Moderne Satellitenkommunikation ist allgegenwärtig – ob beim Telefonieren, Navigieren oder in der Logistik. Doch eine neue US-Studie zeigt: Viele dieser Daten werden unverschlüsselt übertragen und sind dadurch ein leichtes Ziel für Angreifer. Die Sicherheitslücken könnten für Privatnutzer und Unternehmen gleichermaßen gravierende Folgen haben.
Studie enthüllt massive Schwachstellen im Satellitenfunk
Ein Forschungsteam der University of Maryland hat im Rahmen einer 2024 veröffentlichten Studie („Unencrypted Satellite Transmissions: A Global Risk“) aufgedeckt, dass ein Großteil der zivilen Satellitenkommunikation nach wie vor unverschlüsselt erfolgt. Mithilfe kostengünstiger Hardware – u. a. selbstgebauter Antennen, DVB-S-Empfänger und Open-Source-Software – gelang es den Forschern, in über 100 Ländern vertrauliche Echtzeitdaten von Mobilfunknutzern, Schiffsverkehr, Energieanlagen und internationalen Unternehmen abzufangen. Die Übertragungen erfolgten über sogenannte Geostationäre Satelliten (GEOs), die für weltumspannende Kommunikation zuständig sind.
Das Hauptproblem: Die meisten dieser kommerziellen Satellitennetze verzichten entweder vollständig auf Verschlüsselung oder implementieren schwache, leicht aushebelbare Schutzmaßnahmen. Das ermöglicht Angreifern mit minimalem Aufwand, Kommunikationsinhalte wie Telefongespräche, E-Mails oder auch Steuerdaten abzufangen.
Welche Arten von Daten sind betroffen?
Die Studie identifizierte eine Vielzahl sensibler Datenströme, die unverschlüsselt über Satelliten übertragen wurden. Dazu zählten:
- MMS- und SMS-Daten von Mobilfunknutzern in entlegenen Regionen Afrikas und Asiens
- Gesprächsdaten von Schiffspersonal über Satellitentelefone
- SCADA-Steuersignale von Strom- und Gaspipelines
- Live-Videostreams aus Überwachungskameras in Industrieanlagen
- Bürokommunikation international tätiger Firmen, u. a. E-Mail und Dateiübertragungen
All diese Daten waren unverschlüsselt abrufbar – offenbar eine Folge technischer Rückstände, veralteter Standards oder schlicht Nachlässigkeit im Systemdesign.
Warum ist fehlende Verschlüsselung ein Sicherheitsrisiko?
Die fehlende oder unzureichende Verschlüsselung in satellitengestützter Kommunikation stellt ein erhebliches Datenschutz- und Sicherheitsrisiko dar. Über Satelliten abgefangene Daten können zu:
- Industriespionage führen – insbesondere bei der Übertragung sensibler Firmendaten
- Sabotage kritischer Infrastrukturen beitragen, etwa durch manipulierte Steuerdaten
- Identitätsdiebstahl und Finanzbetrug, wenn persönliche Nutzerinformationen wie SMS oder E-Mails kompromittiert werden
- Geopolitischen Zwischenfällen führen, wenn staatliche Kommunikation mitgelesen wird
Hinzu kommt die erschreckend niedrige Eintrittsbarriere: Laut Studie lassen sich viele der empfangenen Signale mit handelsüblichem Equipment ab circa 300 Euro und grundlegenden technischen Kenntnissen decodieren – ein ernstzunehmendes Einfallstor für Cyberkriminelle weltweit.
Cybersecurity im All: Fehlanzeige?
Ein zentraler Kritikpunkt der Forscher ist die vermeintliche Sorglosigkeit vieler Satellitenbetreiber. Oftmals basieren kommerzielle Satellitenverbindungen auf jahrzehntealten Standards (z. B. DVB-S), die aus Kostengründen weiter genutzt werden – trotz bekannter Sicherheitslücken. Aufgrund hoher Kosten für Updates oder Neuinfrastruktur nehmen viele Anbieter bewusst Schwächen in Kauf.
Ein weiteres Problem: Anders als terrestrische Infrastrukturen lassen sich Satellitennetze nicht einfach patchen oder updaten. Einmal im Orbit, bleiben Konfigurationen oft für Jahre oder Jahrzehnte unverändert – Sicherheitslücken somit ebenfalls.
Globale Folgen für Unternehmen und Nutzer
Für Unternehmen mit internationaler Präsenz – etwa in der Logistik, im Energiesektor oder bei NGOs in Krisengebieten – kann unzureichende Satellitensicherheit hohe Folgekosten verursachen. Vertrauliche Gespräche mit Partnern oder interne Geschäftsprozesse über ungesicherte Verbindungen zu führen, birgt ein beträchtliches Compliance- und Reputationsrisiko.
Laut einer aktuellen Studie von IBM Security aus dem Jahr 2024 kosten Datenschutzverletzungen Unternehmen weltweit im Durchschnitt 4,45 Millionen US-Dollar pro Vorfall – ein Anstieg von 15 % in fünf Jahren. Obwohl die meisten Angriffe derzeit terrestrisch erfolgen, könnte sich Satellitenkommunikation als neue Schwachstelle etablieren, betonen die Autoren.
Auch Privatpersonen in abgelegenen Regionen, etwa in Afrika, Asien oder auf See, nutzen sat-basierte Infrastruktur – oft ohne zu wissen, dass ihre Übertragungen für Dritte offengelegt sind. Neben Datenschutzproblemen sind hier vor allem Eingriffe durch staatliche Überwachung, politische Verfolgung oder Erpressung möglich.
Aktuelle Zahlen stützen diese Einschätzung: Laut einer Untersuchung von Euroconsult aus dem Jahr 2023 werden bis 2031 weltweit über 17.000 kommerzielle Satelliten im Orbit aktiv sein – viele davon für Kommunikation ausgelegt. Ohne einheitliche Sicherheitsstandards wächst die Angriffsfläche rapide.
Praktische Maßnahmen zur Risikominimierung
Angesichts der erschreckenden Befunde fordern Experten einen systemischen Kurswechsel in der Satellitenkommunikation. Kurzfristig können zumindest folgende Maßnahmen den Schutz für Nutzer und Unternehmen verbessern:
- Ende-zu-Ende-Verschlüsselung verwenden: Anbieter sollten Protokolle nutzen, bei denen die Verschlüsselung vom Gerät des Senders bis zum Empfänger reicht – und nicht nur auf der Transportebene wie etwa VPNs.
- Hybride Kommunikationswege nutzen: Wenn möglich, sollte satellitenbasierte Übertragung nur in Kombination mit gesicherten, terrestrischen Backups erfolgen.
- Security-Audit von Kommunikationsdienstleistern verlangen: Unternehmen sollten gezielt Anbieter nach gültigen Sicherheitsstandards (z. B. FIPS 140-2, TLS 1.3) fragen und Zertifizierungen einfordern.
Mittel- bis langfristig braucht es jedoch regulatorische Vorgaben und weltweit gültige Sicherheitsrichtlinien für Satellitenkommunikation. Institutionen wie die International Telecommunication Union (ITU) oder auch die Europäische Weltraumorganisation (ESA) könnten mit Industriepartnern entsprechende Rahmenwerke entwickeln.
Künftige Entwicklungen: Hoffnung auf sichere Infrastruktur
Die „NewSpace“-Bewegung – also privatwirtschaftlich initiierte Raumfahrtprojekte – bietet auch eine Chance: Neue Betreiber wie SpaceX (Starlink), Amazon (Kuiper) oder OneWeb bauen moderne Satellitenkonstellationen mit stärkerem Fokus auf IT-Sicherheit. Starlink etwa ermöglicht bereits verschlüsselte DNS-Anfragen über DoH/DoT und setzt auf TLS-verschlüsselte Datenkanäle.
Dennoch: Auch diese Systeme sind nicht immun gegen Angriffe. So berichteten Forscher auf dem Chaos Communication Congress (37C3) Ende 2023 von experimentell nachgewiesenen Schwachstellen im Umgang mit Session Keys und Authentifizierung bei LEO-Satelliten.
Verbraucher, Unternehmen und Politik sollten daher die Sicherheitsaspekte satellitenbasierter Kommunikation nicht länger als Randthema auffassen, sondern als zentralen Bestandteil digitaler Infrastrukturpolitik behandeln.
Fazit: Sicherheitslücken aus dem All ernst nehmen
Das Abhören unverschlüsselter Satellitendaten ist mehr als ein theoretisches Szenario – es ist bereits Realität. Die Studie der University of Maryland liefert überzeugende Belege, wie leicht globale Kommunikationsflüsse kompromittiert werden können. Die Auswirkungen betreffen nicht nur Einzelpersonen, sondern auch unternehmenskritische Prozesse und geopolitische Stabilität.
Um dem entgegenzuwirken, braucht es schnelles Handeln: von Anbietern, Regulatoren und Nutzern gleichermaßen. Bewusstsein, Verschlüsselungsmaßnahmen und regulatorische Standards sind unerlässlich, um die Kommunikationssicherheit aus dem All zu verbessern.
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