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Schufa-Urteil: Was die Speicherfristen bedeuten und wie sich Betroffene wehren können

In einem hell erleuchteten, modernen Büro sitzt eine aufmerksame junge Frau entspannt am Schreibtisch, prüft konzentriert ihre persönlichen Unterlagen auf einem Tablet, umgeben von warmem Tageslicht und dezenten Pflanzen, das eine Atmosphäre von Kontrolle, Vertrauen und digitaler Selbstbestimmung vermittelt.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein wegweisendes Urteil zur Verarbeitung persönlicher Daten durch die Schufa gefällt – mit weitreichenden Konsequenzen für Millionen Verbraucher*innen. Wer einst Schulden hatte und diese längst beglichen hat, kann sich künftig besser gegen die langjährige Datenspeicherung wehren. Doch was genau bedeutet das Urteil für den Datenschutz und für den Umgang mit der eigenen Kreditgeschichte?

Hintergrund: Warum der BGH sich mit der Schufa beschäftigen musste

Im Mai 2024 entschied der Bundesgerichtshof (Az. VI ZR 1525/20), dass die Schufa Holding AG nicht unbegrenzt Informationen über einst erledigte Forderungen speichern darf. Hintergrund war der Fall eines Verbrauchers, dessen beglichene Schuldforderung auch nach über drei Jahren weiterhin bei der Schufa eingetragen war – mit der Folge, dass seine Bonität durch negative Einträge dauerhaft belastet wurde.

Die Richter stellten klar: Ein solcher Eintrag verletzt unter Umständen das „Recht auf Vergessenwerden“ gemäß Artikel 17 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Zwar hatte der Betroffene seine Schulden längst bezahlt, doch die Schufa beharrte auf ihrer dreijährigen Speicherroutine. Das Urteil hat nun ein datenschutzrechtliches Signal gesetzt: Die Interessen von Auskunfteien dürfen nicht automatisch über denen der Betroffenen stehen.

Damit folgt der BGH einer Linie, die bereits der Europäische Gerichtshof (EuGH) Anfang 2024 vorgezeichnet hatte und konkretisierte nun diese Rechtsauffassung für deutsches Recht. Die damit einhergehende Verpflichtung zur Einzelfallprüfung bei Speicherfristen stärkt die Rechte der Verbraucher.

Wie die Schufa funktioniert – und warum ihre Daten so wichtig sind

Die Schufa Holding AG ist Deutschlands größte Wirtschaftsauskunftei. Rund 68 Millionen Menschen sind mit über 1,2 Milliarden Einzeldaten erfasst – von Girokonten über Kreditkarten bis hin zu Mobilfunkverträgen. Unternehmen wie Banken, Vermieter oder Händler greifen auf diese Informationen zu, um die Bonität potenzieller Kunden zu bewerten.

Doch der Algorithmus der Schufa beruht maßgeblich auf historischen Daten, auch wenn Zahlungsverpflichtungen inzwischen beglichen wurden. Die Speicherung erfolgt in der Regel bis zu drei Jahre nach Tilgung – eine Praxis, die seit dem BGH-Urteil rechtlich nicht mehr eindeutig als zulässig gilt. Laut einer Verbraucherumfrage der Bitkom aus dem Jahr 2023 fühlen sich 41 % der Befragten „nicht ausreichend darüber informiert“, welche Daten von der Schufa gespeichert werden und wie lange.

Datenschützer kritisieren seit Jahren, dass die Schufa ein intransparentes System betreibt. Entscheidungen, die auf Basis der Bonitätsbewertung getroffen werden – etwa bei Kreditanträgen –, können für Betroffene gravierend sein, ohne dass eine umfassende Kontrolle über die korrekte Datenverarbeitung besteht.

Was das Urteil konkret für Verbraucher bedeutet

Das BGH-Urteil bedeutet einen Paradigmenwechsel: Jeder Betroffene kann sich künftig effektiver gegen eine langfristige Speicherung seiner erledigten Schulden wehren. Zwar bleibt die Grundregel der dreijährigen Speicherfrist bestehen – doch sie gilt nun nicht mehr automatisch. Stattdessen müssen Auskunfteien prüfen, ob im jeweiligen Einzelfall ein berechtigtes Interesse an der weiteren Datenspeicherung besteht.

Dies stellt höhere Anforderungen an Transparenz und individuelle Datenverarbeitung. So müssen Unternehmen künftig plausibel darlegen können, warum bestimmte Daten noch gespeichert bleiben sollen – insbesondere wenn diese dem Betroffenen konkret nachteilig sein könnten.

Rechtsanwälte und Datenschutzexperten begrüßen das Urteil als einen wichtigen Schritt hin zu mehr Ausgewogenheit zwischen Interessen von Verbrauchern und Auskunfteien. Es entspricht zudem dem Geist der DSGVO, die die Rechte auf Löschung und transparente Datenverwendung in den Mittelpunkt stellt.

Europarechtlicher Einfluss und künftige Regulierung

Der BGH orientierte sich bei seiner Entscheidung eng an einem vorherigen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 7. Dezember 2023, Az. C-634/21). Der EuGH bewertete die längere Speicherung bezahlter Forderungen – insbesondere durch privatwirtschaftliche Auskunfteien – als „unverhältnismäßig“, wenn keine aktuellen Interessen bestehen.

Besonders relevant war dabei, dass öffentliche Stellen – etwa gerichtliche Schuldnerverzeichnisse – solche Einträge deutlich kürzer speichern (in der Regel sechs Monate nach Löschung). Daraus folgerte der EuGH: Ein privater Anbieter wie die Schufa kann nicht automatisch das Recht für sich beanspruchen, Daten deutlich länger speichern zu dürfen.

In der Praxis führt das zu einem Dilemma für Auskunfteien. Denn während Banken und Handel möglichst vollständige Daten wünschen, geraten Datenschützer und Gerichte zunehmend unter Druck, die informationelle Selbstbestimmung der Bürger zu stärken.

Wie können Verbraucher jetzt reagieren?

Betroffene sollten ihre Einträge in der Schufa regelmäßig überprüfen – insbesondere dann, wenn sie in den letzten Jahren Schulden beglichen haben. Zwar löscht die Schufa erledigte Forderungen nach eigenen Angaben in der Regel automatisch nach Ablauf der Frist, doch diese Praxis ist nicht immer fehlerfrei.

Verbraucher haben nach Artikel 15 DSGVO ein umfassendes Recht auf Auskunft. Diese muss kostenlos sein und kann per Post oder über das Schufa-Portal beantragt werden. Zudem besteht nach Artikeln 16 bis 18 DSGVO ein Recht auf Berichtigung, Einschränkung oder Löschung unrechtmäßiger Daten.

  • Regelmäßig Schufa-Auskunft einholen: Einmal pro Jahr können Sie kostenlos eine vollständige Datenauskunft (sog. „Datenkopie nach Art. 15 DSGVO“) bei der Schufa anfordern.
  • Unzulässige Einträge gezielt prüfen und dokumentieren: Stellen Sie fest, ob erledigte Forderungen noch als negativ markiert sind. Notieren Sie Tilgungsdatum, Gläubiger und ggf. Gerichtsbeschlüsse als Beweismittel.
  • Löschungsantrag rechtssicher stellen: Fordern Sie die Schufa schriftlich zur Löschung oder Berichtigung auf und verweisen Sie auf das BGH-Urteil vom Mai 2024 (Az. VI ZR 1525/20).

Falls die Schufa der Aufforderung nicht nachkommt, kann der Weg über eine Datenschutzbeschwerde bei der zuständigen Aufsichtsbehörde sinnvoll sein – etwa dem Hessischen Datenschutzbeauftragten, unter dessen Aufsicht die Schufa als Unternehmen mit Sitz in Wiesbaden fällt.

Technologische und gesellschaftliche Perspektiven

Zunehmend wird das Thema Bonitätsbewertung auch technologisch hinterfragt. Neue Fintech-Lösungen, etwa auf Basis alternativer Scoringmethoden, setzen auf „positive Daten“ – also die Bewertung des Zahlungsverhaltens ohne Fokus auf historische Negativmerkmale. Auch Initiativen für KI-basierte Scoringmodelle, die Fairness-Kriterien integrieren, geraten stärker in den Fokus.

Gleichzeitig wächst der öffentliche Druck auf Anbieter wie die Schufa. Laut Statista-Umfrage von 2023 befürworten 59 % der Befragten eine staatlich kontrollierte Alternative zur Schufa, die transparenter und bürgernäher agiert. Die Politik hat das Thema inzwischen aufgegriffen: Im Zuge des geplanten Digitale-Dienste-Gesetzes (DDG) könnten auch Auskunfteien zur algorithmischen Transparenz verpflichtet werden.

Darüber hinaus fordern Verbraucherschutzverbände einheitliche Regelungen zur Verarbeitung sensibler Finanzdaten. Eine mögliche Lösung wäre ein verpflichtendes Audit-Verfahren für datenverarbeitende Auskunfteien – inklusive unabhängiger ethischer Bewertung der eingesetzten Modelle.

Persönlicher Bonitätsschutz wird zur digitalen Kompetenz

Die Kontrolle über den eigenen digitalen Fußabdruck ist keine Kür mehr, sondern zunehmend Pflicht. Wer weiß, wo und wie seine Finanzdaten gespeichert sind, hat bessere Chancen auf faire Kreditentscheidungen, Mietverhältnisse oder Mobilfunkverträge. Das BGH-Urteil zur Schufa ist dabei ein klares Signal an die Branche: Datenhoheit beginnt beim Individuum.

Verbraucherinnen und Verbraucher sollten daher nicht abwarten, sondern aktiv handeln. Wer seine Schufa-Daten regelmäßig prüft, falsche Einträge korrigiert und seine Rechte kennt, kann sich effektiv schützen – auch gegen algorithmische Diskriminierung oder unbegründete Absagen im Alltagsleben.

Welche Erfahrungen habt ihr mit Schufa-Einträgen gemacht? Habt ihr erfolgreich eine Löschung durchgesetzt oder Schwierigkeiten gehabt, eure Daten zu korrigieren? Wir freuen uns über eure Kommentare und Erfahrungsberichte in unserer Community!

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