IT-Sicherheit & Datenschutz

Cyberkriminalität im Wandel: Wie internationale Zusammenarbeit die Sicherheitslage verbessert

In einem hell erleuchteten, modernen Konferenzraum arbeiten international zusammengesetzte Ermittlerteams konzentriert an großen Bildschirmen mit digitalen Karten und Datenströmen, während warme Sonnenstrahlen durch die Fenster fallen und eine Atmosphäre von Vertrauen, Kooperation und lösungsorientiertem Fortschritt schaffen.

Cyberkriminalität kennt keine Landesgrenzen. Umso wichtiger wird die globale Zusammenarbeit im Kampf gegen digitale Bedrohungen. Jüngste Fälle zeigen: Internationale Ermittlungen sind nicht nur möglich – sie sind essenziell, um kriminelle Infrastrukturen wirksam zu zerschlagen.

Cyberkriminalität als globales Problem

In einer zunehmend digitalisierten Welt ist Cyberkriminalität zu einer der größten globalen Bedrohungen für Gesellschaft, Wirtschaft und Staaten geworden. Laut dem „Cybersecurity Ventures Cybercrime Report 2023“ werden die weltweiten Schäden durch Cyberkriminalität bis 2025 auf bis zu 10,5 Billionen US-Dollar jährlich geschätzt. Auch das Bundeskriminalamt (BKA) spricht in seinem aktuellen Cybercrime-Lagebild 2024 von einem dramatischen Anstieg hochgradig professioneller Tätergruppen mit internationalen Netzwerken.

Digitale Angriffe – von Ransomware bis Phishing – operieren länderübergreifend, profitieren von rechtlichen Grauzonen und verschlüsselten Kommunikationskanälen. Nationale Strafverfolgungsbehörden stoßen dabei regelmäßig an technische und juristische Grenzen. Genau hier setzt die internationale Zusammenarbeit an.

Die niederländische Razzia: Ein Fallbeispiel erfolgreicher Kooperation

Ein spektakulärer Fall internationaler Ermittlungsarbeit wurde im Mai 2024 bekannt: In einer koordinierten Aktion unter Leitung der niederländischen Polizei, unterstützt von Europol, Eurojust und mehreren europäischen Staaten, wurde die Malware-as-a-Service-Plattform „Exclu“ zerschlagen. Über Exclu konnten Kriminelle verschlüsselte Kommunikation betreiben sowie illegale Geschäfte abwickeln. Die Plattform war besonders in der Organisierten Kriminalität beliebt, auch deutsche Ermittler waren laut BKA beteiligt.

Bei der Razzia wurden Server in mehreren Ländern beschlagnahmt, mehr als 40 Verdächtige verhaftet und umfangreiche digitale Beweismittel gesichert. Die Aktion zeigt eindrucksvoll: Wenn Strafverfolgung grenzüberschreitend koordiniert wird, können auch scheinbar unantastbare digitale Strukturen wirkungsvoll zerstört werden.

Ein Schlüssel zum Erfolg war die Echtzeit-Kommunikation zwischen den Ermittlungsbehörden verschiedener Länder, die Nutzung gemeinsamer Ermittlungsplattformen und ein abgestimmter Zugriff auf digitale Assets. Auch das Einfrieren von Kryptowerten zur Unterbrechung finanzieller Ströme war Teil der Strategie.

Herausforderungen bei der internationalen Cyberabwehr

So überzeugend der Fall Exclu ist – internationale Kooperation ist kein Selbstläufer. Unterschiedliche Datenschutzgesetze, Rechtsordnungen und Prioritäten sowie mangelnder Informationsaustausch erschweren eine effektive Zusammenarbeit bis heute. Auch das Fehlen global gültiger Standards für digitale Beweismittel stellt Strafverfolger regelmäßig vor große Herausforderungen.

Ein weiteres Problem: Einige Staaten betrachten staatlich gelenkte Hackergruppen zwar als Akteure, verfolgen sie aber nicht aktiv, sondern nutzen deren Fähigkeiten zur Cyberspionage oder geopolitischem Druck. Diese politische Dimension macht Cybercrime-Bekämpfung zusätzlich komplex.

Europol, Interpol und Co: Die Rolle supranationaler Organisationen

Organisationen wie Europol, Interpol oder das Global Forum on Cyber Expertise (GFCE) fungieren zunehmend als Vermittler und Koordinatoren grenzüberschreitender Ermittlungen. Europol etwa betreibt das European Cybercrime Centre (EC3), das technische Expertise bereitstellt, Ermittlungen koordiniert und gemeinsame Analysen durchführt. 2023 unterstützte EC3 laut Jahresbericht über 300 Operationen gegen organisierte Cyberkriminalität.

Ein weiteres wichtiges Instrument ist das sogenannte Joint Cybercrime Action Taskforce (J-CAT), das operative Zusammenarbeiten europäischer Ermittler für konkrete Fälle erleichtert. Diese Taskforces spielen insbesondere bei der Zerschlagung krimineller Infrastrukturen – etwa Botnetzen oder Darknet-Marktplätzen – eine zentrale Rolle.

Globale Partnerschaften zeigen Wirkung: Der Angriff auf die Ransomware-Gruppe Lockbit Anfang 2024, bei dem zahlreiche Führungspersonen festgenommen und Infrastruktur beschlagnahmt wurden, war Ergebnis monatelanger Zusammenarbeit zwischen internationalen Partnern, u. a. den USA, Großbritannien, Deutschland und Australien.

Investitionen in Kooperation und Kapazitäten

Um Cyberkriminalität langfristig wirksam zu bekämpfen, bedarf es strategischer Investitionen in Infrastruktur, Ausbildung und international abgestimmte Gesetzgebung. Die Europäische Union fördert dies aktiv: Zwischen 2021 und 2027 stellt die EU im Rahmen ihrer Digitalstrategie über zwei Milliarden Euro für Projekte im Bereich Cybersicherheit bereit – darunter auch für Forschung an grenzüberschreitenden Frühwarnsystemen und forensischen Plattformen.

Wichtig ist außerdem der Aufbau technischer und personeller Kapazitäten in Schwellen- und Entwicklungsländern. Cyberkriminelle nutzen oft Schwachstellen in weniger gut ausgestatteten Jurisdiktionen, um Angriffe zu tarnen oder Infrastruktur zu verstecken. Um dem entgegenzuwirken, unterstützt Interpol mithilfe von Programmen wie Cyber Capacity Building Resilience gezielt lokale Behörden.

Ein zentraler Erfolgsfaktor bleibt der Informationsaustausch in Echtzeit, etwa über Threat-Intelligence-Plattformen oder Kooperationsprotokolle wie das „Budapest Convention“ genannte Übereinkommen über Internetkriminalität. Dieses wurde inzwischen von über 65 Ländern ratifiziert – darunter alle EU-Mitgliedstaaten, die USA und Japan.

Statistische Einordnung: Laut dem Cisco Cybersecurity Readiness Index 2024 haben nur 3 % der befragten Unternehmen weltweit eine “reife” Cyberabwehrstrategie implementiert, während gleichzeitig über 53 % bestätigten, im letzten Jahr Opfer eines sicherheitsrelevanten Vorfalls gewesen zu sein – ein klarer Handlungsauftrag auch auf internationaler Ebene.

Praxis-Tipps für Unternehmen in einem global vernetzten Risikoumfeld

Auch wenn internationale Strafverfolgung maßgeblich durch staatliche Akteure erfolgt, können Unternehmen präventiv tätig werden und ihre Sicherheit durch bewährte Standards stärken.

  • Sichtbarkeit erhöhen: Integrieren Sie Systeme zur Bedrohungserkennung (XDR, SIEM) und tauschen Sie sich mit branchenspezifischen CERTs oder internationalen Informationsnetzwerken wie FIRST.org aus.
  • Globale Standards nutzen: Setzen Sie auf international anerkannte Frameworks wie ISO/IEC 27001 oder den NIST Cybersecurity Framework, die auch den Informationsaustausch mit Behörden strukturieren.
  • Juristische Beratung einholen: Klären Sie, wie Unternehmensdaten innerhalb internationaler Ermittlungen offengelegt oder angefragt werden können – insbesondere bei Cloud-Diensten außerhalb der EU.

Besonders Unternehmen mit internationaler Tätigkeit oder globaler IT-Infrastruktur sollten Cybersecurity als Querschnittsaufgabe mit juristischen, technischen und organisatorischen Elementen betrachten.

Der Weg zur resilienten digitalen Ordnung

Die Realität zeigt: Kein Land, keine Organisation kann Cyberkriminalität allein bekämpfen. Globale Kooperationen, gemeinsame Standards und abgestimmte Prozesse sind unabdingbar, um digitale Risiken wirksam zu adressieren. Die Fälle Exclu, Lockbit und andere zeigen: Erfolgreiche internationale Zusammenarbeit ist möglich – aber kontinuierliche Abstimmung und Investition bleiben notwendig.

Mit weiterem politischen Willen, rechtlichem Rahmen und technologischer Innovationskraft kann die digitale Welt sicherer gestaltet werden. Die Community – aus Forschung, Wirtschaft, Strafverfolgung und Anwendern – ist dabei gefragt, diesen Wandel aktiv voranzutreiben.

Diskutieren Sie mit: Welche Rolle sollte Ihre Branche oder Ihr Unternehmen in der internationalen Cyberabwehr einnehmen? Welche Kooperationen funktionieren bereits gut – und wo besteht Nachholbedarf?

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