Künstliche Intelligenz revolutioniert unsere Welt – von Chatbots über Bilderkennung bis zu autonomen Fahrzeugen. Doch was vielen nicht bewusst ist: Hinter jeder KI-Anfrage steckt massiver Energiebedarf. Wie hoch ist der Stromverbrauch wirklich – und welche Wege gibt es, ihn zu senken?
Der Stromhunger der künstlichen Intelligenz
Künstliche Intelligenz (KI), insbesondere große Sprachmodelle und Deep-Learning-Frameworks, benötigen immense Rechenressourcen. Diese laufen überwiegend in Rechenzentren, die rund um die Uhr aktiv sind. Der Trainingsprozess von Modellen wie GPT-3 oder GPT-4 kann mehrere Wochen dauern und Milliarden von Parametern durchlaufen – unter Zuhilfenahme von Tausenden GPUs.
Laut einer Studie der University of Massachusetts aus dem Jahr 2019 kann allein das Training eines großen NLP-Modells wie BERT bis zu 284 Tonnen CO2-Äquivalent emittieren – so viel wie fünf Autos im gesamten Lebenszyklus ausstoßen.[1] Seitdem sind die Modelle deutlich größer und leistungsfähiger geworden, mit entsprechend steigendem Energiebedarf.
Globale Energieverbräuche steigen sprunghaft
Der weltweite Stromverbrauch durch Rechenzentren lag laut der Internationalen Energieagentur (IEA) 2022 bei 460 Terawattstunden (TWh). Prognosen der IEA vom Januar 2024 sagen voraus, dass dieser Wert bis 2026 auf 1.050 TWh ansteigen könnte – mehr als der gesamte jährliche Stromverbrauch von Deutschland.[2]
Ein erheblicher Teil dieses Anstiegs wird durch KI-getriebene Anwendungen generiert. NVIDIA, der weltweit führende Anbieter von KI-Hardware, verzeichnete 2023 Umsätze von über 26 Milliarden US-Dollar – ein Großteil davon entfiel auf energiefressende Rechenzentren mit H100-GPUs.
Fallstudien: Wie viel Energie kosten KI-Anwendungen konkret?
Eine 2023 veröffentlichte Analyse von Hugging Face und Harvard University zeigt, dass eine einzelne Inferenz (Antwortberechnung) von Falcon-40B – einem großen Sprachmodell – bei typischem Datenzentrumseinsatz 0,075 Kilowattstunden pro Anfrage verbraucht.[3] Hochgerechnet auf Millionen täglicher Abfragen ergibt sich ein erheblicher Strombedarf.
Ein weiteres Beispiel liefert OpenAI: Zum Betrieb von GPT-4 sind laut internen Schätzungen geschätzte 25.000 GPUs im Einsatz. Bei einer durchschnittlichen Leistungsaufnahme von 300 Watt pro GPU verursacht allein die IDLE-Leistung über ein Jahr hinweg etwa 65 GWh – unabhängig vom aktiven Workload.
Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher Vier-Personen-Haushalt in Deutschland verbraucht rund 3.500 kWh pro Jahr.
Nachhaltigkeit trifft Skalierbarkeit – Zielkonflikt Rechenzentrum
Die Betreiber von Cloud-Infrastrukturen stehen daher vor einem Dilemma: Einerseits steigt die Nachfrage nach leistungsfähiger KI-Infrastruktur, andererseits wächst der Druck, energieeffizient und nachhaltig zu wirtschaften. Große Hyperscaler wie Amazon AWS, Microsoft Azure und Google Cloud bauen verstärkt auf grüne Energiequellen, doch der Ausbau hinkt dem Bedarf oft hinterher.
Google etwa kündigte an, bis 2030 vollständig ohne fossile Energieträger zu operieren. In 2023 erfolgte der Rechenzentrumsbetrieb jedoch laut Google selbst durchschnittlich nur zu etwa 64 % mit CO2-freiem Strom – je nach Region variiert dieser Wert stark.[4]
Auch die physische Infrastruktur verbraucht zusätzliche Energie: Kühlung, interne Netzwerke und Notstromversorgungen erhöhen den „Power Usage Effectiveness“-Wert (PUE) – ein Maß für Energieeffizienz – vielerorts auf über 1,5 (ideal wäre 1,0).
Strategien zur Reduzierung des Energieverbrauchs
Der steigende Stromhunger von KI-Infrastrukturen verlangt nach innovativen Lösungen – sowohl auf Hardware-, Software- als auch Managementebene. Die Industrie antwortet mit verschiedenen Ansätzen:
- Spezialisierte Hardware: Der Einsatz von energieeffizienteren Chips wie TPUs (Google), Gaudi (Intel) oder dedizierten ML-ASICs reduziert den Stromverbrauch pro Recheneinheit signifikant.
- Software-Optimierung: Durch sparsameres Modell-Design (z. B. Quantisierung oder distillierte Modelle) lassen sich KI-Anwendungen mit deutlich geringerer Last betreiben.
- Intelligentes Rechenzentrumsmanagement: Workloads können automatisiert in Regionen mit hohem Anteil erneuerbarer Energie verschoben werden („carbon-aware scheduling“).
Praxis-Tipps für Unternehmen: Nachhaltige KI-Infrastruktur planen
Auch mittelständische Unternehmen und Start-ups, die KI in ihre Produkte integrieren, können ihren ökologischen Fußabdruck verringern. Folgende Maßnahmen helfen bei einer nachhaltigeren Planung:
- Wählen Sie Cloud-Anbieter mit nachgewiesenem Anteil an Ökostrom und transparentem CO2-Reporting.
- Nutzen Sie bedarfsgerechte Instanzen und skalieren Sie Trainingszeiten gezielt, etwa in Zeiten mit Energieüberschüssen.
- Setzen Sie auf vortrainierte, kompakte Modelle wie Llama 3 8B oder Mistral 7B statt riesiger Foundation-Modelle.
Politik und Regulierung – Hebel für mehr Effizienz?
Mit der wachsenden Bedeutung von KI steigt auch das politische Interesse an deren Umweltauswirkungen. Die Europäische Kommission plant im Rahmen ihrer KI-Verordnung (AI Act) erweiterte Transparenzpflichten für KI-Anbieter – inklusive Informationen über CO2-Emissionen und Energieverbrauch.
Zudem erwägt Deutschland laut einer Stellungnahme des Bundesumweltministeriums vom August 2024 die Aufnahme von Energieeffizienz-Kennzahlen für Cloud-Dienste in das Umweltzeichen „Blauer Engel“.
Allerdings bleibt abzuwarten, ob diese Regelungen den enormen Skalierungstrend in der AI-Infrastruktur bremsen oder eher begleiten können.
Fazit: Die Energiekosten der KI sinnvoll kalkulieren
Künstliche Intelligenz bringt zweifellos enorme Vorteile – ökonomisch, gesellschaftlich und technologisch. Doch die ökologischen Kosten müssen ebenso auf den Tisch. Wer KI-Systeme entwirft, hostet oder nutzt, trägt Mitverantwortung für deren Energieeffizienz und Klimabilanz.
Es braucht deshalb ein Zusammenspiel aus effizienter Hardware, smarter Software, aktiver Planung und politischer Rahmensetzung. Denn nur so kann uns der Weg in eine KI-getriebene Zukunft auch nachhaltig gelingen.
Was ist Ihre Meinung dazu? Diskutieren Sie mit unserer Community – wie können wir gemeinsam die Energiekosten der KI senken? Schreiben Sie uns Ihre Ansätze in die Kommentare.
Quellen:
[1] Strubell et al., „Energy and Policy Considerations for Deep Learning in NLP“, 2019
[2] IEA, Electricity 2024 – Analysis and forecast to 2026, veröffentlicht Januar 2024
[3] Patterson et al., „Carbon Emissions and Large Neural Network Training“, Hugging Face/Harvard, 2023
[4] Google Sustainability Report 2023




