In einem technologischen Großprojekt vereint China jetzt künstliche Intelligenz mit nachhaltiger Infrastruktur: Unterwasser-Rechenzentren, betrieben durch Offshore-Windkraft, sollen die Zukunft der KI-Verarbeitung revolutionieren. Was steckt hinter Chinas Vision der maritimen Datenkraftwerke – und können sie ökologisch wie industriell überzeugen?
Ein Meilenstein: KI-Rechenzentren unter dem Meer
Im Frühjahr 2025 erreichte ein ambitioniertes Pilotprojekt im Südchinesischen Meer internationale Aufmerksamkeit: Die chinesische Stadt Hainan startete gemeinsam mit dem Staatsunternehmen Highlander das weltweit erste vollständig KI-orientierte Unterwasserrechenzentrum. Die Anlage ruht auf dem Meeresboden in 30 Metern Tiefe, rund 10 Kilometer vor der Küste, und wird exklusiv mit Strom aus nahegelegenen Offshore-Windparks gespeist.
Dieses Rechenzentrum, das auf eine Leistung von mehr als 100 Petaflops ausgelegt ist, fokussiert sich auf Deep-Learning-Prozesse, großskalige Modelltrainings und Data-Analytics-Anwendungen. Dabei soll es nicht nur skalierbar, sondern auch wesentlich energieeffizienter als herkömmliche Land-basierte Rechenzentren operieren.
Technologie trifft Nachhaltigkeit: So funktionieren die Meeresrechenzentren
Das Prinzip hinter diesen Rechenzentren ist ebenso simpel wie innovativ: Hardwaremodule in druckresistenten, wasserdichten Containerstrukturen werden auf dem Meeresboden installiert, wo die Meerestemperatur von durchschnittlich 4 °C als natürliche Kühlung dient. Energie liefern schwimmende Offshore-Windparks, die direkt mit den unterseeischen Servern verbunden sind. Durch intelligente Steuerungssysteme – auf KI-basiert – wird nicht nur der Strombedarf reguliert, sondern auch der Wärmeabfluss gesteuert.
Im Vergleich zu konventionellen Rechenzentren könnte dieses System laut einer Studie des China Academy of Information and Communications Technology (CAICT) bis zu 45 Prozent an Kühlenergie und 30 Prozent an Gesamtstromverbrauch einsparen (Quelle: CAICT Digital Economy Report 2024).
Erste Zahlen: Effizienz und ökologische Einflüsse
Laut der Hainan Development Holding Group konnte das Pilotzentrum bereits in den ersten drei Monaten eine durchschnittliche PUE (Power Usage Effectiveness) von 1,07 erreichen. Zum Vergleich: Der weltweite Durchschnitt lag 2023 laut Uptime Institute bei 1,55 – ein signifikanter Effizienzvorsprung.
Auch in puncto CO₂-Ausstoß zeigt das Meerestech-Projekt Wirkung. Nach Berechnungen des chinesischen Energieministeriums reduzierte sich der CO₂-Ausstoß pro Petaflop-Leistung um fast 65 Prozent gegenüber einem gleich leistungsstarken traditionellen Rechenzentrum in Peking (Quelle: Chinese Ministry of Energy, Sustainability Report 2025).
Vorteile für die KI-Industrie
Gerade im Zeitalter von Generativer KI, LLMs (Large Language Models) und multimodalen Modellen explodiert der Energiebedarf. Unternehmen wie Baidu, Alibaba oder SenseTime investieren massiv in GPU-Cluster und spezialisierte KI-Engines. Maritime Rechenzentren könnten hier entscheidende Vorteile bringen:
- Kostenersparnis: Durch die natürliche Kühlung sinken die Betriebskosten signifikant.
- Skalierbarkeit: Module lassen sich flexibel erweitern, ohne teuren Baugrund an Land zu nutzen.
- Stabile Stromversorgung: Offshore-Wind liefert konstant Energie, ideal für Always-on-KI-Anwendungen.
Für KI-Start-ups wie Zhipu AI könnten diese Zentren einen Quick-Start ermöglichen, ohne eigene Infrastruktur aufbauen zu müssen – ein Szenario, das auch außerhalb Chinas zunehmend Interesse weckt.
Umweltbedenken: Bedrohung für Ökosysteme?
Doch nicht alles glänzt im Technologieozean. Umweltverbände wie Greenpeace China warnen, dass Eingriffe auf dem Meeresboden langfristig Auswirkungen auf marine Ökosysteme haben könnten. Besonders sensible Lebensräume, wie Korallenriffe, könnten durch Ansiedlung und Wartung der Recheneinheiten gestört werden.
China reagiert: Alle geplanten Installationen sind außerhalb ökologisch geschützter Zonen angesiedelt. Sensorarrays überwachen kontinuierlich Temperatur, Sauerstoffgehalt und Lärmemission – und greift bei Grenzwertüberschreitungen automatisch ein.
Internationale Aufmerksamkeit und Wettbewerb
Die Erfolgsmeldung aus Hainan bleibt nicht unbeachtet. Ende 2024 kündigte Microsoft Norway Pläne an, ähnliche Rechenzentren in den Fjorden rund um Bergen zu testen. Auch Südkorea und Japan untersuchen laut Nikkei Asia vergleichbare Konzepte.
Europa hinkt derweil zurück – auch durch unterschiedliche regulatorische Rahmenbedingungen. Die EU-Taxonomie stuft maritime Infrastrukturprojekte noch nicht als „Green Tech“ ein, was Fördermittel erschwert. Branchenexperten wie Prof. Dr. Harald Fiebig von der TU München fordern daher eine „Technologieoffenheit in der EU-Digitalstrategie“.
Praktische Tipps: Was Unternehmen und Entwickler schon jetzt tun können
- Cloud-Strategie überdenken: Prüfen Sie, ob Offshore-regionale Rechenzentren in Zukunft Teil Ihrer Cloudarchitektur sein könnten.
- Nachhaltigkeitskennzahlen einführen: Messen Sie regelmäßig PUE, CO₂-Ausstoß und Kühlenergiebedarf – unabhängig von Ihrem Standort.
- Forschung & Kooperation: Beteiligen Sie sich frühzeitig an Pilotprojekten oder Industriekonsortien rund um maritime Infrastruktur.
Fazit und Ausblick: Tiefer Blick in die Zukunft?
Chinas Unterwasserrechenzentren markieren möglicherweise den Beginn einer neuen Ära der nachhaltigen KI-Infrastruktur. Zwischen ökologischer Notwendigkeit, wachsendem Datenbedarf und geopolitischer Innovation entfaltet sich eine technische Vision, die weit über den industriellen Horizont hinausweist.
Die Kombination aus künstlicher Intelligenz, Green Computing und maritimer Architektur könnte in den kommenden Jahren ein globales Wettrennen um Effizienz, Skalierung und Nachhaltigkeit auslösen. Jetzt sind strategisches Denken, politische Weichenstellung und Forschungskollaboration gefragt.
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