Quantencomputer stehen am Wendepunkt ihrer praktischen Anwendbarkeit – und mit ihnen beginnt ein neues Kapitel für Rechenzentren weltweit. Die Technologie verspricht exponentielle Rechenleistung, stellt jedoch völlig neue Anforderungen an Infrastruktur, Sicherheit und Energieversorgung. Dieser Artikel beleuchtet, wie Co-Location-Services, physische Umgebungen und Betreiberstrategien sich anpassen müssen, um für das kommende Quantenzeitalter gerüstet zu sein.
Quantenrevolution: Eine neue Ära der Datenverarbeitung
Seitdem Unternehmen wie IBM, Google, Intel und Rigetti in die Entwicklung von Quantencomputern investiert haben, sind Erwartungen und Forschungsfortschritte gleichermaßen rasant gestiegen. Während Googles Forschungsteam 2019 von einem sogenannten „Quantum Supremacy Moment“ sprach – dem Beweis, dass Quantencomputer klassische Maschinen bei bestimmten Aufgaben übertreffen können –, befindet sich die Industrie 2025 an einem Wendepunkt. Führende Unternehmen wie IBM kündigten an, bis 2026 Systeme mit über 4000 Qubits bereitzustellen. Das Quantum-System Two mit 1121 Qubits, vorgestellt 2023, gilt als Meilenstein (Quelle: IBM Quantum Roadmap).
Doch die Herausforderung liegt nicht nur in der Rechenleistung. Die Integration in bestehende IT-Infrastrukturen bringt Rechenzentren an ihre architektonischen, thermischen und sicherheitstechnischen Grenzen. Mit steigender Praxisrelevanz rückt die Frage in den Fokus: Wie müssen Rechenzentren aussehen, die Quantenhardware zuverlässig betreiben und zugänglich machen können?
Extreme Umweltanforderungen: Mehr als nur Rackspace
Im Gegensatz zu klassischen Servern benötigen Quantenprozessoren spezialisierte Betriebsbedingungen. Superleitende Qubits, die bislang am weitesten verbreitete Technologie, benötigen Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt (0,015 Kelvin) – realisiert durch aufwendige Kryokühlsysteme. Systeme wie Dilution Refrigerators sind empfindlich gegen äußere Vibrationen, elektromagnetische Störungen und sogar minimale Temperaturfluktuationen. Die dafür notwendigen Maschinen wiegen teils mehrere Tonnen und benötigen einen gesicherten, schwingungsisolierten Standort.
Dies stellt Co-Location-Anbieter vor enorme Herausforderungen:
- Gebäudestrukturen müssen spezielle Schwingungsdämpfer und Isolierungen enthalten.
- Die lokale Energieversorgung muss Lastspitzen für kryogene Technik und Lasersysteme flexibel und redundant abdecken können.
- Die Luftfeuchtigkeit und elektromagnetische Umgebung benötigen kontinuierliches Monitoring.
Forscher der TU München entwickelten 2024 ein Konzept für das weltweit erste modulare Quanten-Colocation-Rack, das kryogene Systeme, Photonik und klassische Steuerungslogik in einem abgeschotteten Compound zusammenführt. Noch handelt es sich um Pilotprojekte, aber laut dem Branchenverband Bitkom gehen 22 % der Rechenzentrumsbetreiber 2025 davon aus, innerhalb der kommenden 10 Jahre Quantenmodule integrieren zu müssen (Quelle: Bitkom-Studie „Quanteninfrastruktur 2025“).
Der Sicherheitsfaktor: Wenn Verschlüsselung neu gedacht werden muss
Ein weiterer kritischer Faktor ist die Sicherheit im Zeitalter des Quantencomputers. Aktuelle asymmetrische Verschlüsselungsverfahren wie RSA oder ECC gelten als durch Shor’s Algorithmus theoretisch lösbar – ein drastisches Risiko für IT-Sicherheit, sobald Quanten-Hardware massentauglich wird.
Das National Institute of Standards and Technology (NIST) veröffentlichte daher bereits im Juli 2022 erste Standards für sogenannte Post-Quantum-Kryptografie (PQC). Anbieter von Rechenzentren und Colocation-Services müssen sich intensiv mit der Migration von Schlüsselsystemen, digitalen Zertifikaten und Transportverschlüsselungen befassen – und das bei gleichzeitig reifender, aber noch nicht voll erprobter PQC-Software.
- Empfehlung: Rechenzentrumsbetreiber sollten schrittweise Hybridlösungen etablieren, die klassische mit PQC-Verfahren kombinieren.
- Regelmäßige Audits kryptografischer Systeme und Kommunikation zwischen physischer und virtueller Quantenumgebung sind unverzichtbar.
- Aufbau einer PQC-kompatiblen DevSecOps-Pipeline bereits heute zahlt sich langfristig aus.
Laut Gartner werden bis 2030 über 20 % aller Unternehmen ihre Sicherheitsstrategien auf quantensichere Infrastrukturen umstellen müssen (Gartner Tech Trend Report 2024). Besonders bei Finanzdienstleistern und Behörden steigt der Handlungsdruck rapide.
Infrastruktur-Upgrade: Vom klassischen Datacenter zum Quantum-Node
Die Integration von Quantencomputern erfordert eine Kombination aus High-Performance-Computing (HPC), optischer Konnektivität und klassischen Steuerungsclustern. Da heutige Quantenprozessoren nur durch komplexe klassische Systeme angesteuert und ausgelesen werden können, bleiben hybride Architekturen auf absehbare Zeit die Norm.
Ein Beispiel: Das Fraunhofer-Kompetenzzentrum Quantencomputing Südwest betreibt seit 2023 ein Quantensystem von IBM in einem speziell aufgerüsteten Rechenzentrum in Ehningen. Hier wurden folgende Infrastrukturmaßnahmen umgesetzt:
- Integration einer 20-Tonnen-Kühlanlage mit redundanter Stromführung
- Spezielle Kabelkanäle und Glasfasern für Quantensignale (niedriger Jitter, hohe Isolation)
- Trennung physischer Netzwerkinfrastrukturen zwischen klassischer IT und Quantensteuerung
Auch Glasfaser-Infrastrukturen müssen angepasst werden. Quantenkommunikation über verschränkte Photonen (Quantum Key Distribution, QKD) erfordert verlustarme Verbindungspfadstrukturen – ein Bereich, den insbesondere Telekommunikationsanbieter wie Deutsche Telekom und Orange derzeit pilotieren.
Wichtig ist: Die Quantencomputer der nahen Zukunft arbeiten nicht als Ersatz, sondern als Ko-Prozessoren klassischer Systeme – und dies erfordert ein vollständiges Re-Denken von Rack-Layouts, Stromverteilung, Luftführung und Netzwerkdesigns.
Marktdynamik und wirtschaftliche Perspektiven
Die Quantenindustrie ist längst kein reines Forschungslabor mehr. Laut McKinsey wird der Markt für Quantencomputing bis 2035 ein Volumen von bis zu 1 Billion US-Dollar erreichen, wobei bereits bis 2030 etwa 500 Milliarden in Anwendungen der Chemie, Materialforschung und Optimierung realisierbar sind (Quelle: McKinsey Quantum Technology Monitor, Q1 2025).
Dies hat direkte Auswirkungen auf Hosting-Anbieter und Hyperscaler. Microsoft, AWS und Google Cloud bieten bereits Zugang zu physischen Quantencomputern via API oder Hybrid-Cloud-Schnittstellen. Lokale Rechenzentrumsbetreiber in Europa kooperieren mit Startups wie IQM oder Pasqal, um Infrastrukturen für On-Premises-Quantensysteme zu schaffen. Die Nachfrage steigt insbesondere in Sektoren mit hohem Rechenbedarf und Sicherheitsanforderungen – etwa Pharma, Luftfahrt, Finanzwesen und Logistik.
Strategische Handlungsempfehlungen für Datacenter-Betreiber
Praktische Vorbereitung auf das Quantenzeitalter bedeutet Investitionen, aber auch klare Priorisierung. Drei Empfehlungen lassen sich aus der aktuellen Marktlage ableiten:
- Frühzeitige Standortanalyse starten: Identifizieren Sie innerhalb Ihrer Standorte mögliche Areale, die sich für Quantenmodule eignen – unter Einbeziehung von Bodenbeschaffenheit, Stromversorgung, Temperaturprofil und Sicherheitszonen.
- Testumgebungen mit Co-Innovationspartnern aufbauen: Suchen Sie Kooperationen mit Universitäten, Quanten-Startups oder staatlichen Förderprogrammen (z. B. „QuNET“ in Deutschland), um Pilotflächen zu erproben.
- Quantum-Readiness Roadmap entwickeln: Definieren Sie in einer eigenen Strategieabteilung Ihre Migrationsschritte für Netzwerk, Kühlung, Zertifikate, Backup und IT-Governance im Kontext von Quantencomputing.
Fazit: Rechenzentren als Brücke zum Quantenzeitalter
Quantencomputer markieren den Aufbruch in eine neue Leistungsdimension. Doch ihr Einsatz erfordert nicht weniger als eine infrastrukturelle Revolution innerhalb der Rechenzentrumswelt. Was bisher in traditionellen Racks über Jahre gereift ist, muss nun für vibrierende Kryostate, fotonische Netzwerke und hybride Cloud-Strukturen neu gedacht werden. Wer frühzeitig in Technologien, Partnerschaften und Standards investiert, positioniert sich als Wegbereiter einer disruptiven Technologie mit enormem Wachstumspotenzial.
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