Mit 500 Megawatt Leistung entsteht im spanischen Badajoz eines der größten KI- und HPC-Datenzentren Europas. Die Milliardeninvestition gilt als technologischer Meilenstein für die europäische Digitalstrategie und könnte die geopolitische KI-Landschaft nachhaltig verändern.
Ein Mega-Projekt für eine neue Ära digitaler Infrastruktur
Die westspanische Region Extremadura, bislang vor allem für Landwirtschaft und erneuerbare Energien bekannt, steht vor einem tiefgreifenden Wandel: In der Nähe von Badajoz entsteht ein KI-Datenzentrum der Superlative. Hinter dem Projekt steht das amerikanisch-spanische Joint Venture „Infinity AI Systems S.L.“, das über 6,6 Milliarden Euro in den Bau eines hochmodernen, 500 MW starken Rechenzentrums investieren will. Ziel ist es, eine der leistungsfähigsten Infrastrukturen für Künstliche Intelligenz (KI) und High Performance Computing (HPC) in Europa zu errichten.
Zum Vergleich: Die derzeit größten europäischen Rechenzentren operieren meist im Bereich zwischen 100 und 200 MW. Mit 500 MW nimmt das Projekt in Badajoz eine neue Größenordnung ein – auch im globalen Maßstab. Der symbolträchtige Standort soll zur Drehscheibe für KI-Entwicklung, Rechenleistung und Speicherkapazitäten in ganz Südeuropa werden.
Strategische Bedeutung für Europa
Die Initiative ist nicht nur ein wirtschaftliches Großvorhaben, sondern auch Teil einer europäischen Technologiestrategie: Europa strebt danach, im globalen Rennen um Künstliche Intelligenz und souveräne digitale Infrastruktur unabhängiger von außereuropäischen Anbietern zu werden. Insbesondere im Bereich der Hochleistungsrechenzentren liegt Europa laut Angaben der European HPC Joint Undertaking (EuroHPC JU) derzeit hinter den USA und China zurück. Doch das ändert sich.
Laut dem Digital Economy and Society Index der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2023 nutzen mittlerweile über 72 % der Großunternehmen in der EU Cloud-Computing-Lösungen – 23 % davon setzen auf KI-basierte Anwendungen. Der Bedarf an Infrastruktur für rechenintensive Prozesse wächst täglich, von generativer KI über Simulationen in der Medikamentenentwicklung bis zu Klimamodellierung.
Genau hier setzt das Projekt in Badajoz an: Durch seine Größe wird es Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Behörden eine konkurrenzfähige Plattform bieten, um europäische KI-Lösungen zu bauen und skalieren zu können – ohne auf US-Cloud-Dienste wie AWS, Azure oder Google Cloud angewiesen zu sein.
Was hinter dem High Performance Computing steckt
High Performance Computing (HPC) bezeichnet Systeme mit extrem hoher Rechenleistung, typischerweise durch die Koppelung vieler tausend Prozessoren. Solche Systeme ermöglichen es, komplexe Probleme zu analysieren – etwa bei Wettervorhersagen, Optimierung von Logistikketten oder KI-Trainingsprozessen. In Verbindung mit Large Language Models (LLMs) wie GPT-4 oder wissenschaftlicher Deep-Learning-Forschung ist HPC die technische Grundlage moderner KI.
Das Zentrum in Badajoz soll nach Aussagen der Betreiber mit neuester NVIDIA- und AMD-Beschleunigertechnologie sowie einer Hochleistungsnetzwerkinfrastruktur (voraussichtlich based on InfiniBand) ausgestattet werden. Speichertechnisch wird auf skalierbare NVMe- und exabytefähige Speicherlösungen gesetzt. Damit ist das Zentrum in der Lage, sowohl klassische HPC-Prozesse als auch transformative KI-Modelle zu unterstützen. Lokale Kühlungskonzepte mit Wasser- und Luftsystemen sowie Nutzung regenerativer Energie machen es zudem zu einem der nachhaltigsten Zentren seiner Klasse.
Ein bemerkenswerter Fakt lautet: Laut der International Data Corporation (IDC) wächst der weltweite HPC-Markt mit einer jährlichen Wachstumsrate von 7,8 % und könnte 2027 ein Volumen von über 70 Milliarden US-Dollar erreichen. Ein immenses Potenzial für Anbieter und Nutzer in Europa.
Nachhaltigkeit als fundamentaler Bestandteil
Anders als bei früheren Hyperscale-Projekten liegt in Badajoz ein besonderer Fokus auf ökologischer Verträglichkeit. Das Projekt verspricht, zu 100 % mit Energie aus erneuerbaren Quellen betrieben zu werden – primär aus der Sonne Extremaduras. Ein angrenzender Solarpark mit über 1000 Hektar Fläche sowie die Anbindung an neue Gleichstromautobahnen sollen eine stabile, emissionsarme Stromversorgung garantieren.
Darüber hinaus ist eine enge Partnerschaft mit regionalen Netzanbietern vorgesehen, um Lastspitzen intelligent zu steuern und den Strombedarf ökologisch optimiert anzupassen. Auch das Thema Abwärme wird nicht ignoriert: Ein Teil der entstehenden Prozesswärme soll für lokale Agrarprojekte nutzbar gemacht werden – ein innovativer Ansatz zur Kreislaufwirtschaft im Rechenzentrumsumfeld.
Diese Aspekte sind entscheidend, denn laut einer Studie von Uptime Institute Global Data Center Survey 2023 verursachen Rechenzentren aktuell rund 1,5–2 % der globalen CO₂-Emissionen – Tendenz steigend. Umso wichtiger ist es, bei neuen Projekten die Weichen frühzeitig auf Nachhaltigkeit zu stellen.
Chancen für Forschung, Wirtschaft und Start-ups
Nicht nur große Industrieunternehmen sollen von der Investmentoffensive profitieren. Das Zentrum wird auch eine Infrastruktur für Universitäten, europäische Forschungsprojekte und Start-ups im KI-Bereich anbieten. In Zusammenarbeit mit lokalen Technologiestandorten in Madrid, Sevilla und Lissabon sollen regionale Kompetenzzentren entstehen: mit Zugang zu GPUs, Rechenzeit, Storage und Frameworks für Machine Learning und Deep Learning.
Ein geplanter „AI Campus“ vor Ort wird Co-Working-Räume, Innovationslabore und Veranstaltungsflächen bieten – als Inkubator für neue Ideen und Anwendungsszenarien von generativer KI bis Edge Computing. Damit wird das Zentrum auch zum Innovationsmotor für ganz Südeuropa.
Ein Quantensprung für Europas KI-Autonomie
Das Badajoz-Zentrum passt ideal zur neuen europäischen Digitalstrategie, die technologische Souveränität in Bezug auf KI, Chips und Cloud-Plattformen betont. Die EU investiert mit dem Chips Act, dem KI-Gesetz und Infrastrukturprogrammen wie Digital Europe gezielt in die Förderung von Schlüsseltechnologien. Doch Infrastruktur allein reicht nicht – es braucht auch Know-how, Software, regulatorische Sicherheit sowie marktfähige Innovationen. Projekte wie jenes in Extremadura bieten all dies in Verbindung.
In einer von geopolitischen Spannungen geprägten Zeit gewinnt Datenhoheit besondere Relevanz. Kunden europäischer KI-Anwendungen stellen zunehmend Fragen zu Datenschutz, Compliance und Systemtransparenz. Der Trend geht klar in Richtung lokal betriebener Infrastrukturen, wie ihn auch Gaia-X oder der französische Cloud-Anbieter OVHCloud verfolgen. Das neue Rechenzentrum setzt diesen strategischen Ansatz auf einer neuen Skalierungsebene um.
Praktische Empfehlungen für Unternehmen und Entwickler
Für Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Entwickler, die vom Aufschwung durch das neue Zentrum potenziell profitieren möchten, ergeben sich mehrere strategische Ansatzpunkte:
- Jetzt Pilotprojekte planen: Nutzen Sie die Planungsphase bis zur Inbetriebnahme (voraussichtlich 2026), um erste Use Cases für KI-Workloads, Simulationen oder Analytik im HPC-Umfeld zu definieren.
- Förderprogramme identifizieren: Prüfen Sie europäische Programme wie Horizon Europe, Digital Europe oder nationale KI-Förderungen, um Ressourcen für den Zugang und Testbetrieb einzuwerben.
- Partnerschaften mit regionalen Hubs knüpfen: Kooperieren Sie frühzeitig mit Forschungseinrichtungen oder Start-ups, die bereits im geplanten Ökosystem aktiv sind – das beschleunigt ihren Zugang zur Infrastruktur und stärkt Synergien.
Fazit: Europas KI-Zukunft entsteht jetzt – auch durch entschlossene Infrastruktur-Investitionen
Das geplante KI- und HPC-Zentrum in Badajoz ist mehr als ein gilt als Infrastrukturprojekt – es ist ein strategischer Hebel zur Stärkung der europäischen Souveränität im Digitalzeitalter. Mit seiner enormen Rechenleistung, nachhaltigen Ausrichtung und Einbindung von Forschung, Wirtschaft und Start-ups verfolgt es einen ganzheitlichen, zukunftsgewandten Ansatz.
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