Die Zukunft der Cloud ist nicht länger monolithisch – wer heute auf reine Single-Cloud-Architekturen setzt, arbeitet gegen den Branchentrend. Mit den neuen Multicloud-Netzwerkdiensten von AWS und Google Cloud beginnt eine neue Phase der Cloud-Konnektivität, die Datensouveränität, Latenzreduktion und Sicherheit in einem bisher unerreichten Maß verspricht.
Was sind Multicloud-Netzwerkdienste?
Multicloud-Netzwerkdienste (MCN) ermöglichen es Unternehmen, netzwerkseitig mehrere Public-Cloud-Anbieter sicher, performant und konsistent zu verbinden. Dabei geht es nicht nur um klassische Vernetzung, sondern vor allem um Policy-Management, Zero-Trust-Sicherheit, Traffic-Optimierung und Compliance über heterogene Cloud-Plattformen hinweg.
Google Cloud und AWS gehören zu den Treibern dieses Konzepts. Erst im dritten Quartal 2025 haben beide Anbieter neue Dienste vorgestellt, die eine optimierte, direkte Verbindung über ihre Cloud-Plattformen hinweg ermöglichen, ohne dass Kunden ihre Daten mehrfach routen, verschlüsseln oder in komplexen Setups migrieren müssen. Dabei kommen Weiterentwicklungen wie Google Cloud Cross-Cloud Interconnect (CCI) und AWS CloudWAN Next zum Einsatz.
Die neuen Dienste im Vergleich
Während Google Cloud mit Cross-Cloud Interconnect einen direkten Layer-3-Verbindungspfad zwischen Google Cloud VPCs und anderen Public Clouds schafft, geht AWS mit CloudWAN Next einen Schritt weiter: Die Plattform integriert physische, logische und Sicherheitsrichtlinien in einem zentralisierten Kontrollpunkt, der sich über mehrere Regionen und Cloudanbieter erstreckt.
Beide Anbieter ermöglichen dabei:
- Niedrigere Latenzen durch direkte Peering-Punkte
- Höhere Sicherheit durch native Verschlüsselungsmechanismen
- Zentralisiertes Management mit Richtlinien auf Applikationsebene
- Hohe Ausfallsicherheit durch globale Redundanz
IT-Architekten und DevOps-Verantwortliche verspricht das erhebliche Effizienzsteigerungen. Unternehmen wie Deutsche Telekom, Siemens Digital Industries oder Capgemini berichten von einer Reduktion interner Latenzen um über 40 % beim Einsatz der neuen Dienste gegenüber bisherigen MPLS- oder SD-WAN-Lösungen – wie in einem von Forrester Consulting 2025 durchgeführten Bericht genannt.
Neue Mitspieler auf dem Multicloud-Parkett
Spannend ist, dass zunehmend spezialisierte Anbieter als Vermittler auftreten. Das US-Unternehmen Alkira etwa bietet eine Plattform, die nahtlose Multicloud-Netzwerke über alle großen Hyperscaler hinweg orchestriert. Dabei setzt Alkira auf Netzwerkvirtualisierung, segmentbasierte Sicherheit und eine No-Code-Oberfläche zur Konfiguration hybrider Topologien.
Zudem unterstützt das Start-up Nefeli Networks seit 2024 Cloud-native Netzwerkinfrastrukturen, die serverless betrieben, automatisch skaliert und über eine zentralisierte API steuerbar sind – ganz gleich, ob in Azure, AWS oder Google Cloud gehostet. Diese Anbieter schließen eine wichtige Lücke zwischen traditionellen Cloud-Konnektoren und modernen API-first-Architekturen.
Statistisch zeigt sich die zunehmende Relevanz: Laut einer IDC-Prognose von Oktober 2025 nutzen bereits 78 % der Unternehmen mit über 2000 Mitarbeitenden mindestens zwei Cloud-Anbieter produktiv – 2021 waren es erst 49 %.
Ein Blick auf Architektur und Sicherheit
Die neuen Multicloud-Dienste bringen auch Architekturebenen näher zusammen, die zuvor abgeschottet waren. So lässt sich über AWS CloudWAN Next ein konsistentes Routing mit integrierter Segmentierung definieren, das vollständig Zero-Trust-fähig ist. Google wiederum bietet mit dem eigenen Assured Workloads-Programm und CCI eine Lösung, die branchenspezifische Compliance-Vorgaben (z. B. DSGVO, HIPAA, BSI C5) explizit berücksichtigt.
Das bedeutet: Daten dürfen sich nur innerhalb definierter Regionen bewegen, Nutzer-Policies greifen unabhängig vom Standort, und Verschlüsselungs-Keys bleiben stets unter Kontrolle des Kunden („Customer-Managed Keys“).
Ein praktisches Beispiel liefert die Otto Group: Sie nutzt seit Mitte 2025 eine kombinierte Architektur mit Google als Data Lake-Plattform und AWS als KI/ML-Backend. Über einen zentralen MCN-Hub von Alkira werden API-Zugriffe, Traffic-Flows und Richtlinien laufend überwacht – mit einer Verfügbarkeitsgarantie von über 99,98 %.
Das bringt folgende Vorteile:
- Reduktion der internen API-Latenz unter 15 Millisekunden
- Zentralisiertes Security-Event-Monitoring über alle Clouds
- Datenresidenz durch regionale Trennung gesichert
Allerdings entstehen auch neue Risiken: Die Komplexität nimmt messbar zu, und viele Unternehmen unterschätzen den nötigen Kompetenzaufbau in Bezug auf MCN-Architekturen, IAM-Konzepte und Netzwerkinfrastruktur-Security.
Gartner geht davon aus, dass bis 2027 rund 60 % der Multicloud-Projekte in Unternehmen an mangelnder Governance scheitern könnten, wenn keine einheitliche Netzwerkabstraktion erfolgt.
Marktveränderungen: Wer bewegt den Multicloud-Markt?
Die Positionierung von Google und AWS ist strategisch: Beide wollen über Netzwerkdienste hinaus zum Backbone vernetzter Unternehmensplattformen werden. Gleichzeitig verlieren Anbieter von klassischen Enterprise-SDNs und Colocation-Rechenzentren an Bedeutung – ihre Modelle basieren oft noch auf statischer VPN-Architektur oder Hardware-Routing.
Die größten Gewinner in diesem Wandel dürften jene Unternehmen sein, die entweder:
- ihre Applikationen konsequent Cloud-native entwickeln,
- interne Teams für hybride Netzwerkszenarien ausbilden oder
- Cloud Interconnects nicht isoliert, sondern als Plattformdenken umsetzen.
Zudem könnten sich neue Partnerschaften ergeben: Laut einem Leak aus dem Cloud Infrastructure Summit Europe 2025 strebt Oracle eine technische Kooperation mit Google an, um eigenen Kunden Zugriff auf CCI-Endpunkte zu gewähren. Die Integration von Oracle Cloud Infrastructure (OCI) in ein Multicloud-Backbone wäre ein disruptives Szenario – quasi ein „Cloud-Netzwerk-BIOS“.
Handlungsempfehlungen für Entscheider
Unternehmen, die strategisch auf Multicloud bauen wollen, sollten jetzt beginnen, ihre Netzwerkinfrastruktur neu zu denken. Folgende Maßnahmen sind ratsam:
- Netzwerktopologien evaluieren: Welche Anwendungen befinden sich wo, mit welchen Performance- und Latenzanforderungen?
- MCN-Plattformen testen: Anbieter wie Alkira, Cato Networks oder Aviatrix bieten kostenlose Proofs of Concept für hybride Setups.
- Security-by-Design etablieren: IAM, Netzwerksegmentierung und Observability müssen Teil bereits der Architekturphase sein.
Parallel sollten Unternehmen eine Cloud-Governance-Strategie aufsetzen, die neben herkömmlichen ITSM-Themen auch Netzwerkressourcen, IP-Adressräume, Zugriffsrichtlinien und Compliance-Konfigurationen explizit einschließt.
Fazit: Multicloud als Netzwerkkatalysator
Multicloud-Netzwerkdienste markieren einen Paradigmenwechsel: Weg von statischen Cloud-Connects, hin zu dynamischen, policy-gesteuerten Interconnects zwischen Applikationen, Plattformen und Data Pipelines. Wer früh auf die neuen Technologien wie AWS CloudWAN Next oder Google CCI setzt, kann nicht nur die Performance steigern, sondern auch Sicherheit und Governance konsolidieren.
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