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Vom Grundstück zum Rechenzentrum: Ein Leitfaden

Sonnenbeschienenes, weitläufiges Baugrundstück mit moderner Bautechnik im Hintergrund, auf dem Architekten und Ingenieure in lebhafter Beratung mit warmem Tageslicht und klaren Himmel den Grundstein für ein zukunftsweisendes Rechenzentrum legen.

Die Transformation eines unbebauten Grundstücks in ein hochverfügbares Rechenzentrum ist ein komplexes Vorhaben, das weit über die reine Bauplanung hinausgeht. Angefangen bei der Standortauswahl über Energie- und Glasfaseranbindung bis hin zu gesetzlichen Anforderungen erfordert der Prozess tiefes technisches und regulatorisches Know-how. Dieser Leitfaden zeigt Schritt für Schritt, worauf es ankommt – inklusive praktischer Tipps für erfolgreiche Projekte.

Standortwahl: Der strategische Grundstein

Jede Rechenzentrumsplanung beginnt mit einer sorgfältigen Standortanalyse. Dabei spielen neben der geografischen Lage auch infrastrukturelle, sicherheitsrelevante und wirtschaftliche Faktoren eine entscheidende Rolle. Laut DataCenter-Insider (Quelle: https://www.datacenter-insider.de/was-es-beim-bau-eines-rechenzentrums-zu-beachten-gilt-a-d0e6edb552296fe10e99cb66d63ffba4/) sind vor allem folgende Kriterien ausschlaggebend:

  • Netzinfrastruktur: Verfügbarkeit von Glasfaseranschlüssen und leistungsfähigen Stromtrassen
  • Geologische Stabilität: Minimales Erdbebenrisiko und geringe Hochwassergefahr
  • Regulatorische Rahmenbedingungen: Zügige Genehmigungsverfahren, Planungssicherheit, kommunale Unterstützung
  • Verkehrsanbindung: Gute Erreichbarkeit für Personal, Wartung und Sicherheit

Ein Blick auf aktuelle Trends zeigt: Immer mehr Betreiber weichen aus Städten in Randregionen aus, um Betriebskosten, Latenzen und regulatorischen Druck zu reduzieren. Laut Bitkom e.V. soll die Zahl der Hyperscaler-Rechenzentren in Deutschland bis 2030 um 67 % steigen – der Druck auf verfügbare Bauflächen wächst entsprechend.

Energieversorgung: Das Herzstück jeder Planung

Ein modernes Rechenzentrum verbraucht enorme Mengen Strom – allein ein kleineres Colocation-Zentrum mit 1.000 m² Fläche benötigt im Schnitt rund 2–3 Megawatt. Die Energieversorgung ist damit nicht nur technische Voraussetzung, sondern auch ein maßgeblicher Kosten- und Nachhaltigkeitsfaktor.

Zu den wichtigsten Entscheidungen zählen:

  • Anschluss an das Mittel- oder Hochspannungsnetz (abhängig von Leistungsbedarf)
  • Integration erneuerbarer Energien, z.B. durch PPAs (Power Purchase Agreements) oder eigene PV-Anlagen
  • Planung von USV-Systemen (unterbrechungsfreie Stromversorgung) und Diesel-Notstromaggregaten

Laut dem Uptime Institute betrug der durchschnittliche PUE-Wert (Power Usage Effectiveness) global im Jahr 2023 etwa 1,55. Führende Betreiber streben jedoch Werte von unter 1,3 an – was eine exakte Planung von Kühlung, Stromverteilung und Redundanz voraussetzt.

Glasfaser, Anbindung & Peering

Eine leistungsfähige Datenanbindung ist das Rückgrat jedes Rechenzentrums. Die Glasfaseranbindung sollte redundant, skalierbar und carrier-neutral konzipiert werden – nur dann lassen sich attraktive Services wie Multihoming, direkte Cloud-Verbindungen oder Low-Latency-Angebote wirtschaftlich betreiben.

Zu den wichtigsten infrastrukturellen Maßnahmen gehören:

  • Mindestens zwei getrennte Leitungswege (Trenching) bis zum Backbone
  • Direkter Zugang zu Internet-Knoten (wie DE-CIX, AMS-IX), um Routingkosten zu senken
  • Integration in größere Peering-Ökosysteme oder Carrier-neutral Facilities

Ein Praxisbeispiel liefert Interxion in Frankfurt am Main: Über 700 Carrier sind dort angebunden, der Standort ist mit 11 internationalen Internet-Knoten verbunden – ein Argument für Cloud-Transfers im Sub-Millisekundenbereich. Auch kleinere Betreiber können über Partner wie Colt, euNetworks oder Deutsche Glasfaser auf ähnliche Infrastrukturen aufbauen.

Baurecht, Umweltprüfung & Genehmigungsverfahren

Abseits der Technik gilt es, regulatorische Hürden sinnvoll zu managen – im Idealfall bereits vor dem Grundstückserwerb. In Deutschland greifen je nach Standort unterschiedliche Ebenen des Baurechts: Bebauungspläne, Gewässerschutz, Denkmalpflege, Immissionsschutz und Artenschutzauflagen können Bauprojekte verzögern oder sogar verhindern.

Wichtige Schritte im Genehmigungsprozess sind:

  • Frühzeitige Abstimmung mit lokalen Behörden und Planungsämtern
  • Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bei größeren Anlagen
  • Einhalten des BImSchG (§ 4 für Anlagen ab 10 MW thermischer Leistung)
  • Dokumentation zur Abwärmenutzung (entspricht § 13 EnEfG, gültig ab 2024)

Ein zentrales Thema ist die Energieeffizienzpflicht. Ab 2024 schreibt das deutsche Energieeffizienzgesetz (EnEfG) vor, dass neue Rechenzentren mindestens 20 % ihrer Abwärme nutzen oder bereitstellen müssen – mit steigender Quote in den Folgejahren. Projektentwickler sollten daher frühzeitig Rückkopplungen mit Stadtwerken oder Industrienetzen initiieren.

Planung & Bauphase: Redundanzen richtig denken

Sobald Grundstück, Genehmigungen und Netzanschlüsse feststehen, beginnt die eigentliche Bauphase. Der Fokus liegt hier auf der Errichtung hochverfügbarer, skalierbarer und sicherer IT-Infrastruktur nach Tier-Standards (Uptime/EN 50600).

Besonders relevant sind:

  • Redundanzkonzepte: N+1 für USV, Kühlung und Energiezufuhr
    Tipp: N+N ist notwendig, wenn ein Betrieb ohne manuellen Eingriff bei Ausfällen gewährleistet sein soll
  • Brandschutz: Einsatz von Brandfrüherkennung, Gaslöschanlagen (Inergen, Novec 1230)
  • Perimetersicherheit: Zugangskontrollen, 24/7 Monitoring, Videoüberwachung, ISO 27001-Zertifizierung

Laut einer Dell’Oro-Group-Studie (2024) liegen die weltweiten Investitionen in Rechenzentrumsinfrastruktur mittlerweile bei über 350 Milliarden USD jährlich – mit starkem Zuwachs bei modularen Konzepten (Container, Edge-Datacenter). Auch europäische Bauherren favorisieren zunehmend modulare oder phasenweise Bauprojekte, um Risiko und Investitionen besser zu steuern.

Praktische Tipps für eine erfolgreiche Umsetzung

Der Bau eines Rechenzentrums ist kein Standardbau – er erfordert interdisziplinäre Teams, realistische Planung und konsequentes Risikomanagement.

Die folgenden Handlungsempfehlungen helfen bei der erfolgreichen Projektumsetzung:

  • Integrieren Sie frühzeitig erfahrene Fachplaner für Brandschutz, Energie, Netz und Klima in den Entwurfsprozess
  • Nutzen Sie digitale Planungsmodelle (BIM), um Kollisionen und Ineffizienzen zu vermeiden
  • Schließen Sie verbindliche Vereinbarungen mit Netzbetreibern zur Leitungsinfrastruktur vor Baubeginn

Fazit: Vom Grundstück zum digitalen Rückgrat

Ob Hyperscaler, mittelständischer Colocation-Provider oder Edge-Standort: Der Bau eines Rechenzentrums ist heute mehr denn je ein strategisches Infrastrukturprojekt mit hohen Anforderungen – aber ebenso hohem Potenzial. Wer frühzeitig die richtigen Weichen bei Standort, Energie und Vernetzung stellt, profitiert von langfristiger Wirtschaftlichkeit, Skalierbarkeit und Zukunftssicherheit.

Welche Erfahrungen habt ihr bei eigenen RZ-Projekten gesammelt? Welche Hürden oder Best Practices konntet ihr identifizieren? Diskutiert mit uns in den Kommentaren oder sendet uns eure Case Studies – wir freuen uns auf den Austausch!

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