Cyberangriffe sind längst keine Ausnahmesituation mehr, sondern ein permanentes Risiko für Unternehmen in Deutschland. Die neue Bitkom-Studie für 2024 zeigt in beunruhigender Deutlichkeit: Die Schäden durch digitale Angriffe auf die Wirtschaft erreichen eine neue Rekordhöhe. Welche Sektoren betroffen sind, wie die Täter vorgehen und was Unternehmen jetzt tun müssen – wir analysieren die zentralen Erkenntnisse.
Bitkom-Studie 2024: Cybercrime verursacht Rekordschäden
Die aktuelle Studie des Digitalverbands Bitkom, veröffentlicht im Juli 2024, offenbart ein alarmierendes Ausmaß wirtschaftlicher Verluste durch Cyberkriminalität. Demnach entstand der deutschen Wirtschaft im Erhebungszeitraum 2023/2024 ein Gesamtschaden von rund 202 Milliarden Euro – der höchste je gemessene Wert seit Beginn der Erhebung. Bereits im Vorjahr lag der Wert bei 203 Milliarden Euro – damit setzt sich das außergewöhnlich hohe Schadensniveau fort.
Für die Studie wurden bundesweit über 1.000 Unternehmen ab zehn Beschäftigten aus unterschiedlichen Branchen befragt. Laut Bitkom gaben 72 Prozent dieser Unternehmen an, im vergangenen Jahr von mindestens einem Cyberangriff betroffen gewesen zu sein. Besonders kritisch: Über ein Drittel der betroffenen Firmen meldete massive Beeinträchtigungen des Geschäftsbetriebs.
Die häufigsten Angriffsmethoden bleiben unverändert: Ransomware-Attacken, Phishing-E-Mails, DDoS-Angriffe sowie Social Engineering zählen weiterhin zu den Hauptbedrohungen. Zusätzlich rücken Cloud-Systeme, KI-gestützte Angriffsvektoren und gezielte Angriffe auf Lieferketten verstärkt in den Fokus von Cyberkriminellen.
Welche Branchen sind besonders betroffen?
Cyberattacken treffen Unternehmen jeder Größe – doch manche Branchen stehen dabei besonders im Fadenkreuz. Die Bitkom-Studie benennt insbesondere folgende Sektoren als besonders gefährdet:
- Industrie und verarbeitendes Gewerbe: Hier wurden insbesondere Angriffe auf Produktionssysteme und industrielle Steuerungstechnik (ICS/SCADA) gemeldet. Produktionseinbußen und Ausfälle von Maschinen führten teilweise zu Millionenverlusten.
- IT- und Telekommunikationsunternehmen: Als Betreiber kritischer Infrastrukturen (KRITIS) stehen sie im Mittelpunkt komplexer Angriffe – häufig als Sprungbrett in andere Systeme.
- Gesundheitswesen: Krankenhäuser, Labore und Pharmaunternehmen verzeichneten stark zunehmende Angriffe, insbesondere Ransomware-Attacken auf patientennahe Systeme.
Ein besonders prominenter Fall war der Ransomware-Angriff auf die Kliniken des Landkreises Ludwigslust-Parchim im März 2024. Der IT-Ausfall führte dazu, dass die Häuser über mehrere Tage keine Patienten aufnehmen konnten, was eine erhebliche Gefährdung der Versorgungsinfrastruktur bedeutete.
Cyberkriminelle agieren professioneller – und internationaler
Ein bemerkenswerter Trend: Die Professionalität der Täternetzwerke nimmt stetig zu. Viele der heutigen Angreifer operieren aus dem Ausland, gut organisiert, häufig hierarchisch strukturiert und mit klaren Geschäftsmodellen. Laut Bundeskriminalamt (BKA) stammt ein signifikanter Teil der Ransomware-Aktivitäten aus Osteuropa, insbesondere Russland und der Ukraine.
Zudem entfernen sich die Täter von Einzeltätern hin zu arbeitsteilig organisierten Gruppen, die auf dem sogenannten „Cybercrime-as-a-Service“-Prinzip basieren: Malware, Exploits oder Zugangsdaten werden auf illegalen Marktplätzen verkauft oder gemietet, was den Einstieg in das Cybercrime-Geschäft vereinfacht.
Besorgniserregend ist zudem die zunehmende Rolle von KI: Social-Engineering-Angriffe mit täuschend echten Deepfake-Videos, automatisch generierte Phishing-Mails und adaptive Malware mit lernfähigen Mechanismen sind keine Science-Fiction mehr – sie sind Realität.
Finanzielle Auswirkungen: Von Betriebsunterbrechung bis Erpressung
Die wirtschaftlichen Schäden verursachen sich nicht nur durch gestohlene Daten oder gezahlte Lösegelder. Laut Bitkom resultieren sie besonders häufig aus:
- Produktionsausfällen und Betriebsstillständen
- Rechts- und Wiederherstellungskosten
- Reputationsverlust und Kundenabwanderung
- Bußgeldern durch Datenschutzverstöße
Ein Beispiel dafür sind die vermehrten Angriffe auf mittelständische Zulieferunternehmen, deren Systeme nicht ausreichend abgesichert sind. Diese werden zunehmend als Einfallstor für Attacken auf große Konzerne genutzt – sogenannte Supply-Chain-Attacken.
Best Practices: So können Unternehmen sich besser schützen
Angesichts der komplexen Bedrohungslage ist Prävention das Gebot der Stunde. Unternehmen müssen sich strategisch, organisatorisch und technologisch neu aufstellen – unabhängig von Branche oder Unternehmensgröße. Drei besonders wichtige Maßnahmen sind:
- Zero-Trust-Architektur implementieren: Niemand – weder intern noch extern – erhält automatisch Zugang zu kritischen Systemen. Jeder Zugriff muss verifiziert und streng überwacht werden.
- Security Awareness schulen: Mitarbeitende müssen regelmäßig für die neuesten Betrugsmaschen geschult werden. Phishing-Simulationen und Awareness-Trainings verringern das Risiko menschlicher Fehler erheblich.
- Incident-Response-Pläne regelmäßig testen: Nur wer im Ernstfall vorbereitet ist, kann angemessen reagieren. Die Sicherheitsstrategie sollte regelmäßig per Penetration Test und Notfallübungen validiert werden.
Ergänzend empfiehlt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) den Einsatz von Managed Security Services für Unternehmen, die selbst keine ausreichenden Ressourcen zur Überwachung ihrer Systeme haben.
Politische Rahmenbedingungen und gesetzliche Pflichten
Seit Inkrafttreten des IT-Sicherheitsgesetzes 2.0 gelten für die Betreiber kritischer Infrastrukturen besonders strenge Compliance-Vorgaben, etwa bei Detektion und Meldung von Sicherheitsvorfällen. Auch die neue NIS2-Richtlinie der EU, die ab Oktober 2024 verbindlich für weitere Unternehmensbereiche gilt, schreibt erweiterte Anforderungen an Risikomanagement und technische Schutzmaßnahmen vor.
Unternehmen sollten daher frühzeitig prüfen, ob sie unter die neue Regulierung fallen. Die Nichterfüllung kann neben Bußgeldern auch zu Haftungsrisiken für Geschäftsführer und Aufsichtsräte führen.
Fazit: Sicherheit ist kein Luxus, sondern Überlebensfaktor
Die Zahlen der Bitkom-Studie sprechen eine unmissverständliche Sprache: Cyberkriminalität ist eines der größten Geschäftsrisiken unserer Zeit. In einer vernetzten, zunehmend digitalisierten Wirtschaft betrifft IT-Sicherheit nicht mehr nur die IT-Abteilung – sie ist Chefsache. Investitionen in Sicherheitstechnologien, Schulung und Resilienz zahlen sich aus und sind ein elementarer Wettbewerbsvorteil.
Wie gehen Sie in Ihrem Unternehmen mit der Bedrohung um? Teilen Sie Ihre Erfahrungen, Strategien und Lösungen mit unserer Community – und helfen Sie mit, das digitale Ökosystem in Deutschland sicherer zu gestalten.




