Ein kraftvolles Joint Venture legt den Grundstein für eines der ambitioniertesten Rechenzentrumsprojekte Deutschlands: Green Rock. Im Hintergrund agiert ein bisher geheimer Großkunde – Hinweise deuten auf ein globales Tech-Unternehmen mit enormem Infrastrukturbedarf. Welche Signalwirkung dieses Projekt für den europäischen Hosting-Markt hat, analysieren wir im Detail.
Green Rock: Ein strategisches Joint Venture für 36 Megawatt
Das Rechenzentrumsprojekt „Green Rock“ entsteht aus einem Joint Venture zwischen dem norwegischen Colocation-Anbieter Green Mountain und den Kraftwerken Mainz-Wiesbaden AG (KMW). Ziel ist es, langfristig 36 Megawatt Rechenleistung bereitzustellen – mit einer grünen Energieversorgung und einem spezialisierbaren Design für Hyperscaler.
Errichtet wird das Data Center auf dem Gelände des ehemaligen Kohlekraftwerks Mainz, das 2022 stillgelegt wurde. Mit über 35.000 Quadratmetern Nutzfläche und direktem Zugang zu KMW-eigener erneuerbarer Energieinfrastruktur positioniert sich Green Rock als eines der nachhaltigsten Colocation-Rechenzentren Europas.
Der geheime Großkunde: Hinweise auf einen Hyperscaler
Seit dem offiziellen Projektstart Ende 2024 wird spekuliert, um welchen multinationalen Großkunden es sich bei dem langfristigen Ankermieter handelt. Brancheninsider deuten auf einen der großen Hyperscaler – Amazon Web Services, Microsoft Azure oder Google Cloud Platform. Laut öffentlichen Ausschreibungen und Unternehmensdokumenten sicherte sich ein nicht namentlich genannter Kunde 25 MW der Gesamtkapazität für mindestens zehn Jahre.
Ein derart umfangreicher Einzelvertrag ist vor allem im deutschen Markt ungewöhnlich. Er signalisiert das steigende Interesse internationaler Tech-Konzerne an deutschen Infrastrukturen – auch aus regulatorischen Gründen. Deutschland gilt aufgrund der DSGVO, stabiler Energiepreise und politischer Stabilität als bevorzugter Standort für primäre Datenhaltung in Europa.
Ein ähnliches Szenario zeigte sich zuletzt beim Microsoft-Rechenzentrum in Hanau, das 2023 durch langfristige Stromabnahmeverträge mit Stadtwerken realisiert wurde. Laut einer Analyse von Synergy Research Group entfallen mittlerweile über 70 % aller neuen Rechenzentrumskapazitäten in Westeuropa auf Hyperscaler (Stand: Q4 2024).
Marktauswirkungen in der Region DACH
Mit Green Rock wächst die Region Rhein-Main verstärkt zum überregionalen Rechenzentrums-Hotspot. Gemeinsam mit Frankfurt, dem etablierten DE-CIX-Hub, schafft Mainz eine attraktive Alternative für Colocation- und Cloud-Anbieter – bei reduzierten Investitionskosten und verbesserter Nachhaltigkeitsbilanz.
Der Erfolg von Green Rock könnte einen Nachahmereffekt auslösen: Stadtwerke mit frei werdender Industriefläche erkennen zunehmend Potenzial in der Kombination aus Energieerzeugung und datengetriebenem Wachstum. Laut Borderstep Institut könnten dadurch bis 2030 bis zu 70 neue Hochleistungsrechenzentren in Deutschland entstehen – energetisch gekoppelt mit lokalen Netzbetreibern.
Für den IT-Infrastrukturmarkt bedeutet das eine geografische Dezentralisierung und eine diversifizierte Anbieterlandschaft. Gleichzeitig verstärkt sich der Wettbewerb um Flächen, Fachkräfte und Stromnetzanbindung.
Single-Tenant-Rechenzentren: Fluch oder Zukunftsmodell?
Das Green Rock Beispiel wirft auch die Frage nach der Rolle großer Einzelmieter auf. Während Betreiber durch garantierte Abnahmeverträge Planungssicherheit und stabile Cashflows erhalten, entsteht durch solche zentralisierten Mieter eine gewisse Abhängigkeit.
Allerdings wachsen auch die Anforderungen an dedizierte Klimakonzepte, Sicherheitsarchitektur und Netzlatenzen. Eine Studie von Uptime Institute zeigt, dass 62 % der hyperskalierenden Unternehmen in Europa bis 2026 bevorzugt Single-Tenant-Modelle einsetzen werden, um regulatorischen und technischen Anforderungen besser gerecht zu werden.
Damit wandelt sich das klassische Multi-Tenant-Modell zunehmend zu einer hybriden Form: Betreiber bauen skalierbare Cluster für mehrere Kunden – mit optionaler Vollmietung. Solche Modelle sind besonders bei Banken, Behörden und KI-Unternehmen mit kritischer Infrastruktur beliebt.
Betreiber und Kommunen, die solche Entwicklungen strategisch adressieren möchten, sollten folgende Punkte priorisieren:
- Frühzeitige Flächen- und Netzinfrastrukturplanung: Reservierungen für dedizierte Leitungen, Netzanbindung und Notstromsysteme mit Vorlaufzeit von mind. 18 Monaten.
- Partnernetzwerke aufbauen: Kooperationen mit Energieversorgern, Netzbetreibern und Baukonsortien ermöglichen kürzere Time-to-Market Zyklen und bessere Skalierbarkeit.
- Nachhaltigkeitszertifikate einplanen: LEED, DGNB oder ISO 14001 werden für internationale Kunden immer entscheidender – besonders zur Erfüllung globaler ESG-Richtlinien.
Durch diese vorausschauende Planung lassen sich Großkundenprojekte wirtschaftlich, regulatorisch und ökologisch besser umsetzen.
Strom, Kühlung, Nachhaltigkeit: Die Energiefrage als Schlüsselfaktor
Ein zentrales Alleinstellungsmerkmal von Green Rock ist seine Energiearchitektur. Dank der Partnerschaft mit KMW greift das Joint Venture auf ein eigenes Umspannwerk sowie auf überschüssige Energie aus Biogas und Photovoltaik zurück. Ziel ist eine nahezu CO₂-neutrale Grundlastversorgung.
Die Abwärme des Rechenzentrums soll zudem perspektivisch ins Mainzer Fernwärmenetz eingespeist werden. Das entspricht einer Empfehlung der Deutschen Energie-Agentur (DENA), der zufolge die Wiedernutzung von Rechenzentrumsabwärme in Ballungszentren das Potenzial hat, über 25 % des städtischen Wärmebedarfs zu decken (Quelle: DENA-Studie 2024).
Auch die Kühlung basiert auf innovativen Konzepten: Eine Kombination aus Direktfreikühlung in der Nacht sowie Verdunstungskühlung am Tag sorgt für eine hohe Energieeffizienz (PUE-Zielwert: <1,2). Green Mountain bringt hier seine langjährige Erfahrung aus norwegischen Rechenzentren im Fjorbetrieb ein.
Von Mainz in die Welt – Signalwirkung für europäische Standorte
Green Rock etabliert mit seinem energieintelligenten Standortdesign, seiner langfristigen Kapazitätszusage und seiner Ausrichtung auf internationale Hyperscaler ein skalierbares Referenzmodell. Ähnliche Projekte entstehen aktuell in Norwegen, Belgien und Polen – häufig mit Telekom- oder Behördenbeteiligung.
Dieser Trend zeigt: Europa will sich nicht länger nur auf Frankfurt oder London konzentrieren. Vielmehr werden durch neue Förderprogramme – wie die Digital Europe Initiative oder IPCEI-Projekte (Important Project of Common European Interest) – auch B- und C-Standorte infrastrukturell aufgewertet.
In Kombination mit wachsendem Nachhaltigkeitsdruck und steigenden Latenzanforderungen (etwa durch KI-Anwendungen oder autonome Systeme) entsteht ein neues, vielschichtiges Netz verteilter Rechenkapazitäten auf dem Kontinent.
Fazit: Green Rock als Leuchtturm moderner Infrastrukturstrategien
Green Rock steht exemplarisch für eine neue Ära europäischer Rechenzentren – bei der ökologische Verantwortung, Energieintegration und langfristige Großkundenverträge gleichsam berücksichtigt werden. Das Modell liefert nicht nur wirtschaftliche Sicherheit für Betreiber, sondern steigert auch die Resilienz und Innovationsfähigkeit der regionalen IT-Infrastruktur.
Ob sich der namentlich nicht bekannte Kunde bald zu erkennen gibt, bleibt offen. Doch klar ist: Solche Projekte werden in Europas digitaler Zukunft zum Standard – und Bürgermeister, Energieversorger sowie Cloudprovider sollten ihre Infrastrukturstrategien jetzt entsprechend ausrichten und gemeinsam zukunftsfähige Allianzen schmieden.
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