Die fortschreitende Verzahnung von Informationstechnologie (IT) und Betriebstechnologie (OT) stellt die Sicherheitsarchitektur moderner Rechenzentren vor neue, komplexe Herausforderungen. Als Herzstücke digitaler Ökosysteme sind sie zunehmend Ziel kritischer Angriffe – nicht nur auf Softwareebene, sondern auch auf Energieversorgung und physikalische Infrastruktur. Wie lässt sich Cyberresilienz in diesem Spannungsfeld nachhaltig stärken?
IT trifft OT: Eine doppelte Angriffsfläche entsteht
Rechenzentren zählen zur kritischen Infrastruktur und stehen in direkter Abhängigkeit von zuverlässigen OT-Komponenten wie Energieverteilern, Notstromversorgung oder Klimatisierung. Die Anbindung dieser physischen Systeme an digitale Netzwerke nimmt in Rechenzentren stetig zu – mit dem Ziel der effizienteren Überwachung, Fernwartung und Automatisierung. Doch genau diese Schnittstelle – die sogenannte IT-OT-Integration – entwickelt sich gleichzeitig zur neuen Schwachstelle.
Laut einer 2023 veröffentlichten Studie von Fortinet gaben 75 % der Betreiber kritischer Infrastrukturen an, innerhalb eines Jahres mindestens einen OT-bezogenen Sicherheitsvorfall erlebt zu haben. Besonders kritisch sind dabei hybride Angriffsformen, die über digitale Vektoren – etwa Phishing oder Malware – ins OT-System durchdringen, dort Betriebsabläufe stören oder ganze Systeme sabotieren können.
Cyberangriffe auf OT-Systeme: Ein Blick auf reale Vorfälle
Der BlackEnergy-Vorfall in der Ukraine 2015 oder Colonial Pipeline im Jahr 2021 zeigen eindrucksvoll, wie Angreifer über digitale Einfallstore in physische Infrastrukturen eindringen. In Rechenzentren könnte ein solcher Angriff nicht nur die IT-Systeme kompromittieren, sondern durch gezielte Manipulation der Stromversorgung einen Totalausfall verursachen. Bereits im Jahr 2022 warnte die Europäische Agentur für Cybersicherheit ENISA vor einer zunehmenden Konvergenz von IT- und OT-Angriffen in komplexen Infrastrukturen.
Ein besonders alarmierender Trend ist die Zunahme von Ransomware-Angriffen auf Rechenzentren, welche die Verfügbarkeit der gesamten digitalen Versorgung untergraben. Dem IBM X-Force Threat Intelligence Index 2024 zufolge zählten Rechenzentren in Europa zu den am dritthäufigsten angegriffenen Infrastrukturen im Bereich kritischer Versorgung.
Künstliche Intelligenz als Wegbereiter robuster Sicherheitsstrategien
Um in dieser neuen Bedrohungslage bestehen zu können, setzen führende Betreiber auf KI-gestützte Analytik zur Erkennung und Abwehr von Cyberbedrohungen. Machine-Learning-Algorithmen analysieren in Echtzeit Anomalien in Datenströmen, erkennen ungewöhnliches Verhalten von Sensoren oder Kontrollsystemen und schlagen adaptive Gegenmaßnahmen vor.
Beispielsweise nutzt Equinix – ein globaler Betreiber von Rechenzentren – KI-basierte Sicherheitslösungen zur frühzeitigen Erkennung von OT-bezogenen Angriffsmustern. Intel und Palo Alto Networks stellen Plattformen bereit, die IT- und OT-Telemetriedaten konsolidieren und einem gemeinsamen Bedrohungsmodell zuführen. Diese „Cyber-Resilienz-Engines“ lernen mit jeder Datenlage und verbessern über Zeit die Erkennungsrate unbekannter Bedrohungen signifikant.
Unterbrechungsfreie Stromversorgung als neuralgischer Punkt
Ein zentrales Element jedes Rechenzentrums mit OT-Bezug ist die unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV). Angriffe auf programmierbare Logikcontroller (PLCs), die für diese Systeme wesentlich sind, können massive Auswirkungen haben. Im Oktober 2023 wurde in einem europäischen Rechenzentrum durch einen kompromittierten Smart-PDU (Power Distribution Unit) ein gezielter Stromausfall verursacht – ein Hinweis, dass auch peripher scheinende Systeme ein Risiko darstellen.
Kurzfristige Ausfälle können zu drastischen Datenverlusten oder Schäden an Hardware führen. Langfristig gefährden sie die Vertrauenswürdigkeit der Betreiber und können – etwa bei Cloud-Providern – weitreichende Service-Level-Agreements verletzen.
IT-OT-Security Frameworks: Standards schaffen Sicherheit
Globale Standards wie IEC 62443 liefern klare Anforderungen für den sicheren Betrieb von Industrieanlagen mit IT-OT-Komponenten und gewinnen auch im Umfeld von Rechenzentren zunehmend an Bedeutung. Zusätzlich empfiehlt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in seiner Orientierungshilfe zu kritischen Infrastrukturen die Einführung segmentierter Sicherheitszonen, strikter Zugriffskontrollen und regelmäßiger Risikoanalysen speziell für hybride Netze.
Ein effektives IT-OT-Sicherheitsmanagement umfasst zudem eine Zero-Trust-Architektur, in der jede Kommunikation überprüft, protokolliert und analysiert wird. Dies kann etwa durch den Einsatz von softwaredefinierten Netzwerken (SDN) geschehen, die den Datenverkehr dynamisch steuern und isolieren.
Statistiken unterstreichen den Handlungsbedarf
Die zunehmende Bedrohungslage lässt sich auch mit Zahlen belegen: Laut einer IDC-Studie von 2024 planen 68 % der Rechenzentrumsbetreiber in der DACH-Region, in den kommenden 12 Monaten erheblich in die Absicherung ihrer OT-Systeme zu investieren. Gartner prognostiziert, dass bis 2026 über 60 % aller Rechenzentren eine KI-gestützte Sicherheitsarchitektur für IT-OT-Umgebungen einsetzen werden – gegenüber etwa 25 % im Jahr 2023.
Handlungsempfehlungen für Betreiber hybrider Infrastrukturen
Die Umsetzung effektiver Cyberresilienzmaßnahmen erfordert langfristige Strategie und kurzfristige Aktivität gleichermaßen. Folgende Empfehlungen unterstützen Betreiber beim Schließen von Sicherheitslücken:
- OT-Härtung durch Netzwerksegmentierung: Trennen Sie OT-Systeme physisch oder logisch von der Verwaltungs-IT, minimieren Sie unnötige Schnittstellen.
- Regelmäßige Simulation von Angriffszenarien: Führen Sie gezielte Penetrationstests und Red-Teaming-Übungen durch – auch für OT-Komponenten.
- Implementierung KI-gestützter Anomalieerkennung: Nutzen Sie maschinelles Lernen, um verdächtige Aktivitäten frühzeitig zu identifizieren und automatisch zu reagieren.
Blick nach vorn: Resilienz als Gemeinschaftsaufgabe
Cyberresilienz in Rechenzentren ist kein Zustand, sondern ein kontinuierlicher Prozess – und dieser muss sowohl technologische als auch organisatorische Dimensionen umfassen. Die erfolgreiche Integration von IT und OT ist einer der entscheidenden Prüfsteine für die Versorgungssicherheit im digitalen Zeitalter. Kooperationen zwischen Herstellern, Sicherheitsexperten und Rechenzentrumsbetreibern sind dafür ebenso notwendig wie der aktive Austausch innerhalb der Community.
Wie gehen Sie mit dem Spannungsfeld IT-OT um? Welche Tools und Methoden setzen Sie zur Absicherung Ihrer Infrastruktur ein? Teilen Sie Ihre Erfahrungen mit der Community – denn Resilienz entsteht aus kollektiver Intelligenz.




