Quantencomputing gilt als nächste technologische Revolution – doch nicht nur Tech-Giganten wie IBM, Google oder Intel mischen mit. Immer mehr spezialisierte Startups treiben die Entwicklung entscheidend voran und setzen dabei auf frische Ansätze, insbesondere in der photonischen Quantenverarbeitung.
Photonische Quantencomputer: Ein Startup-Terrain mit Zukunft
Während supraleitende und Ionenfallen-basierte Quantencomputer bislang die meiste Aufmerksamkeit erhalten haben, setzen einige zukunftsweisende Startups auf photonische Systeme. Hierbei werden einzelne Lichtteilchen (Photonen) zur Informationsverarbeitung genutzt – ein Ansatz, der sich durch hohe Skalierbarkeit, einfache Kühlung und schnelle Übertragungsgeschwindigkeiten auszeichnet. Insbesondere für Anwendungen in Netzwerken und Kommunikation eröffnen sich dabei neue Horizonte.
Ein prominentes Beispiel ist PsiQuantum mit Sitz in Palo Alto. Das Unternehmen verfolgt das ambitionierte Ziel, innerhalb dieses Jahrzehnts einen fehlerkorrigierten Quantencomputer mit einer Million Qubits auf Basis von Silizium-Photonik zu bauen. Unterstützt wird PsiQuantum u.a. von Atomico, BlackRock und Microsoft – insgesamt wurde laut Crunchbase bereits über 700 Millionen US-Dollar an Risikokapital eingesammelt (Stand: Q2/2025).
Auch das britische Startup ORCA Computing verfolgt einen photonischen Ansatz, setzt aber im Gegensatz zu PsiQuantum auf Speicherlösungen für Quanteninformationen mittels Standard-Telekommunikationstechnik. Dies senkt die Anforderungen an Hardware-Komplexität drastisch. ORCA arbeitet unter anderem mit Airbus und der British Army zusammen und zeigt, dass marktreife Zwischenlösungen realisierbar sind.
Innovationsstrategien: Vom Universitätslabor zum Marktführer
Viele Quanten-Startups entstehen im unmittelbaren Umfeld führender Forschungseinrichtungen. Das 2018 gegründete Unternehmen Xanadu in Toronto beispielsweise entstand aus einem Forschungsprogramm an der University of Toronto und verfolgt eine Open-Source-Strategie mit seiner Plattform Pennylane zur Programmierung photonischer Quantencomputer.
Die Kombination aus wissenschaftlichem Fundament und pragmatischer Produktentwicklung zeigt sich auch bei Quandela aus Frankreich. Das 2017 gegründete Unternehmen produziert photonische Quantenprozessoren auf Basis einzelner Halbleiter-Photonenquellen und hat im Juni 2024 mit „MosaiQ“ den ersten vollständig in Europa entwickelten Cloud-basierten photonischen Quantencomputer live geschaltet.
Diese Startups eint ein klarer Innovationsansatz: Durch Nutzung vorhandener Produktionsinfrastrukturen – etwa der Silizium-Fab-Technologie – lassen sich Skalierungs- und Integrationsvorteile realisieren. Das senkt die langfristigen Produktionskosten und erleichtert den Übergang vom Proof-of-Concept zur Anwendung.
Quanten-Startups als Investoren-Lieblinge
Laut dem Quantum Technology Investment Landscape 2024 Report des Boston Consulting Group (BCG) flossen weltweit im Jahr 2024 über 2,35 Milliarden US-Dollar an Wagniskapital in Quanten-Startups – ein Wachstum von über 18 % gegenüber dem Vorjahr. Photonische Startups sicherten sich dabei einen zunehmend größeren Anteil: Rund 720 Millionen US-Dollar entfielen 2024 auf Unternehmen mit Fokus auf photonische Hardware. Besonders aktiv sind Fonds wie Redwood Ventures, Amadeus Capital, DCVC und Quantonation.
Sasha Ostojic, ehemaliger Nvidia-Manager und nun General Partner bei Playground Global, kommentierte im Rahmen der Quantum Tech Europe 2025: „Photonik ist der vielversprechendste Hardwareansatz, um Quantencomputer in die Cloud und in den Einsatz zu bringen – sowohl wissenschaftlich als auch kommerziell.“
Zudem werden staatliche Förderungen gezielter auf kleine Unternehmen fokussiert. Die EU fördert im Rahmen des Quantum Technologies Flagship Programms u.a. Startups über Partnerschaften mit Hochschuleinrichtungen und bietet Zugang zu Testumgebungen wie dem Quantum Network Testbed.
Kooperationen mit Schwergewichten: Win-Win statt Wettbewerb
Immer häufiger arbeiten Quanten-Startups mit etablierten Großkonzernen strategisch zusammen. So entwickelte PsiQuantum gemeinsam mit GlobalFoundries eine Silizium-basierte Fertigungstechnologie, die millionenfache Integration photonischer Komponenten auf einem Chip erlauben soll. ORCA Computing beliefert Airbus mit Prototypen zur Analyse komplexer Optimierungsprobleme und führt zusammen mit BT eine Studie zur Quantenkommunikation über bestehende Glasfasernetze durch.
Auch Google kooperiert über seine Abteilung Sandbox@Alphabet mit photonischen Startups im Inkubationsformat. Solche Public-Private-Initiativen beschleunigen nicht nur die Entwicklung, sondern vermeiden die Redundanz paralleler Forschung und ermöglichen frühzeitiges Feedback aus der Industrie.
Diese Form der Zusammenarbeit scheint sich auszuzahlen: Laut einer Studie des Quantum Industry Consortium (QuiC) nutzen bereits 42 % der europäischen Konzerne erste Quantenlösungen in Pilotprojekten – ein Anstieg um 12 Prozentpunkte gegenüber 2023.
Auf dem Weg zur Kommerzialisierung: Businessmodelle der nächsten Generation
Viele Startups setzen auf eine sogenannte „hybride Cloud-Strategie“: Quantenhardware wird im Backend betrieben, während externe Entwickler über APIs und SDKs (z. B. ORCA’s „FOCUS“-Kit oder Xanadus PennyLane) auf spezifische Funktionen zugreifen können – etwa zur Simulation molekularer Prozesse, Finanzoptimierung oder Verkehrssteuerung.
Darüber hinaus sind auch Subscription-Modelle für Quantenservices auf dem Vormarsch. Quandela bietet seit Spätsommer 2024 ein nutzungsbasiertes Preismodell für MosaiQ an, inklusive Sandbox-Umgebung für Forschung und Industriepartner. Solche Ansätze reduzieren die Einstiegshürden erheblich und lassen sich skalieren wie herkömmliche Cloud-Angebote.
Ein weiteres Modell sehen viele Startups im Lizenzierungsmodell von Quanten-IP – etwa für Photonenquellen, Entkopplungsschaltungen oder Detektoren. Patente und IP-Portfolios sind dabei zunehmend ein relevanter Faktor für die Bewertung im Kapitalmarkt.
- Tipp 1: Startups sollten gezielt Partnerschaften mit öffentlichen Forschungseinrichtungen und Industriekonsortien eingehen, um Zugang zu Equipment und Know-how zu erhalten.
- Tipp 2: Investoren sollten neben dem technischen Reifegrad auch skalierbare Geschäftsmodelle priorisieren, z. B. Cloud- oder IP-Lizenzierungsstrategien.
- Tipp 3: Entwickler und Tech-Teams können von Open-Source-Projekten wie PennyLane lernen und eigene Anwendungsfälle frühzeitig validieren.
Was die nächsten Jahre bringen: Ausblick auf 2026 und darüber hinaus
Photonische Ansätze könnten mittelfristig Effizienzvorteile gegenüber konkurrierenden Quantenplattformen bieten – insbesondere wenn es gelingt, Fehlerkorrektur modular zu implementieren. Schon heute arbeiten viele Startups mit sogenannten Cluster States und optischen Topologiestrategien zur Stabilisierung komplexer Quantenberechnungen.
Die Kommerzialisierung wird auch von der regulatorischen Seite flankiert: Die Erstellung gemeinsamer Industriestandards, etwa zur Qubit-Charakterisierung, ist Ziel aktueller Initiativen wie der IEEE Quantum Initiative und Bedürfniss zahlreicher Industriekunden. Ein 2025 publizierter Bericht der OECD Quantum Policies Group betont: “The role of agile SMEs is crucial to bridge between foundational science and applied ecosystems.”
Für Europa birgt die zunehmende Startup-Aktivität eine doppelte Chance: technologische Souveränität im strategisch wichtigen Bereich des Quantencomputings – und langfristige Wettbewerbsfähigkeit durch eine diversifizierte Innovationslandschaft.
Auch wenn viele Versprechen des Quantencomputings noch in den Kinderschuhen stecken, steht eines fest: Die Pioniere von heute – viele davon Startups mit klarer Vision – prägen den technologischen Kurs von morgen.
Welche Startup-Ideen und Technologien haltet ihr für besonders vielversprechend? Diskutiert mit uns in den Kommentaren und teilt eure Perspektive mit der Tech-Community!




