Mit dem Energieeffizienzgesetz (EnEfG) setzt Deutschland ein starkes Signal in Richtung nachhaltiger Digitalisierung. Insbesondere die Betreiber von Rechenzentren stehen nun vor der Herausforderung, ihre Infrastruktur nicht nur leistungsfähig, sondern auch klimaschonend zu gestalten. Welche Auswirkungen hat das Gesetz tatsächlich – und wie verändert es die Zukunft der Rechenzentrumsbranche?
Das Energieeffizienzgesetz im Überblick
Das im September 2023 verabschiedete Energieeffizienzgesetz (EnEfG) markiert einen Meilenstein in der deutschen Klimapolitik. Ziel ist es, bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen und bis 2030 den Endenergieverbrauch um 26,5 % gegenüber 2008 zu senken. Einen besonderen Fokus legt das Gesetz auf Rechenzentren, die allein rund 3 % des deutschen Stromverbrauchs ausmachen.
Die zentralen Anforderungen für Betreiber von Datacentern lauten:
- Jährliche Energieeffizienzberichte, beginnend ab 2024 für mittelgroße Rechenzentren (ab 300 kW Leistung).
- Mindestwerte für die Energieeffizienzkennzahl PUE (Power Usage Effectiveness): ab 2025 max. 1,5, ab 2027 max. 1,3.
- Abwärmenutzungspflicht für neue Rechenzentren ab 2026, sofern technisch und wirtschaftlich möglich.
- Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energiequellen spätestens ab 2027 – mindestens 50 %.
Diese Regelungen zwingen die Branche zum Umdenken – und bieten gleichzeitig enorme Innovationsimpulse.
Expert:innen: Gesetz setzt richtigen Impuls
Im Gespräch mit dem Branchenmagazin DataCenter Insider erklärt Dr. Felix Uhlig, Energieberater bei Eco – Verband der Internetwirtschaft e.V.: „Das Gesetz führt zu einer grundlegenden Neuausrichtung – von einem Fokus auf Verfügbarkeit und Performance hin zu Energieeffizienz und Nachhaltigkeit.“
Kritik kommt aus der Branche dennoch: Kleine Colocation-Rechenzentren sehen administrative Hürden, gerade was Nachweispflichten und Monitoring betrifft. Andere Stimmen begrüßen die gesetzliche Klarheit. Prof. Dr. Jens Struckmeier, CTO von Cloud&Heat Technologies, sagt: „Die PUE-Vorgaben sind ambitioniert, aber technisch machbar – insbesondere über flüssigkeitsbasierte Kühlung oder Abwärmenutzung.“
Nachhaltigkeit wird zum Wettbewerbsvorteil
Rechenzentren werden nicht mehr nur nach ihrer Rechenleistung, sondern zunehmend nach ihrer Nachhaltigkeit bewertet. Der steigende Druck durch ESG-Berichtspflichten (Environmental, Social, Governance), insbesondere durch die EU-Taxonomie-Verordnung, verstärkt diesen Trend. Unternehmen fragen gezielt nach zertifizierten, grünen IT-Services.
Laut einer Studie von Uptime Institute (2024) erwarten 63 % der Rechenzentrumsbetreiber, dass Energieeffizienzkennzahlen in den nächsten 3 Jahren essenziell für Kundenentscheidungen werden.
Darüber hinaus investiert auch die öffentliche Hand gezielt in nachhaltige Infrastruktur. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) fördert energieeffiziente Datacenter im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI). In 2023 flossen über 54 Millionen Euro in entsprechende Vorhaben.
Technologische Treiber: Flüssigkühlung, KI und kreislaufbasierte Systeme
Die industrieweite Transformation ist technologisch getrieben. Fortschrittliche Flüssigkühlsysteme – wie etwa immersion cooling – können Wärme effizienter abführen und senken den Energiebedarf für klassische HVAC-Systeme drastisch. Ebenso ermöglichen KI-gestützte Energiemanagementsysteme, Lastspitzen vorherzusagen und dynamisch zu reagieren.
Ein Beispiel liefert das Digital Hub Nordhessen, das seine Serverräume mit CO2-neutralem Strom sowie über ein lokales Nahwärmenetz kühlt – verbunden mit einer PUE von unter 1,2.
Hersteller wie Rittal, Vertiv oder Dell EMC investieren massiv in Nachhaltigkeits-Research. Modular aufgebaute Infrastrukturen und recyclingfähige Komponenten senken den ökologischen Fußabdruck über den gesamten Lebenszyklus.
Praktische Empfehlungen für Betreiber und Entscheider:
- Jetzt eigene PUE-Werte und Abwärmepotenziale analysieren – Handlungsbedarf frühzeitig identifizieren.
- Fördertöpfe für nachhaltige IT-Projekte prüfen, z. B. über das BAFA oder die KfW.
- Partnerschaften mit Stadtwerken oder Nahwärmenetzen zur Abwärmenutzung aktiv aufbauen.
Der Umstieg auf nachhaltige Technologien ist auch wirtschaftlich lohnenswert: Eine aktuelle Bitkom-Erhebung zeigt, dass 78 % der Unternehmensentscheider darin einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil sehen (Bitkom, 2024).
Rechenzentren der Zukunft: Dezentral, modular, grün
Das EnEfG beschleunigt den Wandel hin zu modularem, energieeffizientem Hosting – oft in Kombination mit regionaler Vernetzung. Hyperscaler wie Google, Microsoft und Amazon Web Services (AWS) setzen bereits umfassend auf erneuerbare Energien.
Doch auch kleinere Anbieter ziehen nach. In Frankfurt, dem größten Rechenzentrumscluster Europas, entstehen derzeit etliche neue Projekte mit Abwärmeintegration. Die Mainova AG plant etwa, zukünftig 60.000 Haushalte durch Rechenzentrum-Abwärme zu heizen (Mainova, 2024).
Ein vielversprechender Trend ist Micro-Edge Computing: Kleine, modulare Rechenzentren, die nahe am Datenursprung betrieben und lokal mit erneuerbarer Energie versorgt werden können. Dadurch lassen sich nicht nur Latenzzeiten minimieren, sondern auch Energieverluste im Transport verringern.
Fazit: Effizienz als neue Leitwährung moderner IT-Infrastrukturen
Das Energieeffizienzgesetz zwingt Betreiberinnen und Betreiber, ökologische Verantwortung mit wirtschaftlichem Druck zu vereinen. Der Trend zu grünen Rechenzentren wird sich durch die gesetzlichen Mindeststandards viel schneller als bisher durchsetzen.
Rechenzentren sind Rückgrat der digitalen Gesellschaft – ihre Nachhaltigkeit ist kein „Nice to have“, sondern Kernbestandteil digitaler Resilienz. Die gute Nachricht: Technik, Know-how und Fördermöglichkeiten sind vorhanden. Was nun zählt, ist Entschlossenheit.
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