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Warum Quantencomputing-Aktien abstürzen: Ein Blick hinter die Kulissen

Ein lichtdurchflutetes, modernes Büro mit freundlicher Atmosphäre, in dem ein konzentrierter Ingenieur vor einem Bildschirm mit komplexen Quantencomputing-Visualisierungen sitzt, umgeben von sanft strahlender Technik und warmen Holzelementen, die Optimismus und die geduldige Zukunftsfähigkeit innovativer Forschung vermitteln.

Quantencomputer gelten als die nächste große Revolution – doch auf dem Kapitalmarkt erleben Firmen wie Rigetti und D-Wave aktuell ein regelrechtes Börsendesaster. Was steckt hinter dem dramatischen Einbruch der Quantencomputing-Aktien? Eine Analyse zwischen Hype, Realität und dem langen Atem der Innovation.

Erwartungen vs. Realität: Die Tech-Börse liebt große Visionen

Der Börsengang von Rigetti Computing (NASDAQ: RGTI) im März 2022 wurde von Analysten noch gefeiert: Mit einer SPAC-Fusion im Wert von rund 1,5 Milliarden US-Dollar wollte sich das kalifornische Unternehmen als Vorreiter im Quantencomputing positionieren. D-Wave, ein kanadisches Unternehmen mit Fokus auf Quantum Annealing, folgte kurz darauf über eine ähnliche SPAC-Struktur. Anfang 2023 notierten beide Unternehmen noch mit soliden Bewertungen – doch seither verloren die Aktien mehr als 85 % an Wert.

Ein Blick auf die Ursachen offenbart ein altbekanntes Muster: zu hohe Erwartungen, frühe Monetarisierungsversuche und fehlende kurzfristige Anwendungsszenarien. Die Entwicklung brauchbarer Quantencomputer ist komplex, teuer und langwierig. Die bisherigen Fortschritte sind zweifelsohne beachtlich, aber noch weit vom industriellen Einsatz entfernt.

Technologische Reife: Der Quantencomputer ist noch kein Produkt

Quantencomputing fasziniert – doch viele börsennotierte Firmen arbeiten eher an Grundlagenforschung als an marktreifen Produkten. Rigetti beispielsweise kündigte 2022 den „Aspen-M“ QPU-Chip mit 80 Qubits an, strebt aber mittelfristig erst 1.000 Qubits an – ein Wert, der für viele praktische Anwendungen notwendig ist. Auch D-Wave fokussiert sich auf spezialisierte Systeme für Optimierungsprobleme statt auf universelle Quantencomputer.

Hier zeigt sich ein grundsätzliches Missverständnis: Der Markt erwartet kurzfristige kommerzielle Durchbrüche, doch viele Firmen befinden sich technologisch noch im Prototypen-Stadium. Entsprechend vorsichtig ist etwa das European Quantum Flagship. In einem aktuellen Bericht betonte die Initiative, dass „Quantencomputer in puncto Skalierbarkeit erhebliche Herausforderungen haben und kommerzielle Anwendungen frühestens ab 2030 realistisch erscheinen.“

Eine neue Tech-Blase? Parallelen zur KI-Euphorie

Der Hype rund ums Quantencomputing weckt Erinnerungen an vergangene Tech-Blasen – insbesondere im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Auch hier dominierten in den letzten Jahren Versprechungen statt nachhaltiger Geschäftsmodelle. Nvidia profitiert aktuell massiv als Chip-Lieferant der KI-Industrie – doch abseits davon kämpfen viele Start-ups mit monetären Problemen.

Für das Quantencomputing ergibt sich ein ähnliches Bild: Während technologische Grundlagen weiterentwickelt werden, entstehen Bewertungsblasen durch überzogene Hoffnungen institutioneller Anleger. Der bekannte Tech-Investor Kai-Fu Lee kritisierte bereits 2023 in einem Gastbeitrag für MIT Technology Review: „Der Quantenmarkt ist fünf Jahre zu früh und zehnmal zu teuer.“ Diese Einschätzung teilten auch Analysten von Bernstein Research, die feststellten, dass „die Profitabilität in weiter Ferne liegt und aktuelle Budgets stark subventioniert werden.“

Der Kapitalmarkt reagiert: Analysten verlieren das Vertrauen

Ein zentraler Grund für den Kurssturz von Rigetti und D-Wave liegt im schwindenden Vertrauen der Investoren. Nach mehrjährigen Quartalsverlusten – zuletzt -23,6 Mio. USD bei Rigetti im Q2/2025 – und stagnierenden Umsätzen kürzten viele Fonds ihre Beteiligungen. Die Rating-Agentur Moody’s senkte im Juli 2025 außerdem den Ausblick auf „negativ“.

Laut Statista investierten VCs und Institutionen im Jahr 2024 noch rund 1,2 Milliarden USD weltweit in Quantenstart-ups – ein Rückgang von 37 % im Vergleich zu den Vorjahren. Trotz strategischer Beteiligungen großer Namen wie Amazon Braket oder IBM Q scheint die Geduld der Finanzmärkte erschöpft, da greifbare Renditen ausbleiben.

Auch strukturelle Probleme sind nicht zu unterschätzen: Hohe F&E-Kosten, regulatorische Unsicherheiten im Export von Quantenchips und fehlende Fachkräfte bremsen die Skalierung erheblich. Laut dem Quantum Computing Report gab es 2024 weltweit nur rund 3.500 spezialisierte Fachkräfte – bei einem geschätzten Bedarf von über 10.000.

Expertenmeinungen: Fortschritt ja, aber keine Wunder erhoffen

Viele führende Quantenforschende warnen vor einer Überkommerzialisierung des Feldes. Prof. Dr. Rainer Blatt, Quantenpionier an der Universität Innsbruck und Mitglied im European Quantum Community Network, betont: „Wir befinden uns in einer Art Second Quantum Revolution, aber viele Dinge stehen erst am Anfang. Der Weg ist vergleichbar mit der Entwicklung des ersten Mikroprozessors – das dauert eben seine Zeit.“

Auch IBM, derzeit führend im industriellen Quantencomputing, setzt auf eine vorsichtige Kommunikationsstrategie. Ihre Roadmap sieht kommerzielle Anwendungen erst 2029 vor. Statt Hype setzt IBM auf Partnerschaften mit Universitäten, industrieübergreifenden Anwendungsfällen und Open-Source-Ökosysteme wie Qiskit.

Praktische Tipps für Tech-Investoren und Beobachter

Statt kurzfristiger Spekulation sollten Anleger und Interessierte den Fokus auf strategische Aspekte legen:

  • Langfristig denken: Quantencomputing ist ein Marathon, kein Sprint. Realistische Zeithorizonte sind entscheidend, um Fehlbewertungen zu vermeiden.
  • Auf Partnerschaften achten: Firmen, die mit Hochschulen, etablierten Industriekunden oder internationalen Konsortien kooperieren, signalisieren technologische Tiefe und Relevanz.
  • Technologiekarten analysieren: Wer sich für Qubits, Fehlertoleranz und Gate-Zeiten interessiert, sollte die Roadmaps der großen Anbieter wie IBM, IonQ oder Quantinuum regelmäßig prüfen.

Fazit: Zwischen Hype und Hoffnung – Quantencomputing braucht Zeit

Quantencomputing ist zweifellos eine Schlüsseltechnologie der Zukunft – doch zwischen Forschung und realem Marktmeilenstein liegt ein Jahrzehnt technologischer Hürden. Die Kursabstürze von Rigetti und D-Wave sind ein Warnsignal für Investoren, aber kein Scheitern der Technologie an sich. Wer heute investiert, muss Geduld, Verständnis und ein gutes Auge für Deep Tech mitbringen.

Was denkt ihr – erleben wir gerade das Platzen einer Quantenblase oder lediglich eine notwendige Korrektur? Teilt eure Einschätzungen in den Kommentaren und diskutiert mit der Community der Zukunftstechnologien!

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