IT-Sicherheit & Datenschutz

Hackerangriff auf Bridgestone: Sicherheitsmaßnahmen für die Industrie

Ein hell erleuchteter, moderner Industriearbeitsplatz, an dem engagierte Fachkräfte vor großen Bildschirmen konzentriert an Cybersicherheitslösungen für vernetzte Produktionsanlagen arbeiten – die warme Tageslichtatmosphäre betont die Bedeutung von Schutz, Vernetzung und technologischem Fortschritt in einem vertrauensvollen Teamumfeld.

Ein gezielter Cyberangriff hat den Reifenhersteller Bridgestone schwer getroffen – mit drastischen Folgen für Produktion und Logistik. Der Vorfall zeigt eindrucksvoll, wie anfällig industrielle IT-Infrastrukturen heute sind. Wie kann sich die Fertigungsbranche künftig besser gegen solche Bedrohungen wappnen?

Ein Blick zurück: Cyberattacke auf Bridgestone

Im Februar 2022 bestätigte Bridgestone Americas einen groß angelegten Ransomware-Angriff, der Teile der Produktion in Nord- und Mittelamerika für mehrere Tage lahmlegte. Laut offiziellen Mitteilungen des Unternehmens wurde der Angriff vom bekannten Ransomware-Kollektiv LockBit verursacht, das seit Jahren für Angriffe auf kritische Infrastrukturen und Industriebetriebe verantwortlich gemacht wird.

Die IT-Systeme von Bridgestone wurden aus Sicherheitsgründen heruntergefahren, was zur Folge hatte, dass Werke in den USA und Kanada den Betrieb einstellen mussten. Neben Produktionsausfällen kam es auch zu Verzögerungen in der Lieferkette. Erst nach rund einer Woche konnten viele Systeme wieder online gehen. Der Angriff verursachte laut Analystenschätzungen Schäden in zweistelliger Millionenhöhe – genaue Zahlen nannte Bridgestone nicht.

Industrie im Fadenkreuz von Cyberkriminellen

Die Attacke auf Bridgestone ist kein Einzelfall. Laut dem Verizon Data Breach Investigations Report 2024 ist die Fertigungsindustrie mittlerweile das zweithäufigste Ziel für Cyberangriffe direkt hinter dem öffentlichen Sektor. Knapp 26 % aller analysierten Sicherheitsvorfälle im industriellen Bereich weisen Verbindungen zu Ransomware-Gruppen auf, Tendenz steigend.

Ein Grund dafür: Der wachsende Digitalisierungsgrad der Industrie. Mit Initiativen wie Industrie 4.0 und der umfassenden Vernetzung von Maschinen, Anlagen und IT-Systemen steigt auch die Angriffsfläche. Gleichzeitig fehlt es vielen Unternehmen an durchgängigen Sicherheitskonzepten, insbesondere an den Schnittstellen von IT (Information Technology) und OT (Operational Technology).

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnt in einem aktuellen Lagebild davor, dass „Cyberresilienz zur Grundfähigkeit industrieller Wertschöpfung“ werden muss. Eine präventive Sicherheitsstrategie sei entscheidend, um Produktionsausfälle und wirtschaftliche Schäden zu verhindern.

Was macht industrielle IT-Sicherheit so besonders?

Industriebetriebe stehen vor besonderen Herausforderungen im Bereich der Cybersicherheit. Während klassische Unternehmens-IT sich primär mit dem Schutz von Daten befasst, geht es in der Industrie vor allem um die Aufrechterhaltung sicherer und stabiler Betriebsabläufe. Schon geringfügige Störungen durch Malware oder Fehlkonfigurationen können zu Produktionsstopps, Schäden an Maschinen oder sogar Gefährdungen für Mitarbeitende führen.

Besondere Problemfelder sind:

  • Legacy-Systeme und veraltete Maschinensteuerungen, die nicht für moderne IT-Bedrohungen ausgelegt sind.
  • Mangel an Segmentierung zwischen Büro-IT und Produktionsnetzwerken.
  • Eingeschränkte Update-Möglichkeiten für Produktionsanlagen, da längere Downtimes oft nicht akzeptabel sind.
  • Unsichere externe Verbindungen, etwa durch Fernwartung von Dienstleistern.

Der Cybersecurity-Spezialist Trend Micro stellte in seinem Industrial Cybersecurity Threat Landscape 2024 Report fest, dass 89 % der untersuchten OT-Systeme kritische Schwachstellen aufwiesen, darunter veraltete Kommunikationsprotokolle und ungesicherte Remote-Zugänge.

Best Practices gegen Cyberrisiken in der Industrie

Wie können Unternehmen in der Industrie solchen Szenarien wie bei Bridgestone vorbeugen? Experten aus Sicherheitsforschung und Industrie empfehlen kritische Basisschritte und gezielte Investitionen in Resilienzmaßnahmen:

  • Zero-Trust-Architektur implementieren: Jedes Gerät und jeder Benutzer muss sich jederzeit authentifizieren – auch intern im Netzwerk. Besonders wirkungsvoll in segmentierten Industrieumgebungen.
  • IT/OT-Netzwerke strikt segmentieren: Durch Firewalls und Gateways können kritische Systeme isoliert werden, was eine laterale Verbreitung von Malware verhindert.
  • Schwachstellenscans regelmäßig durchführen: Sicherheitslücken in Treibern, Steuerungen oder Betriebssystemen müssen identifiziert und priorisiert behoben werden.
  • Backup- und Recovery-Prozeduren testen: Angriffsszenarien simulieren, um im Ernstfall vorbereitet zu sein, inklusive Offline-Backups wichtiger Steuerungsdaten.
  • Sicherheitsbewusstsein schulen: Mitarbeitende – insbesondere in der Produktion – sollten regelmäßig über Phishing-Risiken, USB-Geräte und Authentifizierungsstandards unterwiesen werden.

Bei all dem zählt auch Geschwindigkeit. Eine Studie von IBM (Cost of a Data Breach Report 2024) zeigt: Unternehmen, die Cybervorfälle innerhalb von 200 Tagen identifizieren und eindämmen, sparen durchschnittlich 1,3 Millionen US-Dollar gegenüber Unternehmen mit längeren Reaktionszeiten.

Ein weiterer entscheidender Faktor: regelmäßige Incident-Response-Übungen, um Abläufe für den Ernstfall zu trainieren. Denn oft scheitern Schutzkonzepte nicht am Tooling – sondern an fehlender organisatorischer Vorbereitung.

Branchenstimmen: Experten zur Lage

Dr. Arno Richter, Leiter Industrielle Sicherheit beim Fraunhofer IOSB, betont: „Viele Unternehmen unterschätzen noch immer das Risiko, das von einer ungesicherten OT-Umgebung ausgeht. Besonders KMU ohne eigene IT-Sicherheitsabteilung sind angreifbar.“

Auch der BSI-Lagebericht 2024 identifiziert den Produktionssektor als „besonders gefährdet“ – insbesondere durch sogenannte Supply-Chain-Angriffe, bei denen Zulieferer oder Dienstleister als Einfallstor für Schadcode dienen. Ein prominentes Beispiel war der Angriff auf den Zulieferer Kaseya, der weltweit Hunderte Unternehmen – darunter auch produzierende Mittelständler – in Mitleidenschaft zog.

Einhellig empfehlen Experten den Aufbau eines Security Operation Center (SOC) oder den Anschluss an Managed Security Services, um auch außerhalb der Bürozeiten Angriffe frühzeitig erkennen zu können.

Technologische Entwicklungen: Hoffnung und Herausforderung zugleich

Zukunftstechnologien wie KI-gestützte Anomalie-Erkennung, Behavioral Analytics und automatisiertes Patch-Management gewinnen im Kontext industrieller Cybersicherheit an Bedeutung. Schon heute setzen viele Sicherheitslösungen auf Machine Learning, um verdächtige Muster in Netzwerkverkehr oder Geräteverhalten frühzeitig zu detektieren.

Doch auch Angreifer nutzen zunehmend KI – etwa zur Generierung realistisch wirkender Phishing-Mails oder für automatisierte Schwachstellenscans. Das Wettrüsten im Cyberspace hat längst begonnen.

Darum fordern internationale Gremien wie das European Union Agency for Cybersecurity (ENISA) eine industrieübergreifende Zusammenarbeit, Austauschplattformen und gemeinsame Sicherheitsstandards. Die 2024 veröffentlichte ENISA-Leitlinie zur „Cybersecurity for Industrial IoT“ empfiehlt unter anderem einheitliche Risikoanalysemodelle, standardisierte Schnittstellen und eine kontinuierliche Sicherheitsbewertung im Lebenszyklus vernetzter Maschinen.

So stärken Unternehmen ihre Cyberresilienz – Drei zentrale Empfehlungen

  • Cybersicherheit als Teil der Unternehmensstrategie verankern: Sicherheit darf nicht nur Aufgabe der IT-Abteilung sein, sondern muss inkorporiert in Produktionsplanung, Einkauf und Partnerauswahl erfolgen.
  • Klare Verantwortungsstrukturen schaffen: Wer ist verantwortlich für IT-Sicherheit, wer für OT – und wie wird die Kommunikation zwischen beiden sichergestellt?
  • Maßgeschneiderte Maßnahmen statt One-size-fits-all: Jedes Werk, jeder Produktionsprozess bringt eigene Schwachstellen mit – Risikoanalysen und individuelle Schutzkonzepte sind Pflicht.

Fazit: Sicherheitskrisen als Chance zur Umkehr verstehen

Der Cyberangriff auf Bridgestone war ein Weckruf für die gesamte verarbeitende Industrie. Er zeigt, wie nah IT-Sicherheit und reale Produktion beieinanderliegen – und welche enormen Konsequenzen Versäumnisse haben können. Gerade im Kontext steigender digitaler Komplexität wird ein umfassendes, zukunftsfähiges Sicherheitskonzept zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor.

Wie steht es um Ihre Sicherheitsarchitektur? Was funktioniert bereits – und wo bestehen Lücken? Diskutieren Sie mit uns in den Kommentaren oder teilen Sie Ihre Erfahrungen mit der Community: Nur durch Austausch, Transparenz und gemeinsame Standards kann die Industrie gegen moderne Bedrohungen gewappnet sein.

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