Ob in missbräuchlichen Beziehungen oder durch gezielte Überwachung – sogenannte Stalkerware stellt eine wachsende Bedrohung für Privatsphäre und Sicherheit auf Android-Smartphones dar. Eine neue Untersuchung der Electronic Frontier Foundation (EFF) wirft ein kritisches Licht auf die Effektivität gängiger Anti-Virus-Apps im Kampf gegen diese heimtückische Software. Doch welche Tools erkennen Stalkerware wirklich zuverlässig, und wie können Nutzer sich zusätzlich schützen?
Was ist Stalkerware – und warum ist sie so gefährlich?
Stalkerware bezeichnet Software, die heimlich auf mobilen Geräten installiert wird, um Nutzer ohne deren Wissen auszuspionieren. Dazu zählen Funktionen wie Standortverfolgung, Mitschneiden von Nachrichten, Kamerazugriff oder menschliche Kontrolle in Echtzeit. Häufig wird sie unter dem Deckmantel von Kindersicherungen oder Geräteüberwachung verpackt. Laut dem aktuellen State of Stalkerware Report von Kaspersky wurden allein im Jahr 2023 weltweit über 31.000 Nutzer von Stalkerware betroffen – ein Anstieg von 5 % gegenüber dem Vorjahr.
Die Bedrohung ist besonders auf Android hoch, da Googles offenes Betriebssystem mehr Spielraum für Installationen aus Drittquellen bietet. Die Erkennung gestaltet sich schwierig, da viele Stalkerware-Apps legitimen Anwendungen ähneln und teils aktiv versuchen, Sicherheitssoftware zu umgehen.
EFF-Studie analysiert Android Anti-Virus-Apps im realen Stalkerware-Test
Die renommierte Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) führte 2024 gemeinsam mit dem raben.org-Projekt einen systematischen Test durch, um herauszufinden, wie wirksam führende Android-Sicherheits-Apps gegen bekannte Stalkerware agieren. Für die Untersuchung wurden 20 populäre Anti-Virus-Tools aus dem Google Play Store verwendet, darunter Produkte von Avast, Bitdefender, Kaspersky, Lookout, NortonLifeLock, Trend Micro und Malwarebytes.
Der Test wurde auf realen Android-Geräten durchgeführt, auf denen kontrolliert 9 verschiedene Stalkerware-Anwendungen installiert worden waren – darunter bekannte Varianten wie mSpy, FlexiSPY, Xnspy und TheTruthSpy. Besonderes Augenmerk lag darauf, ob ein Security-Tool diese Programme erkennt, korrekt einstuft und dem Nutzer transparent meldet.
Die besten Anti-Virus-Anwendungen im Vergleich
Das Ergebnis der EFF-Studie fällt gemischt aus: Nur eine Minderheit der getesteten Apps konnte konsequent alle installierten Stalkerware-Lösungen erkennen und den Nutzer klar darüber informieren. Hier die Top-Five der Untersuchung:
- Kaspersky Mobile Security: Erreichte eine Erkennungsrate von 100 % und war eine der wenigen Apps, die die Software korrekt als „Stalkerware“ einordneten.
- Bitdefender Mobile Security: Sehr zuverlässige Erkennung (98 %), mit klarer Warnung an den Nutzer.
- Malwarebytes Mobile: Ebenfalls sehr gute Ergebnisse (96 %), mit übersichtlicher Benutzerinformation.
- Norton 360: Gute Detektionsrate (91 %), allerdings mit schwacher Benutzerkommunikation zum konkreten Risiko.
- Avira Antivirus Security: Lag bei 88 % Erkennung, doch teils mit Verwirrung durch technische Begriffe.
Besonders kritisch sieht die EFF, dass einige der auf breiter Front bekannten Anti-Virus-Apps – darunter Produkte von AVG, Lookout und McAfee – mehrere der getesteten Stalkerware-Anwendungen gar nicht oder nur sehr unzureichend erkannten. Auch die Klassifizierung der Bedrohung war oft irreführend (z. B. verharmlosendes Label „Überwachungs-Tool“).
Warum viele Security-Apps bei Stalkerware versagen
Ein zentrales Problem liegt laut EFF darin, dass viele Sicherheitsanbieter ihre Heuristiken primär zur Erkennung von traditioneller Schadsoftware (Trojaner, Ransomware) optimieren – nicht aber auf den sensiblen Kontext zwischenmenschlich eingesetzter Überwachungs-Apps. Oftmals meiden Anbieter klare Bezeichnungen wie „Stalkerware“, um rechtlichen Graubereichen aus dem Weg zu gehen oder versehentliche Fehlalarme zu vermeiden.
Ein weiteres Hindernis ist Android selbst: Seit Version 11 beschränkt das System den Zugriff auf verschiedene Installationsdaten, was es gerade Sicherheits-Apps erschwert, tiefere Analysen durchzuführen. Auch der fehlende systemweite Root-Zugriff für normale Nutzer ist eine Hürde, weshalb Stalkerware sich oft tief ins System einklinken kann.
Praktische Tipps: So schützen Sie Ihr Android-Gerät vor Überwachung
Unabhängig von der Wahl einer Sicherheits-App können Nutzer mit einfachen Schritten die Wahrscheinlichkeit von Stalkerware deutlich senken. Hier sind drei unmittelbar umsetzbare Maßnahmen:
- Verdächtige App-Berechtigungen regelmäßig überprüfen: Unter „Einstellungen > Apps > Berechtigungen“ lässt sich kontrollieren, welche App auf Kamera, Mikrofon, Standort oder SMS zugreift. Unerklärliche Berechtigungen sind ein Warnsignal.
- Nur aus vertrauenswürdigen Quellen installieren: Apps sollten zwingend aus dem Google Play Store stammen. Die Option „Installation aus unbekannten Quellen“ sollte deaktiviert bleiben.
- Geräte regelmäßig auf ungewöhnliches Verhalten prüfen: Plötzlicher Akkuverbrauch, erhöhter Datenverbrauch oder Überhitzung können Hinweise auf heimlich laufende Stalkerware sein.
Warnsignale richtig deuten und handeln
Betroffene berichten häufig davon, dass der Täter Dinge wusste, die er unmöglich aus öffentlichen Quellen erfahren haben kann. Auffälligkeiten wie unerklärliche App-Installationen, veränderte Einstellungen oder gelöschte Nachrichten sollten ernst genommen werden. Bei einem begründeten Verdacht rät die EFF, das betroffene Gerät nicht einfach auszuschalten, sondern professionelle Hilfe (z. B. spezialisierte Beratungsstellen wie das Projekt „Staying Safe Online“ oder den Digitalcourage e. V.) in Anspruch zu nehmen. Auch ein zweites, sicheres Gerät zur Online-Kommunikation kann sinnvoll sein.
Google und die Industrie – mehr Verantwortung gefordert
Obwohl Google im Jahr 2020 die Stalkerware-Richtlinien im Play Store verschärfte, tauchen immer wieder Überwachungs-Apps durch geschicktes Re-Branding wieder auf. Kritisiert wird insbesondere, dass viele Anti-Virus-Entwickler nicht konsistent mit dem Begriff „Stalkerware“ arbeiten oder Nutzer bewusst im Unklaren lassen. Transparency Reports, wie sie etwa Kaspersky seit 2019 veröffentlicht, könnten hier ein Vorbild sein.
Ein weiterer Hebel liegt in der Industrie selbst: Die Initiative Coalition Against Stalkerware, zu der mittlerweile über 40 Organisationen und Security-Firmen zählen, dringt auf einheitliche Standards für Erkennung, Klassifizierung und Bekämpfung. Hersteller, die sich hier nicht engagieren, geraten zunehmend in die Kritik.
Fazit: Mehr Aufklärung, bessere Tools – und gesellschaftlicher Druck
Stalkerware bleibt eine unterschätzte Gefahr im mobilen Ökosystem. Die EFF-Analyse zeigt: Wirklich gute Erkennungsraten liefern derzeit nur einige wenige, spezialisierte Anti-Virus-Anbieter. Nutzer sind gut beraten, sowohl auf starke Security-Software zu setzen als auch auf Wachsamkeit im Alltag. Hersteller wiederum müssen transparenter werden und sich klar gegen Überwachungssoftware positionieren – auch bei potenziellem Umsatzverlust.
Was denken Sie darüber? Haben Sie Erfahrungen mit Anti-Stalkerware-Tools oder Tipps für andere Nutzer? Teilen Sie Ihre Meinung mit der Community, diskutieren Sie mit – und helfen Sie mit, Aufklärung und digitale Selbstverteidigung weiter zu stärken.




