Oracle kündigt mit der Aussicht auf ’16 KI-Zettaflops‘ ein gewaltiges Rechenprojekt an: 800.000 GPUs sollen künftig zum schnellsten Supercomputer-Cluster der Welt verschmelzen. Was bedeutet diese Dimension von Rechenleistung – und wer profitiert davon? Wir analysieren Oracles Strategie, bewerten die technologischen Herausforderungen und vergleichen das Projekt mit der Konkurrenz.
Ein Supercluster mit 800.000 GPUs: Was plant Oracle?
Oracle arbeitet nach eigenen Angaben gemeinsam mit NVIDIA an einem bislang beispiellosen Supercomputing-Vorhaben. Im Zentrum steht die Verbindung von bis zu 800.000 GPUs – zum Vergleich: Das leistungsstärkste heutige System, „Frontier“ vom Oak Ridge National Laboratory, verfügt über rund 37.000 GPUs (Stand: 2024).
Ziel des Oracle-Projekts ist der Aufbau eines verteilten KI-Supercomputers auf Basis der NVIDIA H100 Tensor Core GPUs, die unter anderem in NVIDIA DGX-Cloud-Instanzen laufen. Das Cluster soll, so Oracle CTO Clay Magouyrk, eine kombinierte Rechenleistung von 16 Zettaflops für KI-Training erreichen. Angesiedelt wird das System in mehreren Oracle Cloud Infrastructure-Rechenzentren weltweit.
Der Begriff „Zettaflop“ beschreibt eine Quintillion (1021) Gleitkommaberechnungen pro Sekunde. Etwas kontextualisiert heißt das: Ein Zettaflop-Supercomputer würde in einer Sekunde etwa 1.000-mal mehr Rechenoperationen ausführen, als alle menschlichen Gehirne auf der Erde zusammengenommen je könnten – zumindest theoretisch gesehen.
Was bedeutet „KI-Zettaflop“ konkret?
Bei den angegebenen 16 KI-Zettaflops handelt es sich um eine spezifische Metrik, die sich auf FP8 (Floating Point 8)-Rechenoperationen bezieht – ein neues Format, das aufgrund seiner Effizienz insbesondere für Künstliche Intelligenz enorm leistungsstark ist. Während traditionelle HPC-Systeme in FP64 rechnen, nutzen moderne KI-Berechnungen vermehrt niedrigere Präzisionen wie FP16 oder FP8, um gigantische neuronale Netzwerke effizient zu trainieren.
Die 16 Zettaflops beziehen sich also auf Peak-Leistungen im KI-Training – nicht auf klassische LINPACK-Benchmarks, wie sie das TOP500-Ranking nutzt. Dennoch liegen Oracles Pläne in einer Größenordnung, die selbst die ambitioniertesten Supercomputerinitiativen deutlich übertreffen.
Einordnung: Wie positioniert sich Oracle im Supercomputing-Wettbewerb?
Oracle ist bisher nicht primär als Top-Player im Hochleistungsrechnen bekannt – anders als etwa HPE/Cray, IBM oder Microsoft Azure. Doch mit dem Wachstum seiner Cloud-Infrastruktur und langfristigen Partnerschaften mit NVIDIA (u.a. durch die Zusammenarbeit bei DGX Cloud und Oracle Cloud Infrastructure) positioniert sich Oracle strategisch im stark wachsenden Geschäft rund um KI-Trainings und Simulation.
Zum Vergleich: Der Frontier-Supercomputer in Tennessee – aktuell Nr. 1 der TOP500 – erreicht rund 1,1 Exaflops im LINPACK-Benchmark. NVIDIA hatte kürzlich selbst ein Multi-Cluster-Konzept angekündigt, das auf 1 Zettaflop skalieren soll, ebenfalls mit H100-GPUs. Microsoft setzt auf spezialisierte AI-Supercomputer via Azure – samt OpenAI-Integration. Amazon und Google investieren gleichermaßen in massive KI-Trainingsinfrastrukturen (u.a. auf Basis von TPUs bei Google).
Die geplanten 800.000 GPUs würden Oracle jedoch auf Anhieb in eine eigene Liga heben. Jeremy Doig, Chief Architect of AI bei Oracle, sprach davon, dass Kapazitäten geschaffen werden sollen, um Modelle mit „mehr als 10 Billionen Parametern“ zu trainieren – das wäre etwa das Zehnfache heutiger GPT-Modelle.
Was sind potenzielle Anwendungsfelder dieser Rechenleistung?
Ein derart leistungsfähiger Supercomputer kann weit mehr als nur KI-Modell-Training. Die erwarteten 16 Zettaflops eröffnen eine Vielzahl von Einsatzbereichen in Wissenschaft und Industrie – von molekularer Simulation über Quantenchemie bis hin zu Echtzeit-Vorhersagen in Logistik oder Energie:
- Materialforschung: Mit präzisen atomaren Simulationen könnten neuartige Halbleiter oder Batteriematerialien entwickelt werden – 100- bis 1.000-mal schneller als heute.
- Pharmaentwicklung: Das simulative Screening von Milliarden Molekülen in kurzer Zeit könnte die Medikamentenentwicklung revolutionieren.
- Klimamodellierung: Detaillierte globale Vorhersagen im Stunden- statt Monatsmaßstab sind durch KI-gestützte Supermodelle realistisch.
Viele dieser Modelle sind „rechenhungrig“. Dem U.S. Department of Energy zufolge steigt der Bedarf an HPC-Rechenleistung in Wissenschaft und nationalen Projekten jährlich um ~25% (DOE Report 2023). Gleichzeitig wächst die globale Nachfrage an KI-Modellen, deren Parameteranzahl sich durchschnittlich alle 6–10 Monate verdoppelt (SemiAnalysis 2024).
Zwei aktuelle Statistiken unterstreichen die Relevanz:
- Laut Gartner erreichen bis 2026 rund 85 % der KI-Workloads die Cloud, wobei 60 % davon speziell hochperformante GPU-Cluster erfordern (Gartner Hype Cycle for AI Infrastructure 2024).
- Der globale Supercomputing-Markt soll laut Markets & Markets von 11,1 Mrd. US-Dollar (2023) auf 23,5 Mrd. US-Dollar bis 2028 wachsen – CAGR: 16,5 %.
Die Nachfrage nach KI-Zettaflop-Niveau wächst also massiv – und Oracle will sich eine Schlüsselposition in diesem Zukunftsmarkt sichern.
Technologische Herausforderungen & Energiefragen
Der Aufbau eines Systems dieser Größenordnung ist mit erheblichen technologischen, logistischen und ökologischen Herausforderungen verbunden. Insbesondere:
- Stromverbrauch: NVIDIA H100-GPUs benötigen im Vollbetrieb etwa 700W (Hopper Architektur). Hochgerechnet wären das über 560 Megawatt für 800.000 GPUs – deutlich mehr als der Energiebedarf ganzer Großstädte.
- Netzwerklatenzen: Eine so große Anzahl verteilter GPUs effizient zu orchestrieren, ist komplex. Hier kommen InfiniBand-Cluster, Ultra-Bandbreiten-Verbindungen und neue Interconnect-Standards zum Einsatz (z.B. NVLink, CX7).
- Orchestrierung & Sicherheit: Die Nutzung Tausender Nodes über Ländergrenzen erfordert ein neuartiges Software-Stack-Konstrukt, optimiert für skalierbare KI-Trainings und Datenschutzkonformität.
Oracle setzt laut eigenen Angaben auf ein hybrid-verteiltes Architekturmodell mit Containerisierung (Kubernetes/OCI) und sektoraler Auslastungssteuerung – etwa durch Priorisierung kritischer wissenschaftlicher Workloads oder KI-Batches aus Industriepartnerschaften.
Was Unternehmen jetzt beachten sollten
Auch wenn der „Zettaflop“ für viele Organisationen aktuell wie Science-Fiction klingt, gibt es bereits heute konkrete Strategien, um von der Entwicklung zu profitieren:
- KI-Workflows modularisieren: Viele Unternehmen unterschätzen die Vorteile skalierbarer Trainings. Eine strukturierte KI-Pipeline hilft, (teil-)automatisierte Modelle auf Cloud-Ressourcen zu verlagern.
- Cloud-Strategie prüfen: Gerade bei intensiven Simulationen oder ML-Prozessen lohnt der Wechsel zu GPU-optimierten Recheninstanzen (z.B. Oracle OCI mit H100, Azure NDs oder AWS G5).
- Datensicherheit integrieren: Wer KI-Modelle via Supercomputing trainiert, muss frühzeitig Datenschutz- und Compliance-Strategien mitdenken – besonders bei industriespezifischen und personenbezogenen Use Cases.
Wo steht Oracle im Jahr 2026?
Experten gehen davon aus, dass Oracle – sollten alle Pläne umgesetzt werden – spätestens 2026 eine dominierende Stellung im Bereich KI-beschleunigtes Supercomputing einnehmen könnte. Analysten von IDC sehen insbesondere den kommerziellen Marktsektor rund um Digital Twins, LLMs und physikalische Simulation als Treiber zettaschneller Infrastruktur-Modelle.
Die Partnerschaft mit NVIDIA bietet Oracle dabei einen klaren Vorteil im Vergleich zur Konkurrenz. Und mit der zunehmenden Verlagerung von KI-Workloads in die Cloud könnte Oracle eine zentrale Drehscheibe für Unternehmen werden, die ihre KI-Strategien auf das nächste Level heben wollen – etwa für Healthcare-Lösungen, Industrie 4.0-Szenarien oder generative KI-Anwendungen im digitalen Marketing.
Fazit: Die Zettaflop-Zukunft ist näher, als viele glauben. Oracle hat mit der Vision eines Superclusters aus 800.000 GPUs ein monumentales Zeichen gesetzt. Doch es bleibt abzuwarten, ob aus der Theorie auch technologische Praxis wird – und ob das weltweite Cloud- und Stromnetz diese Rechenriesen nachhaltig schultern kann.
Was denkt ihr: Ist Zettaflop-Supercomputing ein Solve-it-all-Versprechen oder nur das nächste Buzzword? Diskutiert mit uns in den Kommentaren und teilt eure Erfahrungen mit HPC-gestützter KI!




