Mit dem Aufbau eines neuen Hochleistungsrechners an der Universität Leipzig positioniert sich Deutschland erneut als führender Akteur im europäischen Supercomputing. Die Initiative soll nicht nur in der Forschung neue Maßstäbe setzen, sondern auch wirtschaftliche und geostrategische Potenziale entfalten.
Ein Meilenstein für die europäische Recheninfrastruktur
Der neue Supercomputer namens „Leipzig ExaScale System“ (LEXAS), dessen Aufbau 2024 begann und Anfang 2025 den Vollbetrieb aufnehmen soll, reiht sich in die europäische Strategie zur technologischen Souveränität ein. Bereits jetzt wird der Rechner als einer der potenziell leistungsfähigsten Europas gehandelt und ist ein zentraler Bestandteil der European High Performance Computing Joint Undertaking (EuroHPC JU), einem Zusammenschluss zur Förderung europäischer Supercomputer-Infrastruktur.
Mit einer geplanten Spitzenleistung von über 550 Petaflops reiht sich LEXAS unter den weltweit schnellsten Rechnern ein. Zum Vergleich: Das entspricht mehr als dem Zehnfachen dessen, was typische High-End-Rechencluster leisten. Die Hardware basiert auf einer Hybrid-Architektur bestehend aus AMD EPYC Prozessoren der vierten Generation, NVIDIA Grace Hopper Superchips sowie 400 Gbit/s Infiniband-Interconnects der neuesten Generation.
Technische Innovationen im Fokus
LEXAS besticht insbesondere durch seine energieeffiziente Kühltechnologie, die auf direkte Warmwasserkühlung setzt. Diese reduziert den CO₂-Fußabdruck im Vergleich zu luftgekühlten Systemen deutlich und spart jährlich bis zu 9.500 Tonnen CO₂ ein (Quelle: EuroHPC Initiative 2024).
Auf Softwareebene kommen Open-Source-Frameworks wie OpenMPI, Lustre als paralleles Dateisystem und spezialisierte Container-Lösungen wie Singularity zum Einsatz. Damit lassen sich wissenschaftliche Workloads flexibel und sicher im Hochleistungsbetrieb durchführen. Auch werden eigens optimierte Machine Learning-Stacks für Deep-Learning-Forschung und KI-Trainings bereitgestellt.
- Die Storage-Kapazität beträgt über 180 Petabyte – verteilt auf tiered Storage-Architekturen mit unterschiedlichen Zugriffslatenzen.
- Das System unterstützt heterogene Workloads – von traditionellen Simulationen bis hin zu generativen KI-Modellen.
- Ein dediziertes Quantum-Sandboxing-Interface erlaubt das Testen hybrider Quantenhardware-Interaktionen bei maximaler Kontrolle.
Ein Europäisches Projekt mit globaler Bedeutung
Die Finanzierung des Systems erfolgt zu 50 % durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und zu weiteren 50 % durch das EuroHPC JU. Die Universität Leipzig und das ansässige Rechenzentrum fungieren offiziell als Betreiberkonsortium. Laut Dr. Claudia Renntner, Projektkoordinatorin an der Universität Leipzig, sei das Ziel klar formuliert: „Wir wollen Forschungsfragen mit gesellschaftlicher Tragweite deutlich schneller und präziser beantworten können.“
LEXAS wird nicht nur Natur- und Lebenswissenschaftler:innen in Europa zugutekommen, sondern auch Anwendungen in Medizin (z. B. für Genomsequenzierung), Klimamodellierung sowie KI-Training revolutionieren. Die Kooperation mit europäischen Partneruniversitäten, darunter Uni Oxford, ETH Zürich und Inria Paris, garantiert transnationale Synergieeffekte.
Positionierung Europas im globalen Supercomputer-Wettlauf
Mit Projekten wie LEXAS und dem bereits aktiven Supercomputer „LUMI“ in Finnland verfolgt die EU das Ziel, technologisch unabhängiger von US-amerikanischen Anbietern wie NVIDIA, HPE Cray oder Amazon Web Services zu werden. Die EU-Kommission plant, bis 2030 mindestens drei Exascale-Systeme in Europa zu betreiben – LEXAS soll ein möglicher Wegbereiter sein.
Laut EuroHPC JU lag Europas Anteil an der weltweiten Rechenleistung im HPC-Bereich im Jahr 2023 bei rund 13 %, während die USA ca. 42 % dominierten (Quelle: HPCwire, 2024). Das neue System in Leipzig könnte diesen Anteil erheblich steigern.
Vorteile für Wirtschaft, Wissenschaft und Innovation
Supercomputer wie LEXAS sind nicht nur für Grundlagenforschung einsetzbar. Auch unternehmerische Anwendungen – etwa in den Bereichen Materialentwicklung, Finanzmodellierung oder autonomes Fahren – profitieren von beschleunigter Datenverarbeitung. Die Plattform wird zudem über standardisierte API-Zugänge verfügen, sodass auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) Rechenleistung on-demand beziehen können.
- Unternehmen sollten mit regionalen Rechenzentren wie LEXAS kooperieren, um Innovationen schneller umzusetzen.
- Forschende können durch vorbereitende Pilotanträge auf EU-Ebene Zugang zu Supercomputing-Zeit erhalten.
- Universitäten und Hochschulen profitieren vom Ausbildungsnetzwerk „EuroHPC Academy“ zur Schulung neuer HPC-Talente.
Laut einer Analyse von Jülich Supercomputing Centre (2024) können Unternehmen, die regelmäßig HPC-Ressourcen nutzen, ihre Forschungskosten um bis zu 40 % reduzieren und ihre Entwicklung um durchschnittlich 20 Monate beschleunigen.
Herausforderungen und regulatorische Aspekte
Mit der gestiegenen Rechenleistung rücken auch ethische und datenschutzrechtliche Fragen in den Fokus. Die Universität Leipzig hat in Kooperation mit der Datenschutzkonferenz der Länder verbindliche Frameworks für konforme Datenverarbeitung etabliert. Zudem wird LEXAS teilweise mit Gaia-X-konformen Services betrieben – ein weiterer Schritt in Richtung digitaler Souveränität.
Auch zukünftiger Energiebedarf warf Fragen auf: Obwohl das System durch hocheffizientes Design rund 30 % weniger Strom verbraucht als vergleichbare Anlagen, entspricht die Gesamtjahresleistung mit ca. 25 Megawatt dem Bedarf einer Kleinstadt. Integration von Grünstrom-Pools, Restwärmenutzung sowie CO₂-Kompensation sollen diesen Verbrauch nachhaltig gestalten.
Fazit: Europas digitale Zukunft mitgestalten
Mit dem LEXAS-System in Leipzig setzt Europa ein klares Zeichen für digitale Unabhängigkeit, Forschungsexzellenz und ökologisch verantwortliche Technologie. Der Supercomputer ist nicht nur technologisches Flaggschiff, sondern auch Symbol der europäischen Zusammenarbeit in einer Zeit geopolitischer Spannungen und digitaler Herausforderungen.
Die Leipziger Initiative kann somit als Blaupause für künftige Infrastrukturprojekte dienen – leistungsfähig, nachhaltig, offen für Wissenschaft und Wirtschaft. Es liegt nun an der Community, diese Potenziale zu nutzen, Wissen zu teilen und grenzüberschreitende Projekte zu fördern. Diskutieren Sie mit: Welche Anwendungen sehen Sie für LEXAS in Ihrer Branche?