Die JavaScript-Welt steht vor einem Meilenstein: Die beliebte UI-Bibliothek React bekommt eine eigene Stiftung. Unter dem Dach der Linux Foundation nimmt die neue React Foundation offiziell ihre Arbeit auf und verspricht langfristige Stabilität, Transparenz und stärkere Community-Beteiligung. Was nach einem Strategiewechsel klingt, ist in Wahrheit ein notwendiger Schritt – mit weitreichenden Konsequenzen für die Webentwicklung.
Warum eine eigene Stiftung? – Der Hintergrund zur Gründung
React, ursprünglich 2013 von Facebook (heute Meta) entwickelt, hat sich in den letzten Jahren zur meistgenutzten JavaScript-Bibliothek für Benutzeroberflächen entwickelt. Laut dem State of JS Report 2024 nutzen über 70 % der befragten Entwickler weltweit React regelmäßig – Tendenz steigend. Doch mit dem gewachsenen Einfluss kamen auch wachsende Bedenken: Wer steuert eigentlich die Entwicklung? Und wie unabhängig ist React wirklich?
Diese Fragen adressiert nun die neu geschaffene React Foundation – ein gemeinnütziger Zusammenschluss unter dem Dach der Linux Foundation. Die offizielle Ankündigung erfolgte im September 2025 auf der Open Source Summit in Bilbao. Ziel der Stiftung ist es laut Mitgründerin Sarah Drasner (ehem. bei Google und Netlify), „eine nachhaltige Governance für React und sein Ökosystem zu schaffen, die auf gemeinsam getroffenen Entscheidungen beruht und die Interessen der breiteren Entwicklergemeinschaft stärker berücksichtigt.“
Die React Foundation bedeutet also nicht, dass Meta das Projekt aufgibt – im Gegenteil. Meta bleibt ein strategischer Unterstützer, gibt aber Kontrolle und Verantwortung in breitere Hände. Eine ähnliche Entwicklung gab es bereits bei Open Source-Kernprojekten wie Kubernetes, Node.js oder GraphQL.
Struktur, Mitgliedschaft und erste Ziele der React Foundation
Unter juristischer Trägerschaft der Linux Foundation wird die React Foundation als unabhängige Organisation geführt. Im zehnköpfigen technischen Lenkungsausschuss („Technical Steering Committee“) sitzen neben Meta-Vertretern auch Mitglieder von Google, Microsoft, Vercel, Shopify und freiwillig gewählten Community-Mitgliedern.
Bereits im ersten Jahr hat sich die Stiftung ehrgeizige Ziele gesetzt:
- Einführung eines offenen Request-for-Changes (RFC)-Prozesses zur Gestaltung neuer Features.
- Transparente Roadmap-Planung in enger Kooperation mit der Entwicklergemeinschaft.
- Finanzielle Förderung von Key-Contributorinnen und Open-Source-Maintainern.
- Stärkere Integration von React mit verwandten Projekten wie React Native, Next.js und Relay.
- Förderung unterrepräsentierter Gruppen im Core-Team durch ein neu etabliertes Diversity & Inclusion Board.
Die Linux Foundation begrüßt die neue Struktur: „React ist essenziell für moderne Frontend-Architektur. Mit dieser Stiftung legen wir den Grundstein für nachhaltiges, kollaboratives Wachstum“, erklärt Mike Dolan, Senior VP der Linux Foundation.
Wachstumszahlen und Relevanz von React
Die wissenschaftliche Fundierung dieses Schritts ist eindeutig gegeben: Laut GitHub Octoverse Report 2024 zählt React zu den Top 3 der meistgeforkten und meistbeitragenden Projekten weltweit. Die Library kommt laut npm Inc. auf über 18 Mio. Downloads pro Woche (Stand Juli 2025) – das ist ein Anstieg um 17 % gegenüber dem Vorjahr.
Diese Beliebtheit geht jedoch mit technischen und organisatorischen Anforderungen einher: Issue Tracking, Release-Management, Security Audits und Feature-Priorisierung übersteigen längst die Kapazitäten eines einzelnen Unternehmens. Die React Foundation ist daher nicht nur eine logische, sondern auch eine notwendige Reaktion auf diese Realität.
Was sich für Entwickler*innen wirklich ändert
Die Reaktionen aus der Community und der Fachwelt sind überwiegend positiv. Wir haben mit drei anerkannten Expert:innen gesprochen, um die Tragweite einzuordnen:
Guillermo Rauch, CEO von Vercel, sagt: „Die React Foundation ermöglicht erstmals echte Transparenz. Damit ist der Weg frei für Innovationen, die nicht durch interne Meta-Prioritäten eingeschränkt werden.“
Cassidy Williams, Entwicklerin und Speakerin bei Remote und Netlify: „Ich sehe darin eine Einladung an alle Devs – egal aus welchem Umfeld –, sich aktiver zu beteiligen. Die Open Governance wird neue Ideen hervorbringen.“
Dr. Felix Anton, Professor für Webtechnologien an der TU München: „Die Stiftung ist ein gewisser Schutzraum für React. Regierungen und Großunternehmen fordern zunehmend OSS-Conformance. Mit dieser Struktur wird React langfristig anschlussfähig und vertrauenswürdig.“
Für Entwickler*innen im Alltag bedeutet das konkret: mehr Vorhersehbarkeit bei Releases, planbare Major Changes und stärkere Chancen zur Mitgestaltung.
Drei Handlungsempfehlungen für Webentwickler*innen:
- Beobachte die neue RFC-Plattform der React Foundation – Feature-Vorschläge und Diskussionen sind öffentlich zugänglich.
- Beteilige dich an Community-Councils oder Technical Working Groups – Teilnahme ist jetzt über ein Bewerbungsverfahren möglich.
- Nutze die öffentlich einsehbare Roadmap, um deine Technologien, Frameworks oder Plugins rechtzeitig auf kommende Änderungen vorzubereiten.
Synergien mit React Native, Next.js und Relay
Die React Foundation beansprucht nicht nur das klassische React-DOM-Projekt. Auch verwandte Technologien ziehen nach: React Native befindet sich bereits im Aufnahmeprozess. Die Next.js-Macher Vercel begrüßen die Entwicklung und wollen enger mit der Stiftung kooperieren.
Relay, das GraphQL-Client-Framework, soll laut GitHub-Issues zum Jahresbeginn 2026 unter dem Mantel der Stiftung gestellt werden. Damit entsteht eine wichtige Brücke zwischen Frontend, State Management und Server-Kommunikation – alles unter kontrollierter, offener Governance.
Langfristig könnten auch tangierende Tools wie React DevTools, React Server Components und neue Build-Werkzeuge wie RSC Loader oder der bundlerfreie JSX Compiler Teil des Ökosystems werden.
Auswirkungen auf den Open-Source-Kosmos
Die React Foundation reiht sich ein in einen globalen Trend wachsender Open-Source-Governance-Initiativen. Die Erfolge von CNCF (Kubernetes), OpenJS Foundation (Node.js, Electron) oder GraphQL Foundation haben gezeigt, dass technologische Unabhängigkeit und wirtschaftliche Tragfähigkeit keine Gegensätze sein müssen.
Besonders bemerkenswert: Die erste Finanzierungsrunde der Stiftung wurde zu 67 % von Unternehmen und zu 33 % aus Community-Spenden getragen (Quelle: LF Internal Report Q3/2025). Dies zeigt eine neue Bereitschaft der Webbranche, Verantwortung für gemeinschaftlich genutzte Infrastruktur zu übernehmen.
Auch Sicherheitsaspekte stehen hoch im Kurs: Im Zuge des US Executive Order 14028 zur Software-Supply-Chain-Transparenz gewinnen zuverlässige und nachvollziehbare Governance-Strukturen enorm an Bedeutung. React positioniert sich mit dieser Stiftung als verlässlicher Bestandteil der kritischen Software-Infrastruktur.
Fazit: Ein Neustart mit Weitblick
Die Gründung der React Foundation ist mehr als ein symbolischer Akt – sie markiert eine entscheidende Wende in der Steuerung und Weiterentwicklung einer der wichtigsten JavaScript-Bibliotheken unserer Zeit. Für Entwickler*innen, Unternehmen und das gesamte Web bedeutet das neue Transparenz, Planbarkeit und Teilhabe.
Jetzt liegt es an der Community, diese Chance zu nutzen: Ob durch Feedback, Pull Requests oder Roadmap-Diskussionen – React ist offen wie nie zuvor. Der Wandel hat begonnen. Machen wir ihn gemeinsam erfolgreich.




