschließlich auf Investmentempfehlungen von ChatGPT-4 ein reales Börsenportfolio aufzubauen. Innerhalb eines Monats stellte Smith dem Chatbot eine Reihe spezifischer Fragen – beispielsweise zu unterbewerteten Aktien, Branchen mit Wachstumspotenzial oder zur optimalen Portfolioverteilung. Die Ergebnisse waren verblüffend.

Smith dokumentierte seine Vorgehensweise auf Plattformen wie LinkedIn und X (ehemals Twitter) und erhielt dafür weltweit mediale Aufmerksamkeit. Der Einsatz von ChatGPT als Finanzberater war kein blindes Vertrauen in die Technik, sondern Teil einer systematischen Untersuchung: Kann generative KI zuverlässig Investmententscheidungen treffen? Und falls ja: Wie schlägt sie sich gegenüber dem klassischen Stock-Picking oder gegenüber dem Markt?

Die Anfangsergebnisse: KI schlägt den Index

Bereits nach den ersten Wochen zeigte Smiths KI-gestütztes Portfolio eine beachtliche Performance. Während der S&P 500 im Beobachtungszeitraum um rund 3 % zulegte, generierte das von ChatGPT zusammengestellte Portfolio eine Rendite von knapp 5 %. Die besten Ergebnisse lieferten dabei Aktien aus dem Gesundheits-, Technologie- und Halbleitersektor – Branchen, die ChatGPT als „zukunftsträchtig mit stabiler Kapitalrendite“ identifiziert hatte.

Laut einem Bericht von CNBC (Mai 2023) berief sich Smith auf öffentlich verfügbare Informationen, indem er ChatGPT so trainierte, dass nur analysierte Daten bis zum Trainingsstand März 2023 als Basis dienten. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – konnte die KI offenbar bestehende Trends gut extrapolieren. Besonders auffällig: ChatGPT empfahl konservative Diversifizierung, ähnlich wie ein erfahrener Analyst.

Was kann ChatGPT – und was nicht?

Das Experiment macht deutlich: ChatGPT verfügt über ein erstaunlich gutes Gespür für makroökonomische Zusammenhänge, Marktnarrative und historische Kursmuster. Dank des fortschrittlichen Sprachverständnisses der GPT-4-Architektur kann das Modell Investmenttheorien erklären, akademische Studien zusammenfassen und sogar fundamentale Kennzahlen in einfache Analysen übertragen – sofern diese bekannt oder hypothetisch eingegeben werden.

Allerdings stößt ein Sprachmodell wie ChatGPT auch schnell an seine Grenzen. Es kann:

  • keinen Echtzeitzugriff auf aktuelle Börsendaten oder Finanznachrichten leisten (außer durch Plugins mit Drittanbieter-Zugriff, etwa bei ChatGPT-Enterprise mit Bloomberg-API).
  • keine eigenständige fundamentale oder technische Aktienanalyse durchführen oder bewerten.
  • fehlerhafte oder veraltete Informationen auf Basis seines Trainings replizieren.

Hinzu kommt: Die Generierung von Analysen durch ein Large Language Model (LLM) basiert nicht auf tiefen Verständnis ökonomischer Kausalität, sondern auf Wahrscheinlichkeiten innerhalb trainierter Sprachmuster – ein fundamentaler Unterschied zu menschlicher Analysefähigkeit.

Zahlen, die bewegen: KI-Investments im Aufwind

Der Trend zur Automatisierung von Investmententscheidungen durch KI ist längst real – weit über ChatGPT hinaus. Laut einer Studie von Deloitte („AI and Machine Learning in Financial Services“ 2024) setzen mittlerweile 65 % der globalen Asset Manager mindestens eine Form von Künstlicher Intelligenz zur Portfolioanalyse oder Risikomodellierung ein. Das entspricht einem Anstieg von 20 Prozentpunkten gegenüber 2022.

Auch laut einer aktuellen Umfrage von PwC („Global Artificial Intelligence Study“, veröffentlicht im Januar 2025) erwarten 78 % der befragten Finanzinstitutionen, dass KI ihre Investmentstrategien bis 2027 grundlegend transformieren wird. Besonders stark steige die Nachfrage nach KI-Lösungen in Wealth Management und Asset Allocation.

Risiken & ethische Fragen: Wer trägt die Verantwortung?

Gerade weil ChatGPT & Co. keine registrierten Finanzberater im herkömmlichen Sinne sind, stellt sich die Frage nach Haftung und Ethik. Wenn ein Nutzer auf Basis einer KI-Empfehlung Verluste erleidet – wer ist dann verantwortlich? Bislang gibt es hierfür keine regulatorischen Rahmenbedingungen, weder in den USA noch in der EU.

Die Europäische Union hat mit dem AI Act erste Leitplanken definiert. Demnach gelten KI-Systeme im Bereich Finanzdienstleistungen potenziell als risikobehaftet (High-Risk AI). Doch eine klare Kategorisierung von Sprachmodellen fehlt bislang. Experten wie Dr. Carsten Mankow vom Fraunhofer IAIS fordern deshalb stärkere Transparenz-Standards und Auditierbarkeit generativer KI im Finanzkontext.

Tipps für den verantwortungsvollen Einsatz von KI bei Investments

  • Immer mit gesundem Menschenverstand prüfen: Empfehlungen von ChatGPT sollten als Ideengeber, nie als alleinige Entscheidungsbasis verstanden werden.
  • Fakten zugrunde legen: KI-gestützte Analysen müssen mit aktuellen Marktdaten, Kursentwicklungen und Fundamentaldaten abgeglichen werden – idealerweise über verifizierte Datenanbieter.
  • Risikoabsicherung einplanen: Diversifizierte Portfolios und klare Stop-Loss-Marken helfen, KI-Fehlanalysen abzufangen.

Die großen Player: Wie die Finanzindustrie KI bereits nutzt

Investmenthäuser wie BlackRock, Goldman Sachs oder Vanguard investieren längst Milliarden in Big Data und Machine Learning. Dabei geht es weniger um Chatbots, sondern um Echtzeit-Analysen, KI-basierte Stimmungsindikatoren und algorithmisches Trading.

Ein prominentes Beispiel ist Citadel Securities – bekannt für seine ML-gesteuerten High-Frequency-Trading-Systeme. Oder das Londoner FinTech Aidyia, das seine Fondsentscheidungen vollständig auf KI-Algorithmen stützt. Auch Bloomberg hat seine BloombergGPT-Modelle speziell für den Finanzmarkt entwickelt, um Anfragen von Analysten in natürlicher Sprache zu interpretieren und mit strukturierten Marktdaten zu verknüpfen.

Fazit: KI als kluger Beifahrer, nicht als Autopilot

ChatGPT mag keine Investment-Koryphäe sein – aber ein wertvolles Assistenztool für informierte Anleger. Nathan Smiths beeindruckendes Experiment zeigt, wie weit Sprachmodelle bereits gekommen sind. Doch ebenso offensichtlich sind ihre Schwächen: mangelnder Kontext, fehlende Datentiefe und juristische Grauzonen.

Die Zukunft des Investierens wird eine hybride sein: menschliche Intelligenz, ergänzt durch maschinelle Mustererkennung. Wer die Stärken und Grenzen von KI kennt, kann daraus einen echten Wettbewerbsvorteil am Kapitalmarkt ziehen.

Wie sehen Sie die Rolle von Sprach-KI im Börsenhandel? Diskutieren Sie mit uns in den Kommentaren und teilen Sie Ihre Erfahrungen mit KI-gestütztem Investieren!

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