Der globale Vormarsch von Künstlicher Intelligenz verändert rasant die Art, wie Unternehmen arbeiten – mit massiven Folgen für tausende Jobs. Besonders betroffen sind Outsourcing-Hubs wie Krakau, die bislang von der Verlagerung repetitiver Prozesse profitierten. Eine Entwicklung, die nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale Spannungen nach sich zieht.
Outsourcing unter Druck: KI ersetzt repetitive Arbeit
Jahrelang waren Städte wie Krakau, Bangalore oder Manila attraktive Knotenpunkte für das globale Business Process Outsourcing (BPO). Unternehmen aus Westeuropa und Nordamerika lagerten Aufgaben wie IT-Support, Buchhaltung oder Kundendienst in diese Standorte aus – getrieben von niedrigeren Löhnen und gut ausgebildeten Arbeitskräften.
Doch mit dem rasanten Fortschritt in der KI-Technologie beginnt sich dieses Modell grundlegend zu verändern. Technologien wie generative AI, maschinelles Lernen und Natural Language Processing übernehmen immer mehr Aufgaben, die einst Menschen erledigten. Laut einer Analyse von Gartner aus dem Jahr 2024 könnten bis 2030 weltweit bis zu 30% aller Backoffice-Jobs durch den Einsatz von KI automatisiert werden (Quelle: Gartner, „Forecast Analysis: AI Impact on Business Services“, 2024).
Insbesondere Servicebereiche, die auf Regeln, Standardisierung und großer Datenmenge beruhen – wie Callcenter, Rechnungswesen und Data Entry –, gelten als hochgradig automatisierbar. Krakau, das sich seit Mitte der 2000er zu einem boomenden europäischen IT- und Outsourcing-Standort entwickelt hat, steht exemplarisch für diese Entwicklung.
Fallbeispiel Krakau: Zwischen Digitalisierung und Arbeitsplatzverlust
Krakau beschäftigt laut ABS Lublin über 90.000 Menschen im Shared Services- und Outsourcing-Sektor – ein Wachstum um mehr als 400% seit 2010. Der wirtschaftliche Aufschwung der Stadt war eng mit der Verlagerung westlicher Geschäftsprozesse verbunden. Doch nun geraten diese Errungenschaften ins Wanken.
Laut einer Studie des Polish Economic Institute (PEI) aus dem Jahr 2024 droht ein signifikanter Arbeitsplatzabbau: Bis 2028 könnten in Polens Shared-Services-Branche bis zu 27% der Jobs durch KI-gestützte Automatisierung gefährdet sein. Betroffen sind vor allem Junior-Positionen im Kundenservice, Datenbearbeitung und Accounting – die klassischen Einsteigerrollen im Outsourcing-Markt.
Für viele der rund 100 internationalen BPO-Firmen in Krakau entsteht ein strategisches Dilemma: Entweder sie investieren massiv in KI-Technologien und reduzieren ihre Belegschaft, oder sie verlieren den Anschluss an globale Effizienzstandards.
Soziale und wirtschaftliche Folgen für betroffene Regionen
Die wirtschaftliche Bedeutung solcher Zentren geht weit über die direkt Beschäftigten hinaus. Cafés, Wohnungsvermieter, Verkehrsbetriebe und viele kleine Dienstleister profitieren vom hohen Anteil junger, gut ausgebildeter Arbeitskräfte. Wenn diese Jobs verschwinden, geraten ganze Stadtteile unter Druck.
Das zeigt sich bereits: In Krakau melden Bildungsinstitute 2024 rückläufige Einschreibungen in wirtschaftsnahe Bachelor-Programme. Gleichzeitig steigen die Arbeitslosenzahlen junger Akademiker: Laut dem Statistischen Zentralamt Polens ist die Jugendarbeitslosigkeit in Krakau im Vergleich zum Vorjahr um 2,5 Prozentpunkte gestiegen – der erste Anstieg seit über einem Jahrzehnt.
Experten sehen hier ein wachsendes Risiko für soziale Verwerfungen. „Wenn tausende qualifizierte junge Menschen in strukturellen Arbeitslosigkeitsphasen landen, steigt nicht nur die Frustration, sondern auch das Risiko einer Abwanderung“, warnt Dr. Janek Kurylowicz, Ökonom an der Krakauer Hochschule für Wirtschaft.
KI als Effizienzmotor: Vorteile für Unternehmen, Risiken für Mitarbeiter
Für Unternehmen bietet der KI-Einsatz erhebliche Vorteile: geringere Kosten, schnellere Bearbeitungszeit, höhere Fehlerfreiheit. Ein Bot kann in Sekunden tausende Rechnungen sortieren oder Kundenanfragen analysieren. Das verbessert die Wirtschaftlichkeit – aus Sicht der Firmen ein entscheidendes Kriterium in einem global kompetitiven Umfeld.
Doch während Unternehmen gewinnen, droht die Schattenseite für Mitarbeitende: Der Verlust struktureller Einstiegsmöglichkeiten, insbesondere in weniger digitalisierten Ländern. Wer bisher auf einen stabilen Karriereeinstieg in Krakau oder ähnlichen Städten baute, steht plötzlich vor einem unsicheren Arbeitsmarkt.
Ein weiteres Problem: KI ersetzt vor allem Jobs mittlerer Qualifikation – eine Entwicklung, die die sogenannte „Job Polarization“ verschärft: Hochqualifizierte (z.B. KI-Ingenieure) und gering qualifizierte Dienste (z.B. Reinigung) bleiben bestehen, mittlere Tätigkeiten fallen weg.
Globale Parallelen: Outsourcing-Städte weltweit unter Druck
Krakau steht mit diesem Problem nicht allein da. Auch südasiatische Metropolen wie Bangalore, Hyderabad oder Manila spüren den Umbruch. In Indien beschäftigt allein die BPO-Branche über 1,4 Millionen Menschen (Stand 2024). Der Branchenverband NASSCOM warnt in seinem Bericht „AI Impact on India’s IT-BPM Sector“ vor einem möglichen Abbau von rund 500.000 Jobs bis 2029, sofern keine aktiven Umschulungsmaßnahmen etabliert werden.
In Manila, einst aufstrebender Standort für englischsprachigen Kundenservice, kündigte der Konzern Concentrix im Sommer 2024 den Abbau von 3.000 Stellen an – resultierend aus KI-basierten Chatlösungen, die 24/7 Kundenanfragen beantworten. „Das ist kein konjunktureller Rückgang, das ist struktureller Wandel“, sagte Unternehmenssprecherin Isabel Aquino gegenüber PhilStar Business.
Strategien und Handlungsempfehlungen: Wie können Städte und Unternehmen reagieren?
Damit Outsourcing-Hubs nicht in eine Abwärtsspirale geraten, braucht es eine vorausschauende Strategie: Umschulung, Diversifizierung der Wirtschaft und aktive Förderung von zukunftsfähigen Einsatzfeldern.
- Weiterbildung fördern: Programme zur digitalen Qualifizierung von Mitarbeitern – besonders in Bereichen wie KI-Training, Prompt Engineering oder Datenanalyse – müssen ausgebaut werden.
- Neue Branchenansiedlung: Städte sollten gezielt Tech-Start-ups, Forschungslabore oder Spezialanbieter im Bereich KI, Cybersecurity und Engineering fördern, um wirtschaftlich unabhängiger vom klassischen BPO-Modell zu werden.
- Humanzentrierte KI-Systeme einsetzen: Unternehmen können KI so gestalten, dass sie Menschen ergänzt statt ersetzt – z.B. durch Assistenzsysteme oder Entscheidungsunterstützung statt vollständiger Automatisierung.
Diese Ansätze benötigen jedoch politische Steuerung und Investitionsbereitschaft. Erfolgreiche Beispiele wie Tallinn oder Vilnius zeigen: Ein rechtzeitiger Umbau kann langfristig neue Chancen eröffnen.
Langfristige Perspektiven: Zwischen Automatisierungsdruck und wachsender Verantwortung
Der KI-getriebene Wandel in der Arbeitswelt ist nicht mehr aufzuhalten. Doch wie so oft hängt seine Wirkung von der Gestaltung ab. Outsourcing-Städte wie Krakau stehen an einem Scheideweg: Wenn technologische Umbrüche sozial abgefedert und strategisch genutzt werden, kann aus der Krise ein Innovationsimpuls entstehen.
Erste Ansätze einer „Smart Automation Policy“ – einer Verbindung aus wirtschaftlichen und sozialen Steuerungsinstrumenten – werden derzeit in Brüssel diskutiert. Ziel ist es, den gesellschaftlichen Wandel durch KI planbar, inklusiv und nachhaltig zu gestalten.
Wie erleben Sie den Wandel in Ihrer Region? Welche Chancen, welche Sorgen verbinden Sie mit dem Einsatz von KI im Arbeitsumfeld? Diskutieren Sie mit uns in den Kommentaren oder schreiben Sie uns Ihre Einschätzung – wir freuen uns auf einen konstruktiven Austausch!




