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Hochverfügbarkeit ohne 2N-Systeme: Der neue Ansatz für Rechenzentren

Ein hell erleuchteter moderner Serverraum mit klar strukturierten, glänzenden Gerätereihen, in dem ein technikerfreundliches Team entspannt lächelnd an mobilen Tablets zusammenarbeitet, während weiches Tageslicht durch große Fenster fällt und eine warme, einladende Atmosphäre schafft, die den innovativen Wandel zu effizienter Hochverfügbarkeit ohne doppelte Systeme symbolisiert.

Der Begriff Hochverfügbarkeit ist untrennbar mit der Infrastruktur von Rechenzentren verbunden – doch das klassische 2N-Redundanzmodell steht zunehmend in der Kritik. Neue Technologien und intelligente Designstrategien stellen die Notwendigkeit doppelter Systeme infrage. Könnte die Ära der Effizienz die Ära der Redundanz ablösen?

Was bedeutet 2N – und warum war es so lange Standard?

Das 2N-Modell beschreibt eine vollständig redundante Infrastrukturkomponente – etwa Stromversorgung, Kühlung oder Netzwerk –, die in zweifacher Ausführung vorhanden ist. Im klassischen Rechenzentrumsdesign bedeutet das: Für jedes kritische System existiert ein vollständig eigenständiges Backup. Wenn das primäre System ausfällt, übernimmt das zweite nahtlos den Betrieb.

Dieses Prinzip hat sich jahrzehntelang weltweit als Goldstandard etabliert, insbesondere in Tier-IV-zertifizierten Rechenzentren nach Uptime Institute. Der Vorteil liegt in der maximalen Verfügbarkeit – theoretisch 99,995 %, was einer jährlichen Ausfallzeit von unter 26 Minuten entspricht.

Die Kehrseite der Medaille: Kosten, Ressourcen und Komplexität

Doch ein 2N-Ansatz ist teuer – nicht nur in der Anschaffung, sondern auch im dauerhaften Betrieb. Nicht selten verdoppelt sich durch redundante Systeme der Energieverbrauch, die physikalische Fläche und der Wartungsaufwand. In Zeiten steigender Energiepreise und wachsender Umweltverantwortung stehen viele Betreiber vor der Frage: Ist 2N noch zeitgemäß?

Laut einer Marktanalyse von Uptime Institute aus dem Jahr 2023 gaben 62 % der Rechenzentrumsbetreiber an, den Energieverbrauch stärker optimieren zu wollen – der häufig redundant ausgelegte Betrieb gilt dabei als zentrale Einsparquelle. Zusätzlich steigen die regulatorischen Anforderungen an Energieeffizienz (z. B. durch die EU-Taxonomie für nachhaltige Investitionen oder die neue EN 50600-Norm).

Die Debatte: Hochverfügbarkeit durch intelligentes Design statt Duplizierung

Die Kritiker von 2N verweisen auf eine neue Generation von Rechenzentrumsdesigns, die durch modulare Architekturen, Software-definierte Redundanz und dynamische Lastverteilung ähnliche Verfügbarkeiten erzielen können – mit deutlich geringerem Ressourceneinsatz.

Ein prominentes Beispiel ist das Konzept des Shared Redundancy oder n+1/N+2-Ansätze, bei denen kritische Systeme nicht vollständig dupliziert, sondern intelligent gemeinsam genutzt werden. Solche Infrastrukturen setzen oft auf hochverfügbare Softwareebenen und automatisierte Failover-Systeme, um Hardware-Redundanz durch Agilität zu ersetzen.

Besonders Hyperscaler wie Google, Amazon AWS oder Microsoft Azure setzen zunehmend auf Software-definierte Ausfallsicherheit, die Redundanz auf Applikationsebene ermöglicht. Statt doppelte Stromtrassen oder Kühlanlagen zu bauen, sichern Microservices und Edge-Distributionsstrategien die Verfügbarkeit ab.

Use Cases: Wenn weniger mehr ist

Einige neue Rechenzentren zeigen exemplarisch, wie Hochverfügbarkeit auch ohne 2N möglich ist. Das Green Datacenter in Zürich etwa setzt auf eine modulare, kombinierte n+1-Kühlung und Power Distribution Units mit dynamischer Lastverschiebung. Ähnliches gilt für das Edge-RZ-Konzept von Stack Infrastructure, das in dezentrale Architektur investiert, um punktuelle Redundanzen gezielt dort zu platzieren, wo sie notwendig sind.

Ein weiteres Beispiel liefert der französische Betreiber Scaleway, der auf Software-definierte Redundanz-Mechanismen in Kombination mit VPLS-basiertem Anycast-Routing setzt. Dabei kann der Traffic im Fehlerfall automatisch auf gespiegelte Instanzen in anderen Regionen umgeleitet werden – ohne dass vollständige 2N-Cluster vor Ort nötig sind.

Statistisch belegt wird dieser Trend durch die 2024er-Studie von Vertiv, wonach 48 % der europäischen Rechenzentrumsbetreiber in den kommenden zwei Jahren von 2N- auf N+1- oder intelligente Redundanzmodelle umstellen wollen – bei gleichbleibenden SLA-Anforderungen.

Herausforderungen und Grenzen des „Lean Availability“-Ansatzes

So überzeugend der Verzicht auf 2N-Systeme klingen mag, bringt er auch Risiken. Fehlertoleranz muss softwareseitig perfekt umgesetzt sein, transparente Orchestrierung und präzises Monitoring sind Voraussetzung. Unternehmen, deren Geschäftsmodell unmittelbare Echtzeitverfügbarkeit erfordert – etwa im Finanzsektor oder bei kritischer Infrastruktur –, setzen daher weiterhin auf bewährte 2N-Topologien.

Nicht zu unterschätzen ist außerdem der Faktor „Vertrauen“. Viele SLA-Klauseln verlangen nach wie vor explizit physikalisch redundante Systeme. Der Nachweis gleichwertiger Verfügbarkeit durch Software allein wird nicht immer akzeptiert – hier braucht es ein Umdenken bei Verträgen und Zertifizierungen.

Zudem können Ausfälle durch menschliche Fehlkonfigurationen in automatisierten Redundanzsystemen schwerwiegender sein als bei dedizierter Hardware-Segmentierung. Ein einziger Logikfehler in einem orchestrierten Failover-Netzwerk kann größere Kreise ziehen als der Ausfall eines einzelnen Netzteils.

Dennoch lassen sich aggressive Verfügbarkeitsstrategien auch ohne durchgängige 2N-Redundanz realisieren – wenn das Design durchdacht ist und die Betriebsprozesse klar standardisiert sind.

Empfehlungen für Betreiber, die Hochverfügbarkeit ohne 2N planen:

  • Setzen Sie auf modulare, skalierbare Architekturen mit N+1-Redundanz und dynamischer Ressourcenverwaltung.
  • Nutzen Sie softwaregestützte Orchestrierung und Self-Healing-Mechanismen zur Absicherung kritischer Dienste.
  • Schärfen Sie Ihr Monitoring und Logging: Transparenz und Frühwarnsysteme sind entscheidend für resilientes Design.

Zertifizierungen, SLAs und der Wandel der Industriestandards

Ein Blick in die aktuellen Entwicklungen beim Uptime Institute zeigt die wachsende Relevanz flexibler Verfügbarkeitsmodelle. Während Tier-III und Tier-IV-Zertifizierungen lange Zeit nur vollständig redundante Infrastrukturen anerkannten, prüft das Institute inzwischen auch hybride Strukturen mit Software-Defined Infrastructure (SDI).

Auch neue Audit-Formate wie EN 50600-3-1 oder ISO/IEC TS 22237 stellen stärker auf „adaptive Resilience“ ab – also die Fähigkeit eines Rechenzentrums, auf wechselnde Anforderungen flexibel reagieren zu können. Das bedeutet: Redundanz ist nicht mehr nur eine Frage von Hardware, sondern von Design, Prozess und dynamischer Reaktionsfähigkeit.

Was Service Level Agreements (SLAs) betrifft, beobachten große Cloud-Anbieter bereits eine Entwicklung hin zu Verfügbarkeitsgarantien auf Anwendungsebene, statt auf Rechenzentrumsebene. Dies eröffnet Freiräume im Infrastrukturdesign und fördert den Mut zu innovativen Architekturen.

Fazit: Die Zukunft ist intelligent, nicht redundant

Hochverfügbarkeit ohne 2N bedeutet nicht zwangsläufig weniger Sicherheit – sondern mehr Effizienz, mehr Intelligenz und mehr Verantwortung im Design. Der Trend zur adaptiven Redundanz ist ein Ausdruck technologischen Fortschritts und ökonomischer Vernunft. Besonders in Zeiten von Energieknappheit, Flächenmangel und dem Streben nach Nachhaltigkeit ist das klassische 2N-Modell nicht länger alternativlos.

Doch klar ist auch: Der Verzicht auf duale Systeme erfordert ein Umdenken in Planung, Betrieb und Vertragsgestaltung. Wer bereit ist, in smarte Architekturen, Automatisierung und resilientere Prozesse zu investieren, kann dauerhaft profitieren – ökonomisch wie ökologisch.

Wie sehen Sie die Zukunft der Rechenzentrumsverfügbarkeit? Teilen Sie Ihre Strategien, Erfahrungen oder Bedenken in den Kommentaren – die Diskussion ist eröffnet!

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