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Neues Verwaltungsrechenzentrum im Saalekreis: Einblicke und Herausforderungen

Ein hell erleuchteter, freundlicher Technikraum mit modernen Serverracks, in dem engagierte IT-Fachleute konzentriert und kollegial an digitalen Verwaltungsprozessen arbeiten, umgeben von natürlichem Tageslicht und warmem Ambiente, das Optimismus und Fortschritt für die regionale Digitalisierung ausstrahlt.

Im Saalekreis entsteht ein neues Verwaltungsrechenzentrum mit Potenzial, regionale Verwaltungen digital zukunftsfähig zu machen. In Blösien laufen Planungen für ein modernes Datacenter, dessen Errichtung von einer EU-weiten Ausschreibung begleitet wird. Wir werfen einen Blick hinter die Kulissen des Projekts – mit Fokus auf Technik, Herausforderungen und strategischer Relevanz.

Digitalisierung in Kommunen: Der wachsende Bedarf nach lokaler IT-Infrastruktur

Digitale Verwaltungsprozesse sind längst kein optionales Ziel mehr – sie sind gesetzlich verankert und gesellschaftlich gefordert. Mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) verpflichtet sich Deutschland, alle Verwaltungsleistungen bis Ende 2025 digital bereitzustellen. Dieser Digitalisierungsschub erfordert jedoch leistungsfähige IT-Infrastrukturen auf kommunaler und regionaler Ebene. Gerade Landkreise wie der Saalekreis stehen hier vor großen Aufgaben.

Das geplante Verwaltungsrechenzentrum in Blösien reagiert auf diesen Handlungsdruck. Als zentrales IT-Backbone soll es nicht nur die Digitalisierung der eigenen Kreisverwaltung absichern, sondern perspektivisch auch umliegende Kommunen, Schulen und Landesbehörden nach dem Prinzip des kommunalen Cloudhostings unterstützen.

EU-weite Ausschreibung und Projektziele: Was bisher bekannt ist

Die Pläne für das Verwaltungsrechenzentrum werden derzeit im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung konkretisiert. Laut Vergabeveröffentlichung im TED (Tenders Electronic Daily) der EU vom Juni 2024 [Quelle: ted.europa.eu, TED-Bekanntmachung 2024/S 113-354722] sucht der Landkreis Saalekreis Partner für Planung, Errichtung und langfristigen Betrieb einer hochverfügbaren, energieeffizienten und skalierbaren Rechenzentrumseinheit.

Zu den wichtigsten Kriterien der Ausschreibung zählen:

  • Ein Minimum von Tier III-Niveau gem. Uptime Institute Standards
  • Nachhaltige Stromversorgung mit mindestens 40 % Anteil erneuerbarer Energien (ggf. PV-Eigenerzeugung)
  • Strikte Einhaltung der BSI-IT-Grundschutzanforderungen
  • Modularität und perspektivische Erweiterbarkeit für mindestens 15 Jahre

Das Investitionsvolumen liegt laut unverbindlichen Schätzungen bei ca. 15–20 Mio. Euro. Erste Partner sollen bis Q1 2026 beauftragt werden, der Betrieb könnte ab Mitte 2028 starten.

Technologisch auf der Höhe der Zeit: Was ist geplant?

Technologisch verfolgt das Rechenzentrum einen modernen Ansatz. Vorgesehen ist eine hybride Infrastruktur, die sowohl klassische Servervirtualisierung (z. B. über VMware oder Proxmox) als auch Container-Technologien wie Kubernetes unterstützt. Zudem deutet die Ausschreibung darauf hin, dass eine auf Open-Source-Standards basierende Cloudplattform entstehen könnte – analog zu GOVStack-Ansätzen oder kommunalen Sovereign-Cloud-Initiativen.

Das geplante Rechenzentrum soll ferner folgende Funktionen abdecken:

  • Hosting von Fachverfahren (z. B. KfZ-Zulassung, Bauakte, Personenstandsregister)
  • Zentrale Authentifizierungsdienste (z. B. SSO, LDAP)
  • Management von digitalen Dokumentenarchiven
  • Bereitstellung sicherer Schnittstellen zur Bürgerkommunikation

Besonderes Augenmerk gilt dabei auch energietechnischen Aspekten: Durch ein Wärmerückgewinnungssystem und gegebenenfalls nächtliche Freikühlung soll eine besonders gute PUE (Power Usage Effectiveness) von unter 1,3 erzielt werden. Zum Vergleich: Der internationale Durchschnitt lag laut Uptime Institute 2023 bei etwa 1,58 [Quelle: Uptime Institute Global Data Center Survey 2023].

Infrastrukturelle Herausforderungen im Saalekreis

Der Aufbau eines modernen Datacenters im ländlich geprägten Blösien bringt jedoch einige infrastrukturelle Herausforderungen mit sich:

  • Energieversorgung: Die lokale Netzkapazität muss ausgebaut werden, um die nötigen Redundanzen bei der Stromzufuhr (N+1) zu gewährleisten.
  • Glasfaseranbindung: Es bestehen begrenzte Backbone-Kapazitäten im Süden des Saalekreises. Eine Anbindung an das landesweite MDV-Glasfasernetz ist geplant.
  • Bauplanung & Genehmigung: Die spezielle Nutzung als sicherheitsrelevante IT-Infrastruktur führt zu hohen Anforderungen an Bauphysik, Brandschutz, Zutritts- und Einbruchssicherheit.

Der Saalekreis kooperiert hier eng mit dem IT-Dienstleister Komm24, der ähnliche Projekte in Thüringen und Sachsen betreut hat, um etabliertes Know-how zu nutzen.

Warum dezentrale Verwaltungsrechenzentren strategisch sinnvoll sind

In einer Zeit zunehmender Cyberbedrohungen und steigender Anforderungen an digitale Souveränität gewinnen dezentrale Infrastrukturen an Bedeutung. Große zentrale Rechenzentren in Bund oder Ländern sind nicht in der Lage, alle individuellen Anforderungen kleinerer Kommunen zu bedienen – zudem binden zentrale Lösungen häufig deutlich mehr Ressourcen und sind schwerer auf kommunale Besonderheiten anzupassen.

Ein regionales Verwaltungsrechenzentrum im Saalekreis ermöglicht unter anderem:

  • Lokal skalierte und kontrollierte Fachverfahrensbereitstellung
  • Schnellere Reaktionszeiten bei Störungen oder Änderungsanforderungen
  • Einbindung bestehender Legacy-Strukturen über sichere Schnittstellen

Zudem ist ein hoher Sicherheitsstandard leichter realisierbar: Der physische Zugang ist lokal kontrollierbar und redundant ausgelegt. Eine aktuelle Studie des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik zeigt, dass 84 % aller kommunalen Cybervorfälle auf mangelnde Update-Prozesse und nicht abgesicherte Schnittstellen zurückzuführen sind [Quelle: BSI, Lagebericht zur IT-Sicherheit in Deutschland 2024].

Ausblick: Cloudfähigkeit, Interoperabilität und Open-Source-Ansätze

Auch strategisch verfolgt das Blösiener Projekt moderne Grundsätze: Interoperabilität, Standardkonformität und Open-Source-Vorgaben stehen weit oben auf der Agenda. Unterstützt wird dies durch die IT-Strategien von Sachsen-Anhalt, die der öffentlichen Verwaltung „digitale Leitplanken“ für modulare, nachhaltige und quelloffene IT-Lösungen setzen.

Die Cloudfähigkeit soll mit föderativen Verwaltungsclouds nach deutschem Datenschutzrecht realisiert werden. Der Einsatz von Gaia-X-konformen Komponenten sowie Schnittstellen zur Bundescloud sind geplant – die konkrete Umsetzung hängt jedoch maßgeblich von den beauftragten Partnern und langfristigen Vereinbarungen zur Datensouveränität ab.

Drei Handlungsempfehlungen für Kommunen, die ähnliche Projekte planen:

  • Frühzeitige Machbarkeitsstudien inklusive Netz-, Energie- und Sicherheitsgutachten erstellen lassen
  • Auf modulare Bauweise und hybride Architektur setzen, um zukünftige Anforderungen flexibel abbilden zu können
  • Den Dialog mit Open-Source-Communitys und Behördenplattform-Initiativen suchen, etwa GovDigital oder Open CoDE

Fazit: Ein Rechenzentrum als Schlüssel zur digitalen Resilienz

Der Aufbau eines Verwaltungsrechenzentrums in Blösien ist mehr als ein rein technisches Infrastrukturprojekt: Es ist ein Schritt in Richtung regionaler digitaler Resilienz und Souveränität. Im Zeitalter cloudbasierter Verwaltungsprozesse, KI-gestützter Fachverfahren und wachsender Cyberbedrohungen gewinnt die Kontrolle über sensible Daten und Dienste an zentraler Bedeutung.

Der Saalekreis setzt mit dem Projekt ein Signal – nicht nur nach innen, sondern auch für andere Landkreise. Der Erfolg des Vorhabens könnte zur Blaupause für zahlreiche ländliche Regionen in Deutschland werden.

Was denken Sie? Welche Anforderungen sollte ein modernes kommunales Rechenzentrum Ihrer Meinung nach erfüllen? Teilen Sie Ihre Erfahrungen und Ideen in den Kommentaren oder bei LinkedIn unter #KommunaleCloud!

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