Künstliche Intelligenz

Kontroverse um KI-generierte Werbung: Der McDonald’s Spot im Fokus

Ein warm erleuchtetes, realistisch inszeniertes Porträt eines jungen Menschen, der entspannt bei Sonnenuntergang vor einem McDonald’s steht und mit Freunden lachend den Moment genießt, eingefangen in natürlichem Licht mit cineastischer Tiefe und freundlicher Atmosphäre.

Ein 30-sekündiger Spot entfacht eine weltweite Debatte: McDonald’s veröffentlichte kürzlich eine Werbekampagne, die vollständig mithilfe generativer KI realisiert wurde – von der Storyline über Visuals bis zur Tonspur. Der Clip spaltet die Branche: Was bedeutet es, wenn kreative Arbeit zunehmend von Maschinen übernommen wird? Der Fall zeigt, wie nah Fortschritt und gesellschaftliche Kontroverse beieinander liegen können.

Ein Spot schreibt Geschichte – und entflammt die Diskussion

Im November 2025 sendete McDonald’s erstmals eine neue TV- und Onlinekampagne, die nicht nur durch ihre Ästhetik, sondern vor allem durch ihre Entstehung für Aufsehen sorgte. Der Spot mit dem Titel „Golden Hour“ entstand vollständig in Zusammenarbeit mit einem Creative-Tech-Startup und setzte auf mehrere generative KI-Modelle: Bildmaterial wurde via Midjourney erzeugt, das Voice-Over mit ElevenLabs erstellt und der Schnitt durch Runway ML automatisiert. Auch die Musik stammte aus einem KI-Tool mit Echtzeit-Komposition.

Auf den ersten Blick erzählt der Spot eine simple Geschichte – ein Jugendlicher auf dem Heimweg stoppt bei McDonald’s, um mit Freunden den Sonnenuntergang zu genießen. Doch in Fachkreisen wurde schnell klar: Kein Mensch hielt dabei eine Kamera, niemand schrieb das Skript im klassischen Sinne. Die gesamte kreative Leitung lag bei der KI – mit menschlicher Supervision an entscheidenden Kontrollpunkten.

Kreative Evolution oder kulturelle Entwertung?

Während Technikbegeisterte den Spot als Meilenstein feiern, kamen aus der Kreativbranche auch kritische Stimmen. Regisseur und Werbefilmer Sebastian Karloff merkte in einem Interview mit Horizont an: „Wir stehen an einem Kipppunkt. KI-Kampagnen bedeuten nicht nur Effizienzsteigerung – sie entwerten auch das kulturelle und kreative Vermächtnis menschlicher Arbeit.“

Tatsächlich sprechen die Zahlen eine klare Sprache: Laut einer Umfrage des Deutschen Werberats aus dem Oktober 2025 befürworten 47 % der Marketingverantwortlichen den Einsatz generativer KI in der Konzeption, aber nur 18 % bei der vollständigen Produktion von Werbeinhalten. Die Sorge um Authentizität und kreative Integrität ist spürbar.

Was treibt McDonald’s zur KI-Werbung?

Laut internen Aussagen eines Unternehmenssprechers gegenüber Business Insider sei das Ziel der Kampagne gewesen, neue Wege auszuprobieren, wie man jüngere Zielgruppen adressieren könne: „Unsere Gen Z-Kundschaft wächst mit KI auf – ihr ist es egal, ob ein Clip von Menschen oder Maschinen produziert wurde, solange er emotional funktioniert.“ Weiter hieß es, durch den Einsatz generativer KI ließen sich Produktionskosten um bis zu 70 % senken.

Doch genau hier beginnt die Debatte: Während effizientere Kampagnen einsehbar sind, sehen Kritiker eine Ausbeutung geistigen Eigentums. Denn obwohl die KI-Tools Inhalte generierten, basieren sie auf großen Trainingsdaten, die aus frei zugänglichen – teils urheberrechtlich geschützten – Materialien stammen. Ein juristisches Graufeld, das in den USA und der EU noch nicht abschließend geregelt ist.

Öffentliche Reaktionen: Euphorie und Empörung

In sozialen Medien gingen die Meinungen weit auseinander. Unter dem offiziellen YouTube-Video des Spots sammelten sich in wenigen Tagen über 25.000 Kommentare. Während viele User die visuelle Qualität sowie die atmosphärische Dichte lobten („Besser als manches Musikvideo!“), äußerten andere ethische Bedenken. Besonders polarisiert zeigte sich die Designer-Community auf LinkedIn und X: Zahlreiche Kreative warfen McDonald’s vor, „am kreativen Prekariat zu sägen“.

Gleichzeitig zeigen erste Zahlen, dass die Kampagne effektiv war: Laut einer Auswertung von Nielsen stieg der Brand Recall unter 16- bis 24-jährigen Zuschauer:innen in den ersten zwei Wochen um 18 %, verglichen mit vorangegangenen traditionellen Spots. Auch die TikTok-Challenge, die rund um den Spot kreiert wurde, erreichte über 40 Millionen Views in nur zehn Tagen.

Die Technologie dahinter: Ein Ökosystem generativer Tools

Für den Spot kamen verschiedene KI-Werkzeuge zum Einsatz, die mittlerweile in vielen Produktionsagenturen getestet werden:

  • Midjourney v6: zum Erzeugen hyperrealistischer Szenenbilder mit stilistischer Konsistenz
  • Runway Gen-3: für videozentrierte Transformationen und Echtzeit-Komposition
  • ElevenLabs Pro: für mehrsprachige Voice-Cloning-Stimmen mit Emotionserkennung
  • Soundraw & AIVA: zur Erstellung individueller Musiktracks auf Basis von Szenenschnitt und Rhythmus

Diese Tools ermöglichen eine nahezu vollständige Automatisierung audiovisueller Werbeformate – mit überschaubarem Ressourcenaufwand und hoher Iterationsgeschwindigkeit. Für Großkonzerne wie McDonald’s ein Innovationsplus, für Kreativverbände ein Alarmzeichen.

Urheberrecht, Verantwortung und Wirtschaftlichkeit: Ein rechtliches Minenfeld

Juristisch stellt sich die Frage: Wer ist der Urheber eines KI-generierten Werks? In der aktuellen Gesetzeslage in Deutschland sowie der EU gibt es keine eindeutige Antwort. Nur natürliche Personen können Urheber im Sinne des Urheberrechts sein – Werke von Maschinen sind bislang nicht geschützt.

Eine Entscheidung des US-Copyright Office aus dem März 2023 bestätigte diese Grundhaltung: KI-generierte Inhalte ohne substanziellen menschlichen Beitrag genießen keinen Copyright-Schutz. Das birgt Risiken für Marken wie McDonald’s – denn theoretisch könnten andere den Clip remixen oder reproduzieren, ohne juristisch belangt werden zu können.

Gleichzeitig warnen Rechtsexperten wie Prof. Dr. Nina Hartmann (Uni Frankfurt) davor, KI-Kampagnen rechtlich gleichzustellen mit menschlicher Arbeit: „Solange wir nicht klären, inwieweit KI-Inputs auf fremdes Material zurückgreifen, bleibt jede großflächige Nutzung ein rechtliches Risiko.“

Empfehlungen für Unternehmen: Wie Marken mit KI in der Werbung umgehen sollten

Angesichts der aufgeladenen Debatte und des schnellen technologischen Fortschritts gelten folgende Handlungsempfehlungen für Unternehmen und Agenturen:

  • Transparenz schaffen: Offen dokumentieren, in welchem Umfang KI bei der Werbeproduktion zum Einsatz kam, stärkt Vertrauen bei Konsument:innen und Stakeholdern.
  • Juristische Begleitung einbeziehen: Vor jeder Veröffentlichung KI-generierter Werke sollten Urheberrechte, Lizenzvereinbarungen und Haftungsfragen geklärt werden.
  • Hybride Kreativprozesse fördern: KI als kreativen Assistenten statt vollständigen Ersatz einsetzen – menschliche Kontrolle bietet gleichzeitig Schutz und Qualität.

Langfristige Auswirkungen auf die Kreativindustrie

KI-basierte Werbung wird keineswegs verschwinden – im Gegenteil. Der Markt entwickelt sich dynamisch: Laut einer Prognose von PwC (Juni 2025) wird bis 2030 rund ein Drittel aller digitalen Werbeinhalte ohne klassische Dreh- und Schnittprozesse produziert werden. Generative KI gilt dabei als „Game-Changer für die Content-Produktion“.

Doch diese Entwicklung birgt auch soziale Folgen: Kreativberufe könnten weiter unter Preisdruck geraten, besonders im unteren und mittleren Einkommenssegment. Designer:innen, Kameraleute oder Komponist:innen müssen sich zunehmend auf konzeptionelle oder kuratorische Aufgaben verlagern – sofern sie im Ökosystem bleiben wollen.

Daher fordern Branchenverbände wie der ADC Deutschland stärkere allgemeine Bildung zu KI-Kompetenzen im kreativen Sektor sowie Förderprogramme für kreative Digitalisierung.

Fazit: Zwischen Innovation und Identitätsverlust

Der McDonald’s-Spot markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der Werbung. Getrieben durch technologischen Fortschritt, flankiert von wirtschaftlichen Interessen – aber auch begleitet von berechtigten Fragen nach Ethik, Originalität und kulturellem Wert.

Für Marken ist KI-Werbung Chance und Risiko zugleich: Wer sie verantwortungsvoll einsetzt, kann neue kreative Horizonte erschließen und effizienter arbeiten. Wer aber blindlings auf Automatisierung setzt, riskiert nicht nur rechtliche Scherben, sondern auch den Vertrauensverlust seiner Kundschaft.

Wie bewerten Sie den Einsatz von KI in der Werbung? Diskutieren Sie mit der Tech-Community in unserem Forum oder teilen Sie Ihre Perspektive unter dem Hashtag #KIundKreativität.

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