Ein professioneller Webauftritt war lange Zeit mit Know-how in HTML, CSS und PHP verbunden – eine hohe Einstiegshürde für viele Kleinunternehmer und Selbstständige. Mit Drupal Canvas tritt nun ein visueller Page Builder auf den Plan, der dieses Paradigma infrage stellt. Ziel: mehr Menschen ohne technischen Hintergrund den Zugang zur Website-Erstellung ermöglichen.
Was ist Drupal Canvas?
Drupal Canvas ist ein neu entwickelter visueller Editor für das Content-Management-System Drupal. Offiziell vorgestellt im Rahmen der DrupalCon Portland 2024, wurde Canvas als Initiative von Acquia und der Drupal-Community auf Basis von React entwickelt. Der Page Builder integriert sich nahtlos in die Drupal-Admin-Oberfläche und bietet eine Drag-and-Drop-Oberfläche zur Erstellung von Inhalten – ohne Programmierkenntnisse.
Im Gegensatz zu bisherigen, stark konzeptionellen Aufbauten von Drupal (Stichwort: Content Types, Views, Taxonomies) setzt Canvas auf visuelle Komposition ähnlich bekannter Page Builder wie Elementor (WordPress) oder Webflow. Damit markiert die Lösung einen Paradigmenwechsel für das bislang eher entwicklerzentrierte CMS.
Funktionalitäten im Überblick
Drupal Canvas wartet mit einem modernen Editor auf, der per Komponenten-Bibliothek und Layout-Raster strukturierte Seitenaufbauten ermöglicht. Nutzer können Inhalte blockweise zusammenstellen: Texte, Bilder, Buttons, Widgets oder ganze Sektionen werden per Drag & Drop hinzugefügt. Zudem bietet Canvas responsive Design-Vorschauen, Undo-Funktionen und eine Live-Vorschau – alles direkt in der gewählten Theme-Umgebung.
Extensibilität bleibt erhalten: Entwickler können individuelle Komponenten schreiben, die dann als Blöcke im Page Builder erscheinen. Damit kombiniert Drupal Canvas Barrierefreiheit mit technischer Tiefe: Designer und Entwickler können parallel und aufeinander abgestimmt arbeiten.
Fokus auf Zugänglichkeit: Ein Gamechanger für Nicht-Techniker
Drupal galt bisher als leistungsfähig aber komplex – ein CMS für mittelgroße bis große Organisationen mit technischen Teams. Laut einer Umfrage von W3Techs (Stand: Juni 2024) nutzen weltweit nur rund 1,2 % der Websites Drupal, während WordPress über 43 % Marktanteil hält. Ein entscheidender Faktor: die niedrigere Einstiegshürde bei WordPress dank visuell orientierter Plugins wie Elementor oder WPBakery.
Mit Canvas positioniert sich Drupal erstmals deutlich nutzerfreundlicher. Wer bisher vor YAML-Dateien, Custom Modulen und Field-API zurückschreckte, kann nun ohne Vorkenntnisse aussagekräftige Seiten gestalten. Dies öffnet vor allem Selbstständigen, NGOs und kleinen Unternehmen neue Möglichkeiten.
Vergleich mit etablierten Page Buildern
Im Vergleich mit Platzhirschen wie Elementor (WordPress), Wix oder Webflow muss sich Drupal Canvas noch beweisen – doch erste Tests zeigen: Der Editor ist flüssig, intuitiv und solide integriert.
- Elementor: Marktführer im WordPress-Ökosystem mit ausgereifter UI, jedoch teils Performance-Folgen durch viele DOM-Elemente.
- Webflow: Visueller Builder mit innovativem Animationssystem und echtem No-Code-Ansatz, aber proprietär und kostenpflichtig.
- Drupal Canvas: Vollständig Open Source, stark in bestehende Drupal-Strukturen eingebunden, aufstrebend aber funktional noch im Aufbaukomplexitätsvergleich hintenan.
Ein echter Vorteil von Canvas ist die vollständige Datenstruktur-Unterstützung von Drupal: Inhalte bleiben semantisch und strukturiert abrufbar, z. B. für Headless Architekturen oder Multichannel-Ausspielung – ein Punkt, bei dem viele andere Page Builder schwächeln.
Technologie hinter dem Editor
Unter der Haube basiert Drupal Canvas auf React und nutzt die neuen UI-Frameworks aus dem Drupal Core (Layout Builder, Theme API, JSON:API). Diese enge Verzahnung ermöglicht nicht nur Performance-Optimierung, sondern auch die Einhaltung von Accessibility-Standards (WCAG 2.1), ein bislang oft vernachlässigter Aspekt bei visuellen Editoren.
Canvas folgt dem „Structured Content“-Paradigma und legt Wert auf Wiederverwendbarkeit. Inhalte sind nicht bloß frei platzierte HTML-Schnipsel, sondern echte Entitäten mit Feldstruktur – eine Stärke von Drupal, die beibehalten bleibt.
Praxisnutzen für kleine Unternehmen und Selbstständige
Für viele kleine Unternehmen ist ein professioneller Webauftritt essenziell – jedoch fehlen häufig Ressourcen für Agenturen oder Inhouse-Entwicklung. Die Einstiegskosten für Webentwicklung liegen laut Statista (2023) im Schnitt bei 2.500 € – 8.000 € für einfache Business-Websites, exklusive Wartung. Hier setzt Drupal Canvas an: Website-Bau mit geringem Budget, aber auf solider CMS-Basis und mit vollem Datenzugriff.
Ein Beispiel: Eine freiberufliche Architektin kann mit Drupal Canvas ein Portfolio erstellen, ohne sich mit Content-Modellierung auseinandersetzen zu müssen. Oder ein lokaler Gastronom, der wöchentlich wechselnde Menüs eigenständig pflegen will – Canvas erlaubt es ohne Agenturabhängigkeit.
- Praxistipp: Nutzen Sie Canvas gemeinsam mit einem vorkonfigurierten Drupal-Distribution-Paket, etwa „Drupal Quick Start“, um schneller loszulegen.
- Tipp für Selbstständige: Kombinieren Sie Canvas mit einem CRM-Modul (z. B. RedHen), um direkt Kundeninteraktionen zu verwalten.
- Für Agenturen: Setzen Sie Canvas als White-Label-Editor ein und gewähren Sie Kunden gezielte Bearbeitungsrechte.
Community-Echo und Roadmap
Die Drupal-Community zeigt sich bislang erfreut über die Entwicklung. Auf der DrupalCon Lille 2025 kündigte Lead-Maintainer Brian Perry an, dass Canvas in Drupal 11 dauerhaft Bestandteil des Core-Ökosystems werden soll. Die Entwickler planen u. a. erweiterte Media-Features, Template-Layer für Design-System-Anbindungen und verbesserte Multilingual-Funktionalität.
Laut GitHub-Repository umfasst das Projekt aktuell rund 9 Mitwirkende und wird aktiv weiterentwickelt. Ein öffentliches Beta-Feedback-Portal wurde im Oktober 2024 gelauncht – ein Zeichen für den Community-Driven-Ansatz.
Wachstumspotenzial erkennen auch Analysten: Laut einer aktuellen Studie von Allied Market Research (2024) wächst der weltweite Markt für No-Code- und Low-Code-Entwicklung bis 2028 auf 65 Milliarden USD, bei jährlich über 25 % Wachstum. Tools wie Canvas dürften maßgeblich zur Fragmentierung und Diversifizierung beitragen.
Fazit: Eine neue Ära für Drupal?
Drupal Canvas ist mehr als ein neues Modul – es markiert einen kulturellen Wandel im Drupal-Ökosystem. Der visuelle Page Builder macht das CMS endlich auch für weniger technikaffine Nutzer zugänglich, ohne seine Stärken in Strukturierung, Skalierung und Integration aufzugeben. Gerade für Kleinunternehmer, NGOs oder Freelancer entsteht eine Chance, auf einem professionellen Fundament visuell und selbstbestimmt aufzubauen.
Die Zukunft des Webdesigns gehört den Werkzeugen, die Technik greifbar machen – und Canvas dürfte hier im Drupal-Universum eine zentrale Rolle spielen. Wer sich bisher von der Komplexität von Drupal abgeschreckt fühlte, sollte diesem neuen Einstieg eine Chance geben.
Welche Erfahrungen habt ihr mit visuellen Page Buildern und Drupal gemacht? Diskutiert mit der Community in den Kommentaren und teilt eure Canvas-Projekte!




