Dank generativer künstlicher Intelligenz verändert sich die Art und Weise, wie Menschen Informationen online suchen – und wie Suchmaschinen Antworten liefern. Für Unternehmen stellt sich damit eine neue Herausforderung: Wie bleibt man sichtbar, wenn KI direkt antwortet und klassische Klickpfade wegfallen?
Die neue Realität: KI-Suchergebnisse statt klassischer Rankings
Fragt man heute Google, Bing oder ChatGPT nach einem Produkttyp, einer Empfehlung oder einer Erklärung, bekommt man zunehmend direkte Antworten – oft ohne sichtbaren Link zur ursprünglichen Webseite. Google testet seit Mai 2023 mit der „Search Generative Experience“ (SGE) ein KI-Feature, das auf Suchanfragen ganze Textblöcke als Antwort ausgibt, mitsamt Quellenhinweisen, aber ohne garantierte Klickweiterleitung. Microsofts Suche mit Bing-Chat und ChatGPT verwendet seit 2023 ähnliche Konzepte.
Unternehmen spüren die Effekte bereits: Laut einer Untersuchung von Sistrix verzeichneten Publisher-Websites 2024 im Durchschnitt 11 % weniger organischen Traffic aus der Google-Suche, bei Keywords mit hoher Informationsintensität sogar bis zu 26 %. Die Ursache: Nutzer bleiben bei der ersten KI-generierten Antwort – ein Webseitenbesuch ist nicht mehr notwendig.
SEO im Umbruch: Was sich durch KI-Suchen ändert
Die bekannten Rankingfaktoren – von Backlinks über Keywords bis zu Core Web Vitals – verlieren keineswegs an Bedeutung, aber die Spielregeln erweitern sich. Exemplarisch sind dabei folgende Mechanismen:
- Antwortzentrierung statt Seitenzentrierung: KI-Suchmodelle extrahieren relevante Passage aus Seiteninhalten, oftmals unabhängig vom Ranking der Seite selbst.
- Quelle als Zitatgeber statt Zielseite: Seiten werden als Quelle „zitiert“, aber der Traffic bleibt aus, wenn der Nutzer seine Antwort bereits erhalten hat.
- Veränderung der Nutzerintention: Suchen verschieben sich von informativ zu handlungsorientiert oder multimedial, wo klassische SEO weniger greift.
Diese Transformation fordert ein radikales Umdenken in der Content-Strategie. Es reicht nicht mehr, „nur“ für Menschen und Suchmaschinen zu schreiben – Inhalte müssen auch für KI-Systeme optimierbar sein.
Wie KI-Systeme Inhalte finden und extrahieren
Große Sprachmodelle (LLMs), wie sie Google Gemini, OpenAI GPT-4 oder Anthropic Claude einsetzen, arbeiten mit Web-Crawlern und APIs, um Datenpunkte aus hochwertigen Quellen zu extrahieren. Relevante Kriterien für die Auswahl sind:
- Klare, semantisch strukturierte Inhalte: KI bevorzugt strukturierte Textabschnitte mit expliziten Aussagen und wenig Werbesprache.
- Verlässlichkeit und Autorität: Domains mit Expertise, Trust Signals und Autorenkennzeichnung werden häufiger zitiert.
- Maschinenlesbarkeit: HTML-Tags wie article, schema.org-Markup und semantische Überschriften erleichtern die Extraktion durch Crawler.
Dabei ist entscheidend, dass Inhalte auf die Beantwortung konkreter Fragen optimiert sind – sogenannte „Answer Targets“. Diese sollten als zusammenhängender Absatz mit hoher Relevanz und Klarheit formuliert sein.
Aktuelle Zahlen: Sichtbarkeitsverlust und neue Chancen
Eine Erhebung von BrightEdge Research aus dem Jahr 2024 zeigt: Bereits 57 % der Top-Suchanfragen in der Kategorie „How-to“ erzeugen in der Google-SGE direkt generierte Antworten mit nur einem oder zwei Linkverweisen – statt der bisherigen zehn organischen Treffer. Damit reduziert sich die Sichtbarkeitsfläche drastisch.
Gleichzeitig entstehen neue Chancen: Laut einer Google-Studie von März 2024 erhöht die SGE die Klickrate bei Snippets mit ausführlich markierten Inhalten um durchschnittlich 32 % – wenn die eigene Seite als Quelle genannt wird.
Neue SEO-Strategien: So bleiben Unternehmen sichtbar
Unternehmen müssen verstehen, dass klassische Platz-1-Rankings zwar weiter hilfreich sind – aber in KI-dominierten Suchergebnissen nur noch ein Teil der Gleichung darstellen. Relevanter wird die „KI-Zitierbarkeit“. Um hier zu bestehen, empfiehlt sich eine mehrdimensionale Strategie:
- Conversational SEO: Inhalte müssen im Fragemodus optimiert sein – also auf W-Fragen wie „Wie funktioniert…?“ oder „Was ist der Unterschied zwischen…?“ ausgerichtet sein.
- Entitäten statt Keywords: Moderne Sprachmodelle arbeiten eher mit Entitäten (Begriffswelten) als mit exakter Keyword-Match. Heißt: Inhalte sollten thematische Tiefe bieten, nicht nur Keyword-Dichte.
- Semantisches Markup: Durch structured data (z. B. via schema.org) können Inhalte leichter von KI-Systemen interpretiert werden.
Praktische Maßnahmen führt BrightEdge in einem Whitepaper an, darunter die Einführung eines „Answer Engineering“-Ansatzes: Redaktionen sollen gezielt Textabsätze für maschinelle Antwortfragmente erstellen – idealerweise mit klarem „Takeaway“.
Best Practices aus der Praxis
Einige Unternehmen wagen bereits gezielte Experimente mit KI-SEO. So berichtet HubSpot, dass Inhalte mit explizit eingebetteten semantischen FAQs im Durchschnitt 48 % häufiger als Quelle in Microsoft Copilot zitiert werden. Ähnliches zeigt ein A/B-Test von SEMRush (2024): Produkteinträge mit präzisen Definitionen wurden 37 % häufiger von ChatGPT-Plugins referenziert.
Suchmaschinenanbieter selbst geben Hinweise: Google empfiehlt laut der SEO-Richtlinien für die SGE, Inhalte klar zu strukturieren, mit Zwischenüberschriften, Bullet Points und präzisen Sprachmustern – „klar verständlich, faktentreu, ohne Grammatikfehler“.
KI verstehen, aber auch nutzen
Ironischerweise lässt sich der Wandel auch zum Vorteil nutzen – mit KI als SEO-Helfer. Tools wie ContentShake AI, Jasper oder Surfer nutzen GPT-Modelle, um Inhalte so zu formulieren, dass sie maschinell lesbar und zitierfähig sind. Einige CMS-Systeme wie Webflow oder Framer bieten semantische Strukturierung per Drag-and-Drop.
Zudem verschieben sich KPIs: Statt nur Traffic und Klickraten zu messen, sollten Unternehmen auch Visibility Scores in KI-Tools sowie Brand Mention Monitoring berücksichtigen. Das spiegelt wider, wie häufig eine Marke als zuverlässige Quelle genannt wird – unabhängig vom Seitenbesuch.
Drei praktische Tipps für zukunftssichere Sichtbarkeit
- Bauen Sie „Information Hubs“: Themenseiten mit tiefgehenden, verlinkten Inhalten stärken die maschinenlesbare Autorität und erhöhen die Chance auf KI-Zitation.
- Optimieren Sie für Featured Snippets: KI-Systeme greifen bevorzugt auf Seiten zurück, die bereits in Snippets oder Knowledge Panels erscheinen.
- Kooperieren Sie mit APIs: Wenn Ihr Unternehmen strukturierte Inhalte über APIs bereitstellen kann (etwa Produktdaten, Verfügbarkeiten oder Definitionen), lassen sich diese direkt in KI-Antworten einbinden.
Fazit: SEO wird komplexer – aber nicht obsolet
Im KI-Zeitalter ist Sichtbarkeit kein reines Ranking-Spiel mehr. Es geht um Relevanz, Zitierfähigkeit und semantischen Kontext. Wer SEO heute betreibt, muss nicht nur Google verstehen, sondern auch Chatbots, Sprachmodelle und Discovery-Engines.
Technologie entwickelt sich – und mit ihr die Art, wie Informationen gefunden werden. Unternehmen, die ihre Inhalte strategisch, strukturiert und auf multiple Zielsysteme ausrichten, bleiben sichtbar – auch wenn der klassische Klick ausbleibt.
Wie sehen Ihre Erfahrungen mit KI-generierten Suchergebnissen und Sichtbarkeit aus? Diskutieren Sie mit uns – wir freuen uns auf Ihre Insights!