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Das Energie-Effizienzgesetz für Datacenter: Auswirkungen und Herausforderungen

Ein hell erleuchtetes, modernes Rechenzentrum mit freundlicher Raumwirkung, in dem technisches Personal entspannt und engagiert an effizienten Server-Racks arbeitet, während warmes Tageslicht sanft durch große Fenster fällt und eine Atmosphäre von Innovation, Verantwortung und zukunftsweisender Energieeffizienz schafft.

Mit dem neuen Energieeffizienzgesetz (EnEfG) zieht die Bundesregierung die Schrauben für Rechenzentren in Deutschland deutlich an. Besonders der Power Usage Effectiveness (PUE) rückt in den Fokus: Betreiber stehen vor tiefgreifenden technischen und organisatorischen Veränderungen – aber auch vor Chancen.

Hintergrund: Das neue Energieeffizienzgesetz auf einen Blick

Am 18. November 2023 wurde das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) in Deutschland verabschiedet. Ziel des Gesetzes ist es, die Energieeffizienz in sämtlichen Wirtschaftsbereichen zu steigern – insbesondere in Rechenzentren, die laut Umweltbundesamt rund 16 Terawattstunden (TWh) Strom pro Jahr verbrauchen und damit etwa 3 % des gesamten Stromverbrauchs ausmachen (Quelle: Umweltbundesamt, 2023).

Ein Kernpunkt des Gesetzes ist die Festlegung von maximalen PUE-Grenzwerten für verschiedene Arten von Datacentern. Der PUE-Wert (Power Usage Effectiveness) dient als Kenngröße zur Energieeffizienz – je näher dieser Wert bei 1,0 liegt, desto effizienter arbeitet das Rechenzentrum.

Laut EnEfG gelten ab 1. Juli 2026 gestaffelte Grenzwerte:

  • Bestandszentren: PUE < 1,5 (ab Juli 2026)
  • Neubauten: PUE < 1,3 (bei Inbetriebnahme nach dem 1. Juli 2026)
  • Hochleistungsrechenzentren: individuelle Ausnahmen mit Begründung möglich

Diese Vorgaben bedeuten eine deutliche Reduktion gegenüber dem durchschnittlichen PUE-Wert in Deutschland, der laut Borderstep Institut 2022 noch bei 1,63 lag.

Was die neuen Grenzen für Betreiber bedeuten

Viele Betreiber älterer Rechenzentren sehen sich mit enormem Investitionsbedarf konfrontiert. Maßnahmen zur Einhaltung des PUE-Ziels umfassen in der Regel bauliche Veränderungen, die Modernisierung von Kühlsystemen, den Wechsel auf effizientere Hardware sowie eine ganzheitliche Energiekontrolle durch Monitoring-Tools.

Vor allem Colocation-Anbieter, die auf hohe Auslastung und Flexibilität angewiesen sind, müssen nun zusätzlich in Energieoptimierung investieren. Für Hyperscaler wie Google, Microsoft und AWS sind niedrige PUE-Werte zwar längst Standard – sie konnten in eigenen Neubauten oft Werte unter 1,2 erreichen –, aber kleinere Betreiber stoßen an wirtschaftliche Grenzen.

Hinzu kommen laufende Berichtspflichten: Betreiber müssen ab 2025 jährlich detaillierte Effizienznachweise liefern, inklusive Wärmeauskopplungspotenzial und geplanten Effizienzmaßnahmen gemäß §18 EnEfG.

Herausforderungen bei der Umsetzung in der Praxis

Die technische Komplexität ist eine der größten Herausforderungen. Gerade in älteren Rechenzentren fehlen oft die baulichen Voraussetzungen für effiziente Kühlung, wie beispielsweise Free Cooling, Warm/Kaltgang-Einhausung oder direkte Flüssigkeitskühlung. Auch der Energieverbrauch von IT-Komponenten wie Speicher und Netzwerkgeräten wird häufig unterschätzt.

Eine Analyse von Bitkom Research aus dem Jahr 2023 ergab, dass 47 % der deutschen Rechenzentrumsbetreiber Investitionen in effizientere Technik aufgrund unklarer Fördermittel und hoher Kosten bisher zurückgestellt hatten.

Hinzu kommt: Der Fachkräftemangel im Bereich Energieeffizienz erschwert die Umsetzung geeigneter Maßnahmen. Ohne spezialisierte Energieberater und Facility Engineers bleiben viele Betreibermodelle ineffizient.

Strategien zur PUE-Optimierung

Eine effizientere Gestaltung ist jedoch möglich – vorausgesetzt, die Strategie ist ganzheitlich. Folgende Maßnahmen gelten derzeit als Best Practices:

  • Optimierte Kühltechnik: Einsatz von Adiabatik-, Free Cooling- oder Flüssigkeitskühlung kann bis zu 30 % Strom einsparen.
  • Lastmanagement und Virtualisierung: Konsolidierung von Arbeitslasten, automatisches Load Balancing und Einsatz energieeffizienter Server-Infrastrukturen mindern den Energiebedarf deutlich.
  • Dynamisches Monitoring: Metriken wie Echtzeit-PUE, Temperaturverteilung und Auslastung geben präzise Einblicke und ermöglichen frühzeitige Eingriffe.

Ein Paradebeispiel ist das Rechenzentrum der DATEV eG in Nürnberg, das durch umfassendes Gebäudemanagement und eine optimierte Kühlstrategie einen PUE-Wert von 1,28 erreichte – und damit bereits heute unter die EnEfG-Grenze fällt.

Abwärmenutzung: Pflicht und Chance zugleich

Ab 2028 macht das Gesetz die Nutzung von Abwärme verpflichtend, sofern technisch möglich. Damit stellt sich die Frage: Wie lässt sich die in Rechenzentren entstehende Wärme sinnvoll verwerten?

Vorreiter wie der Betreiber Telehouse Frankfurt kooperieren mit lokalen Fernwärmeversorgern – das Rechenzentrum speist seit 2024 bis zu 3 MW Abwärme pro Stunde in das Frankfurter Netz ein. Studien zeigen: Bis zu 50 % der elektrischen Energie eines Rechenzentrums lässt sich theoretisch als nutzbare Wärme rückgewinnen (Quelle: Fraunhofer ISE, 2023).

Der Erfolg solcher Projekte hängt jedoch stark von Standort, Infrastruktur und Kooperation mit kommunalen Energieversorgern ab. Großstädte mit bestehendem Fernwärmenetz bieten klare Vorteile.

Staatliche Förderung und Anreize

Wer in energieeffiziente Infrastruktur investiert, kann auf Förderprogramme des Bundes zurückgreifen. Im Fokus stehen das Programm „Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG)“ sowie spezifische Rechenzentrumsinitiativen des BMWK. Förderfähig sind unter anderem:

  • Maßnahmen zur Abwärmenutzung
  • Energetische Sanierung bestehender Technik
  • Monitoring- und Steuerungssoftware

Allerdings kritisieren Branchenverbände wie eco e.V. die teilweise undurchsichtige Antragslage und fordern zentrale digitale Verfahren.

Markttrends und Zukunftsausblick

Das Energieeffizienzgesetz erzeugt einen spürbaren Innovationsdruck auf den deutschen Hosting- und Colocation-Markt. Bereits jetzt beobachten Analysten ein verstärktes Interesse an Edge-Standorten mit hoher Energieeffizienz und kurzen Wegen zur Abwärmenutzung.

Laut der Uptime Institute Global Data Center Survey 2024 liegt der weltweite Durchschnitts-PUE bei 1,55, Tendenz sinkend – nicht zuletzt durch regulatorische Eingriffe wie das EnEfG. Gleichzeitig steigt der Druck auf europäische Betreiber durch ESG-Kriterien und Green-IT-Vorgaben großer Kunden.

Auch der Blick nach Skandinavien zeigt klare Perspektiven: In Finnland, Schweden und Norwegen nutzen Betreiber wie DigiPlex oder EcoDataCenter bereits seit Jahren 100 % erneuerbare Energie und verzeichnen PUE-Werte von teils unter 1,2.

Fazit: Jetzt handeln statt abwarten

Das EnEfG verändert die Spielregeln für Rechenzentren in Deutschland grundlegend. Zwar sind die Hürden hoch – doch die langfristigen Vorteile liegen auf der Hand: niedrigere Betriebskosten, politische Planungssicherheit und Wettbewerbsvorteile.

Der Gesetzgeber hat den Rahmen gesetzt – nun liegt es an der Branche, ihn verantwortungsvoll, innovativ und praxisnah auszugestalten. Haben Sie bereits erste Maßnahmen zur PUE-Reduktion umgesetzt oder planen eine strategische Neuausrichtung Ihres Rechenzentrums? Tauschen Sie Ihre Erfahrungen in den Kommentaren aus – wir freuen uns auf den Dialog!

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