Ein festlich geschmückter Weihnachtsmarkt, ein Familienabend voller Emotionen – und mittendrin ein Coca-Cola-Spot, der dieses Jahr ungewöhnlich viel Aufmerksamkeit bekommt. Doch nicht nur wegen seiner Botschaft, sondern wegen seiner Entstehung: Der neue Weihnachtswerbespot von Coca-Cola wurde zu großen Teilen mithilfe generativer KI produziert – und spaltet damit Publikum, Kreativbranche und Ethiker gleichermaßen.
Vom kreativen Geniestreich zum KI-generierten Content
Coca-Cola überraschte die Werbewelt Anfang November 2025 mit der Veröffentlichung seines Weihnachtsclips, der laut Unternehmensangaben zu 80 % mit Hilfe generativer Künstlicher Intelligenz erstellt wurde. Dabei kam unter anderem die text-zu-Bild-KI Stable Diffusion sowie ein eigenes internes KI-Modell für Videoanimationen zum Einsatz. Die Musikuntermalung – ein zarter Mix aus klassischer Orchestrierung und modernen Beats – wurde ebenfalls algorithmisch komponiert, gestützt durch die KI-Plattform Soundraw.
Die Innovationsfreude ist kein Zufall: Coca-Cola investierte in den letzten zwei Jahren massiv in KI-Infrastruktur. Bereits 2023 kooperierte der Konzern mit OpenAI und Bain & Company, um generative KI im Marketing strategisch zu testen. Die aktuelle Kampagne ist der öffentlichkeitswirksamste Ausdruck dieser Bemühungen.
Online-Debatte: Euphorie trifft Skepsis
Die Reaktionen im Netz ließen nicht lange auf sich warten. Auf Plattformen wie X (ehemals Twitter), TikTok und Reddit entbrannten hitzige Diskussionen über den neuen „AI Christmas Spot“. Während viele Nutzer die ästhetische Qualität und die technische Raffinesse lobten, kritisierten andere den Mangel an „menschlicher Wärme“.
Eine repräsentative YouGov-Umfrage aus dem November 2025 zeigt: 48 % der Befragten stehen der Nutzung von KI in Werbekampagnen ablehnend gegenüber, nur 29 % begrüßen den kreativen Einsatz. Besonders deutlich wird der Widerstand in der Altersgruppe der 35- bis 55-Jährigen, die Authentizität in emotionaler Werbung höher gewichten als Innovation.
Ethische Fragen: Wie kreativ darf KI sein?
Die Kritik entzündet sich nicht nur am technischen Einsatz, sondern an der ethischen Dimension: Kann Werbung, die von Maschinen konzipiert wurde, echte Emotionen transportieren? Und welche Verantwortung tragen Konzerne wie Coca-Cola, wenn sie kreative Berufe zunehmend automatisieren?
Prof. Dr. Rebecca Neuhaus, Medienethikerin an der Universität Hamburg, warnt im Interview mit unserem Magazin: „KI-generierte Werbung verwischt die Grenze zwischen menschlicher Kreativität und algorithmisch optimiertem Marketing. Konsument:innen sollten wissen, ob sie mit echten Geschichten oder synthetischem Storytelling konfrontiert sind.“
Zugleich stellt sich die Frage der Transparenz. Der Spot enthält keinen Hinweis auf seinen KI-Ursprung – ein Umstand, den Verbraucherschutzorganisationen kritisieren. Auch der Deutsche Werberat denkt laut über eine Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Inhalte nach.
Arbeitsplätze in Gefahr? Sorgen der Kreativwirtschaft
Die Werbe- und Designbranche blickt mit gemischten Gefühlen auf Entwicklungen wie die bei Coca-Cola. Während einige Kreativagenturen KI als unterstützendes Werkzeug sehen, fürchten andere massive Arbeitsplatzverluste.
Laut einer aktuellen Analyse des McKinsey Global Institute aus dem Oktober 2025 könnten bis 2030 weltweit bis zu 30 % der Aufgaben in kreativen Berufen durch generative KI übernommen werden. Besonders stark betroffen seien Grafikdesign, Texterstellung und einfache Videoproduktion.
Simone Krüger, Creative Director bei einer großen Berliner Agentur, sieht den Wandel pragmatisch: „KI kann repetitive Aufgaben übernehmen und Freiraum für echte Innovation schaffen. Aber nur, wenn die Menschen das kreative Steuer behalten.“
Erste Gewerkschaften der Werberbranche, darunter ver.di Kreative, fordern in Reaktion auf den Coca-Cola-Spot rechtliche Rahmenbedingungen und Weiterbildungsangebote, um den Wandel sozial verträglich zu gestalten.
Praktische Empfehlungen für Akteur:innen in der Kreativwirtschaft:
- Setzen Sie auf Hybridmodelle: KI als Werkzeug, nicht als Ersatz für menschliche Kreativität.
- Investieren Sie in digitale Weiterbildungen zu generativen KI-Werkzeugen wie Midjourney, Runway oder GPT-4.
- Betreiben Sie aktive Kommunikation und Kennzeichnung KI-generierter Inhalte, um Vertrauen bei Zielgruppen zu stärken.
Hinweis: Laut dem AI Transparency Index 2025 wünschen sich 72 % der Verbraucher klare Informationen über den KI-Einsatz in Medien und Werbung (Quelle: Future of Media Report, Q2 2025).
Ein Blick in die Zukunft: Wie wird sich kreative KI entwickeln?
Die Zukunft der werblichen Kreativität scheint untrennbar mit KI verknüpft. Bereits heute sind Plattformen wie Adobe Firefly oder Canva Magic Studio fester Bestandteil vieler Kreativteams. Große Unternehmen experimentieren zunehmend mit KI-nativen Kampagnen, bei denen sämtliche Assets – von Slogans bis Videos – algorithmisch generiert werden.
Doch technologische Potenz ist nicht gleichbedeutend mit Qualität. Eine 2025 veröffentlichte Studie des MIT Media Lab zeigt, dass KI-generierte Inhalte zwar schneller produziert werden können, jedoch in der Regel schlechtere Werte bei emotionaler Wirkung und Storytelling erzielen als menschlich konzipierte Kampagnen.
Auch Coca-Cola selbst hat auf die Debatte reagiert. Eine Sprecherin des Konzerns erklärte gegenüber der Financial Times, man wolle künftig transparenter mit KI-Einsätzen umgehen und hybride Produktionsmethoden fördern. Ob das reicht, um Kritiker zu besänftigen, bleibt abzuwarten.
Fazit: Kreative KI fordert uns heraus – technologisch und gesellschaftlich
Der Coca-Cola-Weihnachtsspot ist mehr als nur ein Stück festlicher Werbekultur – er ist ein Meilenstein im Umgang mit KI in kreativen Branchen. Die Diskussion um Ethik, Arbeitsplätze und Authentizität zeigt: Die Technologie schreitet schneller voran als gesellschaftliche Debatten es oft erlauben.
Dennoch bietet der Vorfall eine Chance: für offene Diskussionen, klare Regulierungen und neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine. Es liegt nun an Unternehmen, Agenturen und Konsument:innen gleichermaßen, diesen Wandel aktiv mitzugestalten.
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