IT-Sicherheit & Datenschutz

Die Grenze zwischen Datenschutz und Geschäftsfähigkeit: Herausforderungen für Unternehmen

Ein hell erleuchteter, moderner Büroarbeitsplatz mit einem dynamischen Team aus mehreren Personen unterschiedlicher Herkunft, die konzentriert an Laptops und Tablets zusammenarbeiten, umrahmt von großen Fenstern mit warmem Tageslicht und einem offenen, freundlichen Ambiente, das Innovation, Teamgeist und die harmonische Verbindung von Technologie und Datenschutz symbolisiert.

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hat das europäische Datenschutzrecht grundlegend verändert – mit Folgen, die insbesondere Unternehmen intensiv beschäftigen. Zwischen regulatorischen Vorgaben und wirtschaftlicher Notwendigkeit suchen Organisationen zunehmend nach praktikablen Wegen, um Innovation und Compliance in Einklang zu bringen.

Regulatorische Rahmenbedingungen: DSGVO als Game-Changer

Seit ihrem Inkrafttreten am 25. Mai 2018 sorgt die DSGVO (Verordnung EU 2016/679) für weitreichende Verpflichtungen hinsichtlich personenbezogener Daten. Unternehmen aller Größenordnungen müssen nachweisen, dass sie Datenschutz „by Design“ und „by Default“ umsetzen. Besonders für datengetriebene Geschäftsmodelle stellt das nicht nur eine juristische, sondern auch eine wirtschaftliche Hürde dar.

Bußgelder in Millionenhöhe – etwa die 1,2 Milliarden Euro gegen Meta Platforms Ireland im Mai 2023 – demonstrieren die Durchsetzungskraft der Verordnung. Laut Bericht der Europäischen Kommission zum fünften Jahrestag der DSGVO wurden bis Mai 2023 in Summe über 2,8 Milliarden Euro an Geldstrafen verhängt. Unternehmen reagieren zunehmend mit strukturellen Anpassungen, oft aber auch mit Innovationsverzicht aus Risikoaversion.

Datenschutz contra Innovationskraft: Ein Zielkonflikt?

Gerade in technologiegetriebenen Branchen wie der Künstlichen Intelligenz, der Finanztechnologie oder dem Gesundheitswesen stoßen Unternehmen häufig an die Grenzen regulatorischer Machbarkeit. Viele Use Cases – etwa die Nutzung großer Datenmengen für Machine-Learning-Modelle – sind mit DSGVO-konformer Pseudonymisierung oder Anonymisierung nur schwer umsetzbar.

Ein Beispiel liefert ein deutsche E-Commerce-Plattform, die gerne kontextbezogene Produktempfehlungen auf Basis realer Nutzungsdaten bieten wollte. Aufgrund der Unsicherheiten zur rechtlichen Zulässigkeit einer solchen Profilbildung wurde das Projekt gestoppt – trotz vielversprechender konzeptioneller Ergebnisse. Thomas Reinhardt, Datenschutzbeauftragter des Unternehmens, erklärt: „Die Auslegungsspielräume der DSGVO in Bezug auf berechtigtes Interesse sind eng und die Risiken künftiger Sanktionen oder Reputationsverluste zu schwer kalkulierbar.“

Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom aus dem Jahr 2023 sehen 67 % der befragten Unternehmen Datenschutzanforderungen als Innovationshemmnis. Gleichzeitig geben 59 % an, die Anforderungen der DSGVO erschwerten die Digitalisierung interner Prozesse erheblich.

Praxisbeispiele: So reagieren Unternehmen auf die Herausforderung

Doch es gibt auch Lösungsansätze. Die Firma adesso SE hat ein mehrstufiges Daten-Governance-Modell etabliert, bei dem bereits in der Konzeptphase neuer Projekte Datenschutzbeauftragte, Fachabteilungen und IT gemeinsam interdisziplinär agieren. Dadurch sei es gelungen, etwa ein KI-basiertes Dokumentenanalysesystem für eine Krankenkasse vollständig DSGVO-konform zu realisieren – mit datenschutzfreundlichen Aggregationsmechanismen und rollenbasiertem Zugriff.

Auch Start-ups zeigen kreative Wege: Das Berliner HealthTech-Unternehmen Lindera entwickelt KI-basierte Bewegungsanalysen für Pflegeeinrichtungen und setzt dabei vollständig auf Edge Processing – alle sensiblen Daten werden lokal verarbeitet, ohne Cloud-Anbindung. CEO Diana Heinrichs sagt: „Wir haben Datenschutz nicht als Hindernis, sondern als Innovationskatalysator verstanden.“

Zwischen gesetzlichen Anforderungen und Marktdruck: Der Drahtseilakt

Besonders internationale Unternehmen sehen sich einem Spannungsfeld unterschiedlicher Regularien ausgesetzt. Während die DSGVO vorrangig personenbezogene Daten schützt, gelten in den USA beispielsweise mit dem Cloud Act andere rechtliche Zugriffsmöglichkeiten auf Daten. Das führt nicht nur zu technischen Komplexitäten, sondern auch zur Entwicklung alternativer technischer Ansätze wie Privacy-Enhancing Technologies (PETs).

Laut Gartner werden bis 2026 über 60 % aller großen Unternehmen mindestens ein PET-Projekt implementieren, um compliancerelevante Datenverarbeitung mit Analysefähigkeiten zu verbinden. Dazu zählen Technologien wie homomorphe Verschlüsselung, föderiertes Lernen oder Differential Privacy.

Ein weiteres Beispiel bieten Unternehmen wie Siemens Healthineers, die föderiertes KI-Training für radiologische Bildanalyse einsetzen – Patientendaten bleiben lokal in Kliniken gespeichert, während Modelle zentral aus den dezentralen Updates lernen. So kann Innovation stattfinden, ohne Datenschutz zu verletzen.

Praktische Empfehlungen für mehr Handlungssicherheit und Effizienz

Die Herausforderung besteht für viele Unternehmen darin, Datenschutzanforderungen ohne signifikanten Effizienzverlust umzusetzen. Die folgenden Tipps können helfen, rechtlichen Unsicherheiten zu begegnen und gleichzeitig Spielräume innerhalb der DSGVO zu nutzen:

  • Privacy-by-Design fest verankern: Datenschutz sollte fester Bestandteil jeder Projektplanung sein, nicht nachträglich ergänzt werden.
  • Risikobasierter Datenschutzansatz: Statt Standards „überzuerfüllen“, sollten Unternehmen individuelle Datenschutz-Folgenabschätzungen nutzen, um angemessene Maßnahmen abzuleiten.
  • Datenschutz als Strategieelement stärken: Unternehmen, die Datenschutz als integralen Bestandteil ihrer Corporate Governance verstehen, erzielen oft bessere Compliance- und Geschäftsergebnisse.

Konsensbildung und regulatorische Weiterentwicklung notwendig

Die politische Diskussion über eine mögliche Weiterentwicklung der DSGVO – oder wenigstens deren Konkretisierung – ist in vollem Gange. Vorschläge wie der „Data Act“ oder die „AI Act“-Regulierung zielen auf mehr Rechtssicherheit bei datenbasierter Innovation. Auch Branchenverbände fordern mehr Guidance-Formate und eine stärkere Einbindung von Unternehmenspraktikern bei der Auslegung der Rechtsnormen.

Dr. Julia Schwanitz, Juristin und Beraterin für Technologieunternehmen, sieht den Handlungsdruck steigen: „Vor allem bei grenzüberschreitenden Datenströmen brauchen wir einheitliche Spielregeln, sonst droht ein Rückzug von Unternehmen aus europäischen Märkten – nicht wegen Datenschutz an sich, sondern wegen juristischer Unsicherheit.“

Fazit: Datenschutz und Wirtschaft müssen kein Widerspruch sein

Die DSGVO ist nicht per se ein Innovationshemmnis – doch unklare Auslegungen und Übererfüllung aus Vorsicht führen dazu, dass Unternehmen zögern, neue Wege zu gehen. Besonders Kleine und Mittelständische Unternehmen (KMU) fühlen sich überfordert. Um Fortschritt und Datenschutz zusammenzubringen, bedarf es Mut zur Gestaltung, gezielter Investitionen sowie einer regulatorischen Kultur, die Rechtssicherheit und Technologieförderung zusammendenkt.

Die Community ist gefragt: Welche Erfahrungen haben Sie im Umgang mit Datenschutzvorgaben gemacht? Welche Lösungen haben bei Ihnen funktioniert? Teilen Sie Ihre Perspektiven und lassen Sie uns gemeinsam Wege für eine wirtschaftlich wie ethisch tragfähige Zukunft finden.

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