KI erobert Hollywood – und bald das Wohnzimmer: Mit Showrunner bringt das US-Startup Fable ein KI-Tool auf den Markt, das in der Lage ist, ganze Serienepisoden auf Basis von Textvorgaben zu erstellen. Amazon investierte frühzeitig. Was steckt dahinter, und wie verändert sich die Unterhaltungsindustrie nachhaltig?
Fable und die Geburt von Showrunner
Die kalifornische Firma Fable, 2018 gegründet, trat zunächst mit interaktiven Virtual-Reality-Geschichten hervor. Das wohl bekannteste frühe Projekt: „Wolves in the Walls“, basierend auf dem gleichnamigen Kinderbuch von Neil Gaiman – ausgezeichnet mit einem Primetime Emmy. Doch der eigentliche disruptive Schritt gelang dem Studio 2024 mit dem Launch von Showrunner, einem KI-gesteuerten System zur autarken Generierung animierter Serieninhalte.
Showrunner nutzt eine Kombination aus multimodalen KI-Modellen für Bild, Ton, Dialoge und Animation – eine Art End-to-End-Studio im Algorithmusformat. Alles, was Nutzerinnen und Nutzer brauchen, ist eine Episodenidee oder ein grobes Skript. Der Rest – Storyboard, Schnitt, Stimmen, Musik, sogar visuelles Design – wird von Showrunner erstellt. Laut Fable ist bereits ein vollständiges Demo-Serienformat mit dem Titel Simulife verfügbar, das komplett durch die KI erstellt wurde und sich stilistisch an Animationsserien wie South Park orientiert.
Für Aufsehen sorgte auch die Finanzierungsrunde Ende 2024, in der sich unter anderem Amazon Web Services (AWS) beteiligte. AWS reagierte damit auf die strategische Bedeutung von generativer KI für Cloud-Angebote und Media-Produktion. Einerseits stärkt Amazon so sein Portfolio im Wettbewerb mit Google Cloud (u. a. mit Imagen Video) und Microsoft Azure (OpenAI-Service). Andererseits könnte Showrunner langfristig in Amazon Video integriert werden – etwa für personalisierte Inhalte oder als Kreativwerkzeug für Indie-Produzent:innen.
KI statt Drehbuch – wie Showrunner Content verändert
Fable positioniert Showrunner als Assistenz-Tool für Produzent:innen, Autor:innen und Studios. Tatsächlich aber zeigt sich, wie weit die Automatisierung reichen kann. Die Software benötigt kein menschliches Storyboard-Team, keine Zeichner:innen, keine Synchronsprecher:innen. Damit wirft Showrunner grundlegende Fragen zum Berufsfeld Kreativarbeit auf – und zum Stellenwert von Urheberschaft im Zeitalter trainierter Modelle.
Eine Analyse der Medienberatung Deloitte unterstreicht diesen Wandel: Bereits 2024 gaben 39 % aller Streaming-Konsument:innen in einer internationalen Umfrage an, grundsätzlich offen für KI-generierte Inhalte zu sein – in der Altersgruppe der 18- bis 34-Jährigen sogar 63 % (Quelle: Digital Media Trends Survey 2024).
Auch Kostenvorteile sprechen für KI-Content: Laut einem Bericht von Goldman Sachs aus 2023 könnten generative KI-Technologien Produktionskosten im Serien- und Animationsbereich mittelfristig um bis zu 40 Prozent senken – nicht zuletzt durch Automatisierung von Rendering, Schnitt und synchrone Audioarbeit.
Die Streamingindustrie, von Netflix über Disney+ bis hin zu YouTube, reagiert zunehmend interessiert. YouTube testete bereits 2024 mit Dream Track experimentelle AI-generierte Musikclips, und Netflix kündigte an, generative Tools für Vorschlagsbilder und Trailer einzusetzen.
Wer steckt hinter Fable?
Das Gründerteam von Fable vereint KI-Expertise mit narrativem Feinsinn. CEO Edward Saatchi, ein früher Oculus-Manager und Sohn der britischen Werbelegende Maurice Saatchi, treibt seit Jahren immersive und interaktive Erzählformate voran. Chief Creative Officer Pete Billington stammt aus der Animationssparte von Oculus Story Studio und war unter anderem an Storyprojekten für Pixar beteiligt. Ihr gemeinsames Ziel: narrative KI, die nicht nur effizient ist, sondern auch emotional resonant funktioniert.
Ihr innovativer Satz zu Showrunner: Die Nutzer sind keine Zuschauer, sondern Co-Autor:innen. Wer mit dem Tool arbeitet, kann eigene Serienformate per Drag-and-Drop definieren, Charakterparameter festlegen und sogar langfristige Story-Arcs per Textbeschreibung entwickeln. Die KI greift auf zugelassene (oder synthetisch erzeugte) Datensätze zurück – auf eine Weise, die Urheberrecht und Persönlichkeitsrechte respektieren soll, so Fable.
Was bedeutet das für die Streaming-Plattformen?
Für Plattformbetreiber eröffnet KI nicht nur neue Produktionswege, sondern auch neue Personalisierungspotenziale. Denkbar sind individuelle Kinderserien, die sich dem Lernverhalten anpassen, oder Thriller, deren Erzähllogik auf dem Zuschauerprofil basiert. Künstliche Intelligenz rückt damit näher an Hyperindividualisierung heran – ein Trend, den Netflix u. a. mit interaktiven Formaten wie Bandersnatch 2018 vorbereitete.
Zudem entsteht eine neue Form von Direct-to-Audience-Produktion: Indie-Autor:innen können Episodenformate ohne Studioaufwand publizieren. Dies könnte zu einer Demokratisierung führen – oder zu einem massiven Qualitätsproblem im Long Tail.
Risiken, Grenzen, Chancen
Die technologische Euphorie wird derzeit von vielen Branchengrößen noch mit Vorsicht betrachtet. Gewerkschaften wie die Writers Guild of America (WGA) oder SAG-AFTRA fordern klare Regeln für den KI-Einsatz in der Film- und Serienproduktion. Besonders kritisch: Die Frage nach Urheberrechten und Residualvergütungen im Fall von KI-generierten – oder KI-teilgenerierten – Formaten.
Dazu kommt die Gefahr uniformer Inhalte. Zwar kann Showrunner Stilrichtungen imitieren und sogar parodieren. Doch ob die Tiefe, Subtilität und kreative Radikalität menschlicher Teams erreichbar ist, bleibt offen. Erste „Simulife“-Episoden zeigen klare Engpässe bei komplexem Storytelling und emotionaler Entwicklung der Figuren.
Zugleich jedoch bieten die Entwicklungen ungeahnte Potenziale, insbesondere für Bildung, Prototyping und Nischenmärkte. Gerade Sprachbarrieren könnten durch KI-lokalisierte Animation überwunden werden – ein Bereich, der laut einer PwC-Studie bis 2027 um 12,1 % CAGR wachsen soll.
Drei Tipps für Medienprofis im Umgang mit KI-Inhalten
- Frühzeitig experimentieren: Tools wie Showrunner eignen sich bereits für Prototyping und Pitch-Trailer. Frühzugang kann Wettbewerbsvorteile bringen.
- Rechtliche Abklärung sichern: Vor der Veröffentlichung KI-generierter Episoden sollten Urheberrechte, Modelllizenzen und Sprachrechte sorgfältig geprüft werden.
- Storytelling stärken: Menschliche Redaktion bleibt entscheidend: Die besten KI-Formate entstehen durch sorgfältige Eingabe und kuratiertes Prompt-Design.
Fazit: KIs Show beginnt erst
Showrunner, Simulife und die Investmentbereitschaft von Amazon markieren keinen Hype, sondern eine tektonische Verschiebung: Die Synthese aus künstlicher Intelligenz und Streaming verändert das Medienökosystem nachhaltig. Es ist jetzt an der Community aus Kreativen, Unternehmen und Nutzenden, Grenzen auszuloten und Chancen zu nutzen – im Sinne eines verantwortungsvollen, vielfältigen Erzählens. Welche KI-generierte Serie würdet ihr gerne sehen? Diskutiert mit uns auf unseren Social Channels.