Ohne sie gäbe es kaum globale Internetverbindungen oder transkontinentale Kommunikation: Unterseekabel sind das Rückgrat der weltweiten digitalen Infrastruktur – und hochgradig verletzlich. Wenn sie ausfallen, hat das schwerwiegende Folgen für die Wirtschaft, Sicherheit und nationale Infrastrukturen. Die jüngsten Ausfälle im Roten Meer zeigen, wie kritisch ihre Rolle ist.
Verborgene Lebensadern des digitalen Zeitalters
Während Datenübertragung häufig mit der Vorstellung von Satelliten assoziiert wird, läuft der überwältigende Großteil des weltweiten Internetverkehrs tatsächlich durch physische Glasfaserkabel, die auf dem Meeresboden liegen. Rund 99 % der internationalen Datenübertragungen erfolgen laut dem internationalen Unterseekabelkonsortium Telegeography über diese Kabel, nicht über Satelliten.
Aktuell existieren über 500 aktive Unterseekabel mit einer Gesamtlänge von über 1,5 Millionen Kilometern (Stand: Q2 2024). Diese Netzwerke verbinden Kontinente, ermöglichen Cloud-Dienste, schützen Rechenzentren vor Latenzproblemen und bilden eine kritische Grundlage für Finanztransaktionen, internationale Kommunikation und Mediendistribution.
Wie anfällig ist das Netz unter Wasser?
So robust die Kabel hinsichtlich ihrer Konstruktion auch sind, sie sind keineswegs unverwundbar. Experten zufolge gibt es im Schnitt über 200 Ausfälle pro Jahr. Ursachen reichen von Naturgewalten bis hin zu menschlichem oder technologischem Versagen.
Die wichtigsten Ursachen für Unterseekabel-Ausfälle sind:
- Schleppnetze und Anker: Etwa 70 % der Schäden entstehen durch Fischerei und maritime Aktivitäten in küstennahen Gebieten.
- Seismische Aktivitäten: Erdbeben und tektonische Verschiebungen führen vor allem in Regionen mit geologischer Instabilität zu Brüchen.
- Sabotage oder geopolitische Angriffe: Mit zunehmenden Spannungen im Cyberspace rücken physische Kabelnetze ins Visier staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure.
- Hardwarealterung: Die Lebensdauer eines Unterseekabels liegt typischerweise bei 20–25 Jahren. Ältere Systeme sind anfälliger für Ausfälle.
In vielen Fällen bleibt der genaue Grund eines Ausfalls unklar, was die Wiederherstellung zusätzlich verzögern kann.
Fallstudie: Unterseekabel-Ausfälle im Roten Meer 2024
Im Februar 2024 sorgten Sabotageaktionen durch militante Akteure im Jemen für die Beschädigung von mindestens vier Unterseekabeln im Roten Meer, darunter Verbindungssysteme, die Europa mit Asien und Afrika vernetzen. Diese Kabel transportieren schätzungsweise bis zu 25 % des Internetverkehrs zwischen den Kontinenten.
Laut Angaben des staatlichen Telekommunikationsanbieters Telecom Egypt kam es zu erheblichen Verzögerungen beim Internetzugang in Asien, Afrika und Teilen Südeuropas. Cloud-Dienste von Microsoft Azure, AWS und Google Cloud berichteten über Performanceprobleme, insbesondere bei Nutzern im Nahen Osten und Südostasien.
Experten wiesen darauf hin, dass die strategische Lage des Roten Meeres – eng, geopolitisch angespannt und intensiv genutzt – das Gebiet besonders anfällig für Störungen macht. Es dauerte fast fünf Wochen, bis Spezialschiffe die betroffenen Leitungen lokalisiert, geborgen und repariert hatten.
Infrastruktur-Design und Redundanz: Wie kann man Ausfälle abfedern?
Um Risiken zu minimieren, setzen Betreiber auf redundante Leitungsführung, verteilte Netzwerke und Schutzmechanismen. Tier-1-Netzanbieter und große Cloud-Plattformen verfolgen Multi-Pfad-Strategien, um bei Ausfällen automatisiert auf alternative Routen zu schalten. Dennoch funktioniert dies nur eingeschränkt, wenn mehrere Routen gleichzeitig betroffen sind – wie im Fall des Roten Meeres.
Einige praktische Maßnahmen, um die Resilienz zu erhöhen:
- Betreiber sollten proaktiv in redundante Pfade und Notumschaltungen in entkoppelten geographischen Regionen investieren.
- Datenzentren und Cloud-Anbieter sollten systematisch auf verteilte Traffic-Strategien mit dynamischem Routing setzen.
- Cloud-Nutzer sollten für latenzkritische Dienste regionale Sicherungskonzepte in Betracht ziehen – etwa durch Multicloud-Setups.
Darüber hinaus arbeiten Unternehmen wie SubCom, Alcatel Submarine Networks und NEC an neuen Materialien und autonom operierenden Reparatursystemen. Einige Kabel werden inzwischen mit Sensoren ausgestattet, die Erschütterungen oder GPS-bezogene Bewegungen frühzeitig erfassen sollen.
Militär, Geopolitik und Cybersicherheit
Neben naturbedingten bzw. technischen Risiken steigen geopolitische Spannungen rund um maritime Infrastruktur. Laut einem Bericht des britischen Think Tanks Policy Exchange (2023) gelten Unterseekabel heute als strategisches Asset – vergleichbar mit Pipelines oder Energieübertragungsnetzen.
Westliche Staaten beobachten mit Sorge gezielte Manöver russischer U-Boote in der Nordsee und Atlantik, in deren Nähe sich wichtige Kabelverbindungen befinden. 2022 veröffentlichte die NATO dazu einen Lagebericht, in dem konkrete Schutzstrategien für maritime Infrastruktur gefordert wurden. Auch China ist mit eigenständigen Kabellösungen aktiv, was zu Wettbewerbsverschiebungen führt.
Die Europäische Kommission hat 2023 ein Förderprogramm zur „europäischen digitalen Souveränität“ aufgelegt, das den Ausbau sicherer Kabelarchitekturen zwischen Europa, Afrika und Asien unterstützt. Gleichzeitig wachsen Forderungen nach verbindlichen internationalen Regelwerken zum Schutz dieser Infrastruktur.
Statistiken belegen das Ausmaß der Abhängigkeit
Zwei aktuelle Datensätze verdeutlichen die Kritikalität von Unterseekabeln für die globale Wirtschaft:
- Laut Telegeography’s Global Bandwidth Research 2024 wurden 2023 weltweit 4.7 Petabit/s an internationaler Kapazität über Unterseekabel übertragen – ein Plus von 24 % gegenüber dem Vorjahr.
- Der Branchenverband Submarine Networks World bezifferte den weltweiten Markt für Unterseekabelinfrastruktur 2023 auf 16 Milliarden US-Dollar – Tendenz steigend.
Damit gehören Unterseekabel zu den am schnellsten wachsenden Segmenten der digitalen Infrastruktur weltweit.
Strategien für die Zukunft
Langfristige Resilienz und Sicherheit erfordern ein globales, interoperables Konzept. Dazu gehören internationale Normen, öffentlich-private Partnerschaften und gezielte Innovationsförderung. Ziel ist es, Cyber- und physische Sicherheitsstrategien zu verzahnen – etwa durch die Kombination von Überwachung mit KI-gestützter Vorhersageanalyse.
Auch digitalpolitische Initiativen wie GAIA-X oder die EU Data Act sollten den Bereich der digitalen Vernetzung mit physischer Infrastruktur besser synchronisieren. Die Digitalisierung der Sicherheit – insbesondere an geostrategischen Engpässen wie dem Suezkanal, Malak-Passage oder Gibraltar – wird zu einem Schlüsselthema im kommenden Jahrzehnt.
Fazit: Unsichtbare Infrastruktur, sichtbare Wirkung
Die jüngsten Zwischenfälle zeigen eindrücklich, wie verletzlich unsere digitale Welt an ihren physischen Grundfesten ist. Unterseekabel mögen unsichtbar sein – ihre Bedeutung für den globalen Datenstrom ist jedoch zentral. Es liegt an Unternehmen, Regierungen und der Forschung, gemeinsam robuste Schutzmechanismen zu entwickeln.
Welche Folgen eines Ausfalls spürt Ihr Unternehmen direkt? Welche Strategien haben Sie etabliert, um Redundanz zu gewährleisten? Teilen Sie Ihre Erfahrungen und diskutieren Sie mit unserer Community – denn Resilienz in der digitalen Infrastruktur ist keine Einzelleistung, sondern ein globales Projekt.