Mitten im globalen Wettlauf um die technologische Vorherrschaft setzt Donald Trump auf ein aggressives Comeback in der KI-Forschung. Seine neue Initiative verspricht Investitionen in Rekordhöhe, massenhafte Datenaggregation und nationale Souveränität in Schlüsseltechnologien. Doch wie tragfähig ist der Kurs – und wie reagieren Europa, China und der Rest der Welt?
Trumps Rückkehr: Neue Prioritäten in der Tech-Agenda
Seit seiner erneuten Amtsübernahme Anfang 2025 überrascht Donald Trump mit einer deutlich technologieorientierten Agenda. Herzstück ist die Executive Order on American Artificial Intelligence Leadership, ein Maßnahmenpaket, das laut offiziellen Angaben über zwei Billionen US-Dollar in Forschung, Infrastruktur und industriellen Ausbau von KI-Technologien in den kommenden fünf Jahren investieren will. Ziel sei es, wie Trump betonte, die „vollständige technologische Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten“ zu sichern und „die KI-Weltherrschaft den Amerikanern zurückzugeben“.
Mit deutlichem Fokus auf Verteidigung, strategische Industrieanwendungen und Wirtschaftssicherheit gliedert sich das Paket in vier Kernstrategien:
- Massive Subventionen für US-basierte KI-Forschungseinrichtungen und Start-ups,
- Einrichtung einer nationalen Datenreserve – gespeist aus öffentlich zugänglichen Informationen und kommerziellen Partnerschaften,
- Stärkung der nationalen Cloud- und Chipinfrastruktur für KI-Trainings,
- Regulatorische Öffnungen für KI-Erprobungen in sicherheitsrelevanten Sektoren.
Die USA hatten in den letzten Jahren gegenüber China an Boden verloren: Laut Stanford AI Index Report 2024 stieg Chinas Anteil an weltweit veröffentlichten KI-Publikationen auf 33,4 %, während die USA auf 17,2 % fielen. Trump will diese Dynamik jetzt umkehren.
Datensammlung als Rohstoff der Nationalstrategie
Ein zentraler Aspekt der Initiative ist ein gesetzlich neu geschaffener „American Data Commons“ – eine nationale Datenplattform, in der strukturierte und unstrukturierte Daten aus Wissenschaft, Verwaltung und Wirtschaftskooperationen gesammelt, harmonisiert und für Forschungsteams bereitgestellt werden sollen. Die Plattform wird unter Leitung des Department of Energy und mit Unterstützung der privaten Cloud-Anbieter AWS und Oracle entwickelt. Erste Testinstanzen sollen bis Mitte 2026 zugänglich sein.
Laut Trumps Technologieberaterin Diane Michaels sei das Ziel, eine Datenmasse zu schaffen, „die mit Googles gesamtem Index konkurriert“. Expert:innen warnen jedoch vor den damit verbundenen Datenschutzrisiken. Laut einer Analyse des Brookings Institute (2025) seien die Kriterien für die Datenauswahl unklar und könnten durch den Verzicht auf DSGVO-ähnliche Standards Missbrauchspotenzial bergen.
Ein weiteres Streitthema ist die geplante Zusammenarbeit mit Big-Tech-Konzernen zur Bereitstellung nicht öffentlicher Trainingsdaten. Kritiker sehen darin eine potenzielle Marktverzerrung und rechtliche Grauzone. Die Federal Trade Commission (FTC) hat angekündigt, geplante Kooperationen mit Microsoft, Meta und Palantir auf mögliche Wettbewerbsverzerrung zu prüfen.
Technologische Weichenstellungen: Infrastruktur und Chips
Dem Rückstand bei Halbleitern will die Trump-Regierung mit hohen Investitionen begegnen. Ergänzend zu bestehenden CHIPS-Programmen plant die Regierung die Errichtung von vier federführenden Halbleiter-Foundries auf US-amerikanischem Boden bis 2030. Der Auftrag für das erste Werk in Arizona ging an Taiwan Semiconductor Manufacturing Co. (TSMC), das unter verschärften Auflagen lokaler Wertschöpfung agieren soll.
Doch auch im Cloud-Segment zieht Washington nach: Im Juni wurde das staatlich finanzierte Projekt „StarCompute“ angekündigt, eine souveräne Cloud-Plattform zur akademischen und militärischen KI-Forschung. Die Plattform soll mit dedizierter NVIDIA-Hardware ausgerüstet werden und stellt über 25 % der Rechenzeit kostenfrei für Universitäten zur Verfügung. Laut Angaben des CTO von StarCompute seien bis Anfang 2027 über 1,5 Exaflops an spezialisierter KI-Leistung vorgesehen – vergleichbar mit führenden Hyperscalern.
Der Bedarf an Rechenleistung steigt rasant: Laut McKinsey (2024) wird sich der weltweite Bedarf an AI-spezifischen Compute-Ressourcen alle 16 Monate verdoppeln. Die USA investieren also nicht nur in Aufholjagd, sondern hoffen auf Vorsprung durch Infrastruktur.
Vergleich mit Europa: Regulierung vs. Industrieoffensive
Im Kontrast zu Trumps fokussiertem Industrieausbau setzt Europa weiterhin stark auf ethische Leitplanken. So zielt die 2024 in Kraft getretene EU AI Act auf eine differenzierte Regulierung risikobehafteter Systeme, etwa im Gesundheits-, Justiz- und Sicherheitsbereich. Zwar enthält das Gesetz Innovationsklauseln und fördert Reallabore – doch die Bremswirkung auf industrielle Anwendungen wird vielfach kritisiert.
„Europa wird zum moralischen Vorbild, aber nicht zur industriellen Supermacht“, sagt KI-Ökonomin Prof. Dr. Annika Frey von der TU München. „Wenn sich Trumps Strategie ökonomisch auszahlt, könnte die EU in technologischen Abhängigkeiten aufwachen.“
Zugleich muss das europäische Ökosystem den wachsenden Talentmangel bewältigen. Laut Bitkom fehlen allein in Deutschland über 146.000 IT-Fachkräfte (Stand 2025), davon rund 12.000 mit spezifischem KI-Background.
Globale Reaktionen: Zwischen Nachziehen und Blockbildung
In Asien wächst die Sorge vor einer Technosphären-Blockbildung. China erweitert im Gegenzug sein „Digital Silk Road“-Programm und kündigte auf dem Global AI Summit in Shenzhen an, bis 2027 eine Open-Source-KI-Strategie auf Basis landeseigener Large Language Models (LLMs) umzusetzen – abgestimmt mit Partnerstaaten der BRICS-Allianz.
Auch Südkorea und Japan investieren massiv in eigene Trainingsplattformen: Samsung kündigte unlängst „SamMind“ an, eine KI-Plattform mit vollständiger Edge-Integration für Transport- und Fertigungsprozesse. Japan setzt mit dem „Moonshot“-Programm auf humanoide Robotik mit autonomen Planungsfähigkeiten – ganz im Sinne industrieller Application-first-Strategien.
Indien wiederum hat 2025 sein nationales Zentrum für ethische KI eröffnet und positioniert sich bewusst als „Global Responsible AI Hub“. Das spielt auch in Europas Karten, da gemeinsame Interessen bei Nachhaltigkeit, Open Technologies und Datenstandardisierung bestehen.
Chancen und Risiken: Eine Gratwanderung mit globaler Tragweite
Trumps KI-Initiative ist zweifellos ambitioniert – und könnte, gelänge die Umsetzung, die Vormachtstellung der USA im Technologiebereich zurückerobern. Doch die Risiken sind beachtlich: geopolitische Spannungen, regulatorisches Vakuum und potenzielle Kontrollverluste bei zu offen interpretiertem Datenbezug könnten langfristige Nebenwirkungen entfalten. Auch ethische Fragen, etwa beim Einsatz militärischer LLMs oder bei automatisierter Entscheidungsfindung im Staatsdienst, sind bisher nicht abschließend geregelt.
Es bleiben komplexe Zielkonflikte zwischen Offenheit, Souveränität, Innovation und Verantwortung. Doch die Richtung ist gesetzt – und die Welt schaut erneut gespannt auf Washington.
Empfehlungen für Tech-Unternehmen und Politik
- Internationale Kooperationsstrukturen aktivieren: Unternehmen sollten strategische Allianzen jenseits nationaler Blockbildungen suchen – etwa über Standards, offene APIs und gemeinsame Forschungsinitiativen.
- Datenschutz-by-Design implementieren: Trotz Trumps Deregulierungsansätzen empfiehlt sich für multinationale Firmen der Einsatz hoher Datenschutzstandards, um auch in Europa oder Kanada operieren zu können.
- Auf Resilienz und KI-Nachhaltigkeit achten: Firmen und Forschungseinrichtungen sollten schon heute Energie- und Ressourcenfragen in KI-Diensten berücksichtigen – auch für kommende ESG-Vorgaben.
Fazit: Aufgabe für Gesellschaft, Chance für Innovatoren
Trumps KI-Offensive mag provokant und in Teilen exklusiv-national getrieben sein, doch sie stellt die globalen Innovationssysteme auf eine neue Bewährungsprobe. Wer sich heute auf technologischen Ethos, offene Kooperationen und nachhaltige Infrastrukturen besinnt, kann morgen Vorreiter sein – unabhängig von nationaler Agenda. Die Frage ist nicht nur: Wer führt? Sondern auch: Wem folgen wir?
Diskutieren Sie mit uns: Wohin sollte sich die globale KI-Entwicklung künftig bewegen – mehr Regulierung, mehr Innovation, oder beides? Teilen Sie Ihre Perspektive in den Kommentaren.




