Eine schwerwiegende Sicherheitslücke in der beliebten Fernwartungssoftware Connectwise ScreenConnect hat zuletzt für Aufsehen gesorgt. Angreifer konnten über die Schwachstelle Schadcode einschleusen und die vollständige Kontrolle über Systeme übernehmen. Was dies für Unternehmen bedeutet – und warum regelmäßige Patches keine Option, sondern Pflicht sind.
Hintergrund: Was ist Connectwise ScreenConnect?
Connectwise ScreenConnect, seit der Übernahme durch Connectwise im Jahr 2015 unter diesem Namen firmierend, gehört zu den am weitesten verbreiteten Tools für Remote Access und IT-Support. Die Software kommt weltweit in Managed Service Providern (MSPs), IT-Abteilungen und Systemhäusern zum Einsatz. Nach Angaben von Connectwise ist sie auf über 1 Million Endpunkten aktiv – eine Zahl, die das hohe Bedrohungspotenzial bei Sicherheitslücken eindrücklich unterstreicht.
Typisch für derartige Lösungen ist der direkte Zugriff auf Systeme, häufig mit erweiterten Privilegien und ohne weitere Authentifizierungsmaßnahmen über VPN oder ähnliche Sicherheitsbarrieren. Das macht diese Tools zu beliebten Zielen für Cyberkriminelle – und zu kritischen Elementen einer umfassenden Sicherheitsstrategie in Unternehmen.
Die Schwachstelle: Remote Code Execution (RCE)
Im Februar 2024 veröffentlichte Connectwise ein Security Advisory zu zwei Sicherheitslücken in ScreenConnect, darunter eine besonders kritische mit der CVE-ID CVE-2024-1709. Die Lücke betrifft die Authentifizierungsmechanismen und ermöglicht es Angreifern, beliebigen Code auf ScreenConnect-Servern auszuführen – ohne vorherige Authentifizierung.
Nach Angaben des National Vulnerability Database (NVD) erhielt die Lücke einen CVSS-Wert von 9.8 (Critical). Die betroffenen Versionen reichten bis einschließlich 23.9.7. Kunden wurden dringend aufgefordert, ein sofortiges Update auf Version 23.9.8 oder höher durchzuführen, das die Lücke schließt.
Das Potenzial für Angriffe war enorm: So konnten bösartige Akteure Remote Code Execution nutzen, um weitere Malware zu installieren, persistente Backdoors zu etablieren oder lateral im Netzwerk eines Unternehmens vorzugehen.
Auswirkungen und bekannte Angriffsversuche
Bereits wenige Tage nach der Veröffentlichung der Sicherheitslücke wurden laut Analysen von Huntress Labs und GreyNoise erste Angriffe in freier Wildbahn registriert. Global sollen über 3.000 öffentlich erreichbare, ungepatchte Instanzen betroffen gewesen sein. Insbesondere MSPs wurden ins Visier genommen – eine Gruppe mit oft weitreichenden Rechten in Kundennetzwerken.
Der Forscher Kevin Beaumont berichtete auf X (ehem. Twitter), dass Angreifer Script-basierte Backdoors sowie Ransomware über die Schwachstelle einspielten. Unternehmen, die zeitnah reagierten und das Update installierten, konnten größere Schäden abwenden. Bei verspäteter Reaktion waren allerdings Kompromittierungen kaum noch vermeidbar.
Branchenabhängige Risiken und historische Parallelen
ScreenConnect ist nicht die erste Fernwartungssoftware, deren Sicherheitsarchitektur in die Kritik gerät. Bereits 2020 missbrauchten Kriminelle eine Lücke in Kaseya VSA, um über Ransomware-Angriffe tausende Unternehmen weltweit zu treffen. Ironischerweise handelte es sich auch dort um eine Lösung, die für IT-Fernwartung konzipiert war – mit breitem Systemzugang.
Die jüngsten Vorfälle reißen somit alte Wunden innerhalb der IT-Branche auf: Wie sicher können Remote-Zugänge überhaupt gestaltet werden? Wie viel Verantwortung liegt bei Herstellern, wie viel bei Kunden? Die Antworten fallen je nach Perspektive unterschiedlich aus – vor allem aber fordern Experten eine Stärkung von Secure-by-Design-Prinzipien.
Statistiken verdeutlichen zunehmendes Risiko
Die Relevanz kann durch aktuelle Daten untermauert werden:
- Laut IBM X-Force Report 2024 nahmen kompromittierte Fernzugriffe im Jahr 2023 um 43% zu, verglichen mit dem Vorjahr.
- Ein Bericht von Coveware zeigt, dass im vierten Quartal 2023 über 20% aller Ransomware-Angriffe durch eine Schwachstelle in Fernwartungssystemen ausgelöst wurden.
Diese Zahlen verdeutlichen den systemischen Charakter des Problems – und dass Attacken über Remote Access nicht mehr als Ausnahme, sondern als Standardangriffsvektor gelten müssen.
Was IT-Verantwortliche jetzt tun sollten
Die Sicherheitslücke in ScreenConnect folgt einem branchenweiten Trend: Remote-Zugänge entwickeln sich zu Hochrisiko-Komponenten in hybriden IT-Landschaften. Unternehmen, die weiterhin auf Fernwartung setzen – sei es durch Dienstleister oder intern –, sollten die folgenden Maßnahmen erwägen:
- Priorisierung sicherheitskritischer Updates: Patch-Management-Prozesse müssen so organisiert sein, dass kritische Lücken innerhalb weniger Stunden – nicht Tage – geschlossen werden können.
- Zusätzliche Zugangskontrolle durch MFA und IP-Whitelisting: Selbst bei Zero-Day-Lücken können Angreifer an vielen Angriffspunkten gestoppt werden, wenn Multi-Faktor-Authentifizierung konsequent implementiert wird.
- Schatten-IT ausschließen: Viele RCE-Vorfälle entstehen durch nicht autorisierte oder veraltete Installationen, die IT-Abteilungen nicht kennen. Regelmäßige Netzwerkinventuren helfen, dergleichen zu identifizieren und zu eliminieren.
Herstellerverantwortung und transparente Kommunikation
Connectwise reagierte zwar schnell auf die Schwachstelle und rollte binnen 72 Stunden einen Patch aus – doch Kritik wurde dennoch geäußert. Insbesondere Kunden fehlten klare technische Details über den Umfang der Lücke, mögliche forensische Indikatoren und Hilfestellungen zur Prüfung eines eventuellen Angriffs.
Viele Unternehmen beklagten außerdem, dass automatische Updates deaktiviert waren und keine aktiven Warnmechanismen über den ScreenConnect-Client selbst eingebaut sind. Hier fordern Branchenexperten gezielte Verbesserungen: Sicherheit darf kein “extra Feature” sein – sondern muss Kernbestandteil von Produktdesign und Kundenkommunikation werden.
Fazit: Fernwartung bleibt ein zweischneidiges Schwert
Fernwartung ist aus modernen IT-Umgebungen nicht wegzudenken – doch wie die aktuelle Sicherheitslücke in Connectwise ScreenConnect zeigt, sind solche Tools auch hochsensible Risikofaktoren. Unternehmen stehen mehr denn je in der Pflicht, nicht nur ihre Infrastruktur regelmäßig zu patchen, sondern neue Wege zur Härtung ihrer IT-Infrastruktur zu gehen. Hersteller wiederum müssen aktiv dazu beitragen, Angriffsszenarien frühzeitig zu erkennen und vertrauensvoll zu kommunizieren.
Die Community ist gefragt: Wie geht Ihr Unternehmen mit Remote-Tools wie ScreenConnect um? Welche Maßnahmen haben Sie getroffen, um sich vor potenziellen RCE-Angriffen zu schützen? Diskutieren Sie mit uns in den Kommentaren!




