Keine andere Softwarekomponente wird im digitalen Alltag so routinemäßig aktualisiert wie Content-Management-Systeme (CMS) – doch jedes größere Release bringt für Entwickler gleichermaßen Herausforderungen wie Chancen mit sich. Am Beispiel der Version Sulu CMS 3.0 lässt sich beobachten, wie tiefgreifend ein Update in Entwicklungsprozesse eingreifen kann. Was bedeutet das für die Entwicklerpraxis, insbesondere im Vergleich zu früheren CMS-Generationen?
Evolution durch Updates: Warum CMS-Releasezyklen mehr als nur Versionsnummern sind
Content-Management-Systeme sind das Fundament unzähliger Websites und digitaler Anwendungen. Allein WordPress, das mit Abstand meistgenutzte CMS, treibt laut W3Techs (Stand Juli 2025) rund 42,9 % aller Websites an. Doch unabhängig vom System gilt: Major-Releases sind tiefgreifende Eingriffe in bewährte Prozesse. Mit der Veröffentlichung von Sulu CMS 3.0 im Januar 2024 startete eine neue Phase für Entwickler, Produktteams und Agenturen, die das Symfony-basierte Headless-CMS nutzen.
„Sulu 3.0 war kein kosmetisches Update. Es hat unsere Build-Pipelines, Teststrategien und sogar unsere Deployment-Prozesse verändert“, erzählt Tim Berger, CTO einer digitalen Kreativagentur aus Berlin, im Interview. „Wir mussten nicht nur die Kernarchitektur neu verstehen, sondern auch unsere Teams in den strukturellen Neuerungen schulen.“
Sulu 3.0: Technologischer Sprung mit breiten Auswirkungen
Das Besondere an Sulu 3.0 war nicht nur die Weiterentwicklung der API-Funktionalität (etwa die verbesserten Collection-Handlings und Typdefinitionen), sondern vor allem der vollständige Umstieg auf Symfony 6.x. Zusätzlich wurde das Frontend-Backend-Coupling durch eine neue Headless-Strategie weiter aufgebrochen. Diese Änderungen im Technologie-Stack verlangten weitreichende Codeanpassungen, neue Middleware-Logik und eine starke Integration in moderne DevOps-Workflows.
Die strukturelle Komplexität hat jedoch nicht alle begeistert. „Wir mussten monatelang parallel zwei Sulu-Versionen betreiben, da manche Legacy-Projekte nicht migrierbar waren“, erklärt Anna Nowak, Senior Developerin bei einem E-Commerce-Dienstleister. Wenngleich die langfristigen Vorteile – etwa durch höhere API-Performance oder bessere Modularisierbarkeit – unbestritten sind, ist der Mehraufwand für Migrationen kurzzeitig erheblich.
Vergleich mit früheren CMS-Generationen: Ein Blick auf TYPO3, Drupal und WordPress
Ein Blick in die Update-Geschichte anderer CMS-Systeme unterstreicht: Umfangreiche Versionssprünge bringen immer Transformationen mit sich. TYPO3, das traditionell auf Enterprise-Nutzer ausgerichtet ist, hatte etwa beim Wechsel auf Version 10 LTS erstmals vollumfängliche Composer-Integration und neue Deprecation-Strategien eingeführt, die größere Refactorings notwendig machten.
Drupal ist in der Vergangenheit für seine disruptiven Major-Releases bekannt – insbesondere von Version 7 auf 8, wo das System auf Symfony-Komponenten umgestellt wurde. Viele Agenturen verschoben damals Projekte oder hielten bewusst an alten Versionen fest, um technische Risiken zu minimieren. Auch bei WordPress sorgte das Gutenberg-Update 2019 für Unruhe, da klassische Themes und Plugins stark angepasst oder ersetzt werden mussten – obwohl WordPress nicht für disruptive Architekturänderungen bekannt ist.
Was sich für Entwickler konkret ändert – und warum das nicht nur Probleme bringt
Der zentrale Unterschied bei modernen CMS-Updates: Sie betreffen nicht nur Oberflächenlogik, sondern greifen in CI/CD-Strukturen, Security-Konzepte und deploybare Microservices ein. Containerisierung, API-first-Strategien und automatisierte Migrationspfade sind kein „Nice-to-have“, sondern mittlerweile Standard. CMS-Entwickler müssen sich zunehmend rollenübergreifend aufstellen, von Frontend-, DevOps- bis Backend-Know-how.
Laut der Stack Overflow Developer Survey 2025 geben 56 % der Webentwickler an, dass sie bei CMS-Frameworks regelmäßig Anpassungen an Build-Pipelines oder Docker-Skripten vornehmen müssen – eine Zahl, die sich im Vergleich zu 2019 (38 %) deutlich erhöht hat (Quelle: Stack Overflow Insights, Juli 2025).
Dabei entstehen jedoch auch neue Möglichkeiten: „Das Update auf Sulu 3.0 hat erstmals echte API-Stabilität und Versionierung gebracht, was sauberere Service-Schnittstellen ermöglicht“, sagt Florian Kraft, freier Symfony-Entwickler. „Wir können auf dieser Basis ganz andere Architekturstrategien fahren – etwa Microfrontends oder sogar hybride JAMstack-Lösungen.“
Tipps und Best Practices: Wie Entwickler CMS-Updates erfolgreich managen
Die folgenden Handlungsempfehlungen haben sich im beruflichen Alltag zahlreicher Entwickler bewährt – gerade im Umgang mit tiefgreifenden CMS-Änderungen wie bei Sulu 3.0:
- Frühzeitig Roadmaps & Changelogs studieren: Wer Entwicklungsroadmaps des CMS-Anbieters regelmäßig verfolgt, kann Teams proaktiv auf kommende Änderungen vorbereiten.
- CI/CD modular halten: Updates lassen sich schneller integrieren, wenn Build- und Testprozesse in separaten, versionierbaren Modulen organisiert sind. Containerisierte Setups (z. B. via Docker Compose) helfen bei der flexiblen Reproduzierbarkeit.
- Ein dediziertes Testprojekt aufsetzen: Finger weg von riskanten Live-Migrationen: Ein isoliertes Staging-Umfeld, das auf der neuen CMS-Version läuft, ermöglicht schrittweise Umbauten und automatisierte Regressionstests.
Der Wandel im Entwicklerprofil: Klassischer CMS-Integrator war gestern
Mit wachsender Komplexität moderner CMS steigen auch die Anforderungen an Entwicklerprofile. Während vor einigen Jahren vor allem Kenntnisse in Twig-Templates und Backendformulare gefragt waren, müssen heutige CMS-Profis ein Toolset beherrschen, das von REST-APIs über OAuth2, GitOps bis zu Kubernetes reicht. CMS sind längst keine monolithischen Applikationen mehr – sie docken an cloud-native Architekturen an, integrieren Drittsysteme und stellen über APIs Frontend-unabhängige Inhalte bereit.
Eine Studie von Statista aus dem Jahr 2025 zeigt: 74 % der Unternehmen mit Digital Experience Platforms setzen bereits CMS-Lösungen mit Headless-Funktionalitäten ein (Quelle: Statista DXP-Report, März 2025). Diese Verschiebung zwingt CMS-Entwickler dazu, systemübergreifend zu denken – sprich: sich kontinuierlich weiterzubilden.
Langfristige Perspektiven: CMS werden zur Integrationsplattform
Die oben genannten Trends deuten auf eine Neuausrichtung der CMS-Welt. Systeme wie Sulu, Contentful oder Strapi definieren sich nicht mehr primär über ihre Benutzeroberfläche, sondern über ihre API-Fähigkeiten, Modularisierbarkeit und Flexibilität beim Deployment. Für Entwickler entsteht daraus eine zweite Kompetenzebene: CMS-Entwicklung wird zu Plattformengineering.
Diese Entwicklung bringt auch strategische Implikationen für Unternehmen mit sich. CTOs und Architekten müssen bei technischen Entscheidungen zunehmend auf Kriterien wie API-Governance, Schnittstellenstandardisierung und Drittsystem-Integration achten, um künftige Updatezyklen reibungsloser zu gestalten.
Fazit: Wandel gestalten statt passiv verwalten
CMS-Updates wie der Umstieg auf Sulu 3.0 zeigen exemplarisch, wie aus technischer Notwendigkeit strategische Chance werden kann – sofern Entwickler und Unternehmen bereit sind, sich aktiv mit den Veränderungen auseinanderzusetzen. Die Komplexität wird nicht abnehmen – aber auch nicht der Bedarf an innovativen, stabilen und zukunftsfähigen Content-Plattformen.
Deshalb unser Aufruf an die Community: Teilt eure Erfahrungen mit CMS-Updates – sei es Sulu, TYPO3, Drupal oder andere Systeme – und helft mit, Best Practices und kommende Standards mitzugestalten. Die nächste Major-Version kommt bestimmt.




