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Rechenzentren und ihre regionale Wirtschaftsbedeutung: Ein Fallbeispiel Frankfurt Rhein-Main

Ein strahlendes, realistisch eingefangenes Stadtpanorama von Frankfurt am Main bei klarem Tageslicht, das moderne Rechenzentren und urbanes Umfeld harmonisch verbindet, während warme Sonnenstrahlen die Fassaden beleuchten und so eine einladende Atmosphäre für das digitale Herz der Rhein-Main-Region schaffen.

Die Region Frankfurt Rhein-Main ist bekannt als einer der bedeutendsten Rechenzentrumsstandorte Europas. Doch trotz eines stetigen Wachstums der Rechenzentrumsdichte bleibt der lokale wirtschaftliche Mehrwert begrenzt. Warum entfalten diese digitalen Kraftwerke ihr Potenzial nicht stärker für die regionale Volkswirtschaft – und wie könnte sich das in Zukunft ändern?

Digitale Knotenpunkte mit globaler Bedeutung

Frankfurt am Main zählt international zu den wichtigsten Internet-Hubs. Nicht zuletzt durch den DE-CIX, den größten Internetknoten der Welt, kommen Anbieter aus aller Welt in die Region, um ihre Infrastruktur nahe an den Datenströmen zu betreiben. Über 60 Rechenzentren mit mehr als 200.000 Quadratmetern IT-Fläche gibt es aktuell im Großraum Frankfurt (Quelle: Borderstep Institut, 2024). Die Investitionen in neue Rechenzentren steigen kontinuierlich, allein 2023 wurden über 1,4 Milliarden Euro für neue Anlagen in Frankfurt verzeichnet (Digital Realty).

Diese Ballung macht Frankfurt zum digitalen Nervenzentrum Deutschlands. Internationale Unternehmen, Cloud-Provider und Hyperscaler wie Amazon Web Services (AWS), Google Cloud, Microsoft Azure und Meta sind präsent oder bauen ihre Kapazitäten gezielt aus. Trotz dieser beeindruckenden Präsenz bleibt die ökonomische Wirkung auf die lokale Wirtschaft überraschend moderat.

Wirtschaftlicher Einfluss: Warum die Effekte oft verpuffen

Rechenzentren erzeugen hohe Investitionsvolumina und sichern eine Vielzahl an direkten und indirekten Arbeitsplätzen – theoretisch. In der Praxis ist der Effekt in Regionen wie Frankfurt Rhein-Main begrenzt. Der Grund: Die Betriebsphase eines Rechenzentrums ist stark automatisiert. Nach der Bauphase – in der vor allem globale Generalunternehmer mit überregionalen Arbeitskräften agieren – sinkt der Personalbedarf erheblich. Studien zeigen, dass große Hyperscaler-Standorte oft mit weniger als einem Dutzend Technikern operieren (Uptime Institute, 2023).

Hinzu kommt das Problem der eingeschränkten lokalen Wertschöpfung. Die Betreiber sind meist international ausgerichtet, Entscheidungen werden zentral gefällt, Gewinne abgeführt. Lokale Zulieferer spielen im Errichtungsprozess zunehmend eine untergeordnete Rolle, insbesondere bei schlüsselfertigen Datacenter-Projekten. Kommunale Wertschöpfung wird darum nur in sehr begrenztem Umfang erzielt.

Zwischen Stromlast und Stadtbild – die infrastrukturelle Belastung

Der massive Ausbau von Rechenzentren belastet zugleich die lokale Infrastruktur. In Frankfurt wurden 2023 rund 1.300 Megawatt Stromkapazität für bestehende und geplante Rechenzentren geblockt – ein Vielfaches des Verbrauchs mancher Stadtteile (Quelle: Stadt Frankfurt, Amt für Bau und Immobilien). Zudem werden städtebauliche Flächen knapp. Das stellt Kommunen vor Zielkonflikte: Während mehr Rechenzentren wirtschaftliche Dynamik suggerieren, fehlt es an Gewerbeflächen für lokal gebundene KMU oder bezahlbarem Wohnraum.

Auch die Aspekte der Netzstabilität, Abwärmenutzung und nachhaltigen Energieversorgung sind noch nicht geklärt. Die Verstromung erfolgt überwiegend über fossile Energien. Umweltverbände werfen der Branche Greenwashing und mangelnde regionale Verantwortung vor. Diese Konflikte werden insbesondere in hochverdichteten Regionen wie Rhein-Main besonders sichtbar.

Strategien für ökonomisch stärkeren Nutzen

Trotz dieser Herausforderungen bieten Rechenzentren durchaus Möglichkeiten, lokalwirtschaftlich wirksamer zu sein – sofern regulatorische, planerische und unternehmerische Weichen entsprechend gestellt werden. Einige Städte in Europa machen es vor: In Amsterdam, Paris und Dublin existieren Modelle, bei denen Datacenter verpflichtet werden, in lokale Energie- oder Stadtkonzepte integriert zu sein.

Für Frankfurt Rhein-Main bieten sich folgende Handlungsempfehlungen an:

  • Kooperation mit Stadtwerken und Wärmenetzen: Die systematische Einspeisung überschüssiger Rechenzentrums-Abwärme in kommunale Fernwärmesysteme kann zu einem Gamechanger werden. Pilotprojekte wie in Berlin-Adlershof oder Stockholm zeigen, dass dies technisch möglich und ökologisch wie ökonomisch sinnvoll ist.
  • Stärkere Ansiedlung komplementärer Branchen: Rechenzentren können als Magnet für KI-Start-ups, Managed Service Provider, HPC-Anbieter und spezialisierte Softwarehäuser dienen – aber nur, wenn gezielte Förder- und Ansiedlungsstrategien lokale Cluster bilden.
  • Regionales Vergabemodell und Community-Benefit-Projekte: Kommunen könnten Flächen bevorzugt an Rechenzentren vergeben, die einen messbaren lokalen Mehrwert nachweisen – etwa durch Ausbildungsplätze, Infrastrukturbeiträge oder Bürgerfonds.

Digitale Allianz stärken: Die Rolle der Politik

Auf Länderebene wird inzwischen reagiert. Das Land Hessen veröffentlichte 2023 ein Positionspapier zur nachhaltigen Entwicklung der Rechenzentrumswirtschaft. Darin wird eine stärkere Verknüpfung von Digitalisierung und kommunalem Nutzen gefordert. Auch die Bundesregierung plant mit dem Energieeffizienzgesetz (EnEfG), Rechenzentren verpflichtend in nachhaltige Architektur- und Energiekonzepte einzubinden.

Doch der Weg zu einer starken regionalen digitalen Wertschöpfung ist lang. Fachkräftemangel, harmonisierte EU-Regulierungen und internationale Standortkonkurrenz erschweren eine dezidiert regionale Strategie. Umso wichtiger ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Kommunen, Energiemanagern, Planern, Rechenzentrumsbetreibern, Universitäten und Anwohner:innen.

Fazit: Lokaler Hebel für digitale Infrastruktur?

Die wirtschaftlichen Potenziale von Rechenzentren sind unbestritten – doch sie wirken lokal bislang zu zaghaft. Das Beispiel Frankfurt verdeutlicht, dass eine smarte Integration in die Stadtentwicklung, Wirtschaftsförderung und Energieplanung entscheidend ist. Die technologische Infrastruktur der Zukunft muss nicht nur skalieren, sondern Rückkopplung in die Region erzeugen.

Statt bloßer Flächenvergabe braucht es innovative Bündnisse und mutige Regulierung. Nur dann gelingt es, aus Datentresoren echte digitale Wertschöpfungszentren für die Gesellschaft zu machen. Die Community ist gefragt: Welche Strategien brauchen wir, um Frankfurt vom Transitknoten zum digitalen Innovationsraum zu formen?

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