Electron hat sich als Framework für plattformübergreifende Desktop-Anwendungen etabliert – und spaltet die Webentwicklungs-Community. Zwischen rasantem Wachstum und scharfer Kritik stellt sich die Frage: Ist Electron ein innovationsgetriebener Türöffner oder ein schwerfälliger Kompromiss?
Was ist Electron?
Electron ist ein Open-Source-Framework, das von GitHub entwickelt wurde und erstmals 2013 veröffentlicht wurde. Es ermöglicht Entwicklern, Webtechnologien wie HTML, CSS und JavaScript zu verwenden, um Desktop-Anwendungen für Windows, macOS und Linux zu erstellen. Unter der Haube kombiniert Electron den Chromium-Browser mit Node.js, wodurch Anwendungen Zugriff auf native Systemressourcen erhalten – eine Kombination, die Webentwicklern die Tür zur Desktop-Welt öffnet.
Bekannte Anwendungen wie Visual Studio Code, Slack, Discord und Notion setzen erfolgreich auf Electron. Doch so breit der Einsatz auch ist, so hitzig ist die Debatte über die Effizienz und Berechtigung dieses Ansatzes.
Die Vorteile: Schneller Cross-Plattform-Entwurf mit vertrauter Technologie
Electron liefert viele Argumente, die insbesondere für Start-ups und kleine Produktteams attraktiv sind:
- Technologie-Wiederverwendung: Webentwickler können ihr bestehendes Wissen nutzen, um Desktop-Apps zu bauen – ohne native Sprachen wie Objective-C oder C# lernen zu müssen.
- Cross-Plattform-Fähigkeit: Eine gemeinsame Codebasis für Windows, macOS und Linux spart Zeit und Wartungsaufwand.
- Ökosystem und Community: Die Kombination aus Node.js und Chromium bietet Zugriff auf tausende NPM-Module und Web-APIs.
Eine von Stack Overflow im Jahr 2023 durchgeführte Umfrage zeigt, dass rund 18,2 % der professionellen Entwickler Electron als Framework nutzen – ein beachtlicher Anteil angesichts der Alternativen wie Flutter oder Tauri (Quelle: Stack Overflow Developer Survey 2023).
Die Schattenseite: Speicherhunger und eingeschränkte Performance
So universell einsetzbar Electron ist, so drastisch kann der Preis sein. Exemplarisch zeigt sich das bei Anwendungen wie Slack oder Microsoft Teams, die regelmäßig für ihren hohen RAM- und CPU-Verbrauch kritisiert werden. Die Ursache liegt im Elektron-Kern: Jede Electron-App bringt im Wesentlichen eine eigene Chromium-Instanz mit – inklusive vollständiger Browser-Runtime.
Einfach ausgedrückt: Wer fünf Electron-Apps parallel öffnet, betreibt im Hintergrund fünf Browser. Das schlägt in besonders performancekritischen Umgebungen negativ zu Buche. Laut einem Benchmark-Vergleich von ByteByteGo aus 2024 verbraucht eine einfache Hello-World-Electron-App im Durchschnitt ~120 MB RAM beim Start – wohingegen eine native Swift-App mit vergleichbarer Funktionalität unter 20 MB benötigt.
Zudem ergibt sich schnell ein Widerspruch zur Grundidee effizienter Softwareentwicklung: Apps sollen ressourcenschonend, nicht verschwenderisch agieren. Besonders in Unternehmensumgebungen oder auf älteren Geräten fällt das negativ ins Gewicht.
Was sagt die Community? Stimmen aus der Entwicklungspraxis
Die Diskussion um Electron spiegelt sich eindrucksvoll in den Developer Snapshots 2024 von GitHub wider. Dort äußerten sich über 2.000 Entwickler zu Vor- und Nachteilen des Frameworks. Die wichtigsten Kritik- und Pluspunkte im Überblick:
- „Electron erleichtert Rapid Prototyping und spart Kosten.“ – vor allem bei MVPs, Testanwendungen und Nischenlösungen.
- „Die Trägheit im UI vergrault Power-User.“ – negative UX-Effekte durch hohen Ressourcenbedarf.
- „Fehlerhafte Systemintegration und inkonsistentes Verhalten“ – etwa bei Dateioperationen oder nativen Kontextmenüs.
- „Debugging ist besser als bei Native-Entwicklung“ – aufgrund der DevTools und Integrated Logging.
Die Meinungen sind also geteilt. Besonders deutlich wird: Die Wahl von Electron ist oft ein Trade-off zwischen Time-to-Market und Systemeffizienz.
Aktueller Trend: Immer mehr Unternehmen suchen nach Electron-Alternativen. Frameworks wie Tauri oder Flutter Desktop werden zunehmend als performante Alternativen gehandelt – mit klaren Vorteilen bei Startzeit, Speicherverbrauch und nativer UI-Auflösung.
Electron vs. Alternativen: Wie schlägt sich das Framework im Vergleich?
Die Entwicklung von Electron wurde in den letzten Jahren stetig weitergeführt. Neue Versionen verbessern Security und API-Zugriff – dennoch gibt es Alternativen, die in Validierung und Tests besser abschneiden. Besonders Tauri, das statt Chromium die nativen UI-Komponenten nutzt (je nach Betriebssystem), braucht im Schnitt nur 5-10 MB RAM für eine vergleichbare App.
Die folgende Tabelle fasst den aktuellen Stand auf Basis mehrerer technischer Benchmarks zusammen:
- Electron: + Große Community, + Einfaches Debugging, – Hoher Speicher- und CPU-Verbrauch.
- Tauri: + Geringe App-Größe, + Native UI, – Eingeschränkter Node.js-Zugriff.
- Flutter Desktop: + Gleicher Code für Web/Mobile/Desktop, – Große Runtime (~200 MB), – Teilweise unsaubere Plattformintegration.
Drei praktische Tipps für Dev-Teams, die Electron einsetzen möchten
Wer sich – trotz bekannter Schwächen – für Electron entscheidet, sollte diese Best Practices berücksichtigen:
- Code Splitting & Lazy Loading: Reduzieren Sie Ladezeit und Speicherbedarf durch selektives Nachladen von Modulen.
- Hardwarebeschleunigte Komponenten deaktivieren: Nicht jede App braucht GPU-Rendering – deaktivieren Sie unnötige Prozesse im Browser-Kontext.
- Regelmäßige Updates auf Chromium und Node.js: Nutzen Sie die Sicherheitsupdates und Performance-Verbesserungen durch Electron Releases (meist im 8-Wochen-Zyklus).
Fazit: Electron ist weder Fluch noch Segen per se – sondern eine Entscheidung mit Konsequenzen
Electron ist kein Allheilmittel, aber auch kein Fehlgriff. Es ist ein Werkzeug – mit Stärken und Schwächen. Für einfache Tools, interne Dashboards oder MVPs ist es nahezu unschlagbar durch die schnelle Entwicklung und plattformübergreifende Bereitstellung. Für anspruchsvolle, performanzabhängige Anwendungen sollte jedoch geprüft werden, ob native Alternativen wie Tauri oder Frameworks wie Flutter langfristig sinnvoller sind.
Die Diskussion wird bleiben – doch sie hilft, bessere Software zu bauen. Wir empfehlen Teams, ihre Anforderungen sauber zu dokumentieren und Technologiewahlen regelmäßig zu evaluieren.
Was ist eure Meinung zu Electron? Verwendet ihr es noch aktiv – oder seid ihr bereits zu Alternativen gewechselt? Diskutiert mit uns in den Kommentaren oder schreibt uns auf Twitter unter #ElectronDebatte.