Übermüdete Augen, kalter Kaffee und ein flackernder Bildschirm – für viele klingt das nach einem IT-Klischee. Bei Hackathons allerdings ist genau das Realität: Inmitten schlafloser Nächte entstehen technische Innovationen, neue Freundschaften und echte Erfolgsgeschichten. Doch was treibt Entwicklerinnen und Entwickler an, sich diesem anspruchsvollen Format freiwillig auszusetzen?
Was ist ein Hackathon?
Der Begriff „Hackathon“ setzt sich aus „Hack“ und „Marathon“ zusammen. Gemeint ist ein zeitlich begrenztes Event – meist 24 bis 72 Stunden –, bei dem Entwickler, Designer, Data Scientists und Branchenexperten gemeinsam an innovativen Software- oder Hardwarelösungen arbeiten. Die Aufgabenstellung variiert von allgemeinen Themen wie Umweltschutz oder Bildung bis hin zu spezifischen Vorgaben von Unternehmen oder Institutionen.
Ziel ist stets, in kurzer Zeit funktionsfähige, kreative und meist prototypische Lösungen zu entwickeln. Die Wettbewerbsatmosphäre in Verbindung mit kollektiver Kreativität macht den besonderen Reiz dieser Veranstaltungen aus.
Der Reiz der Herausforderung
„Es ist ein Ausnahmezustand – aber einer, der beflügelt“, sagt Lisa Neubauer, Softwareentwicklerin und regelmäßige Hackathon-Teilnehmerin. „Wenn du weißt, dass du nur 36 Stunden Zeit hast, dann schiebst du Perfektionismus beiseite und kommst in einen unglaublichen Flow.“
Das bestätigen auch aktuelle Studien: Laut Stack Overflow (Developer Survey 2023) haben 37 % aller befragten Entwicklerinnen und Entwickler bereits an mindestens einem Hackathon teilgenommen. Die häufigsten Motivationen: der Austausch mit Gleichgesinnten, die Möglichkeit zu lernen und die Gelegenheit, kreative Ideen umzusetzen.
Zudem fördern viele Arbeitgeber die Teilnahme aktiv, um Innovationsgeist und Teamfähigkeit zu stärken. Bei Corporate Hackathons profitieren beide Seiten: Unternehmen erhalten frische Ideen, Mitarbeitende entwickeln neue Skills – oft in technologieübergreifenden Teams.
Zwischen Schlafmangel und Höchstleistung
So inspirierend ein Hackathon sein kann, fordert sein Ablauf den Teilnehmenden alles ab: Nachtschichten, schnelles Prototyping, permanenter Teamabgleich – all das verlangt hohe Disziplin und körperliche Widerstandskraft. Cafés und Energy Drinks sind dabei omnipräsent.
„Nach der zweiten Nacht ohne Schlaf wird’s surreal“, berichtet Amir Hosseini, Frontend-Engineer und Hackathon-Veteran. „Du redest wirres Zeug – aber manchmal kommt gerade dann der beste Geistesblitz.“
Studien zeigen, dass kreative Problemlösungsfähigkeiten zwar kurzfristig durch moderate Müdigkeit stimuliert werden können, jedoch mit zunehmender Erschöpfung rapide nachlassen. Eine Untersuchung der University of Pennsylvania (2022) kam zu dem Ergebnis, dass die kognitive Performance nach 24 Stunden ohne Schlaf um bis zu 30 % sinkt – gerade bei analytischen Aufgaben ein kritischer Faktor.
Ein Event mit vielen Gewinnern
Trotz aller Strapazen berichten viele Teilnehmende von enormen Lernerfolgen. Teamarbeit, Zeitmanagement, agiles Arbeiten und technische Tiefe – all das lässt sich bei kaum einem anderen Format so intensiv trainieren wie bei einem Hackathon.
Ein hervorragendes Beispiel: Der Hackathon der Europäischen Kommission „EU vs Virus“, der 2020 im Zuge der COVID-19-Pandemie stattfand. Über 20.000 Teilnehmer aus ganz Europa entwickelten in nur 48 Stunden Lösungen für Gesundheits- und Wirtschaftsthemen, darunter Kontaktverfolgungssysteme, Plattformen für Freiwilligenarbeit und KI-gestützte Diagnosetools.
Solche Veranstaltungen schaffen nicht nur Innovationen, sondern auch Netzwerke – ein zentraler Mehrwert, den viele Entwicklerinnen und Entwickler schätzen. Die spätere Umsetzung erfolgreicher Projekte wird zunehmend durch Inkubatoren, Förderprogramme und Venture Capital unterstützt.
Organisatorische Einblicke: Von der Idee zum Live-Event
Hinter einem erfolgreichen Hackathon steht ein monatelanger organisatorischer Kraftakt. „Wir beginnen spätestens drei Monate vorher mit der Planung“, erklärt Maximilian Lehmann, Mitgründer der Eventplattform DevKick. „Die größten Herausforderungen sind Themenfindung, Partnerakquise, IT-Infrastruktur und die Gestaltung eines reibungslosen Ablaufs – online wie offline.“
In der Pandemiezeit haben sich virtuelle Hackathons etabliert – mit eigenen Vor- und Nachteilen. Zwar fällt die Reisetätigkeit weg, doch digital fehlt häufig die kreative Dynamik eines physischen Raums. Viele Veranstalter setzen daher inzwischen auf hybride Formate, bei denen Präsenz- und Remote-Teilnahme kombiniert werden.
Drei praktische Tipps für den erfolgreichen Hackathon
- Vorbereitung ist alles: Informiere dich frühzeitig über das Thema, stelle dein Team zusammen, definiert grob eure Rollen und schaut euch bereits bestehende Lösungen oder APIs an.
- Fokus auf Machbarkeit: Eine originelle Idee ist nur der Anfang – achtet darauf, dass euer Projekt im gegebenen Zeitrahmen realistisch funktional umzusetzen ist.
- Pitch nicht vergessen: Auch der beste Prototyp überzeugt nicht ohne Story. Trainiert einen kurzen, überzeugenden Pitch – idealerweise mit Live-Demo und klarer Nutzenargumentation.
Ein Trend mit Zukunft
Hackathons sind längst kein Nischenphänomen mehr. Technologieunternehmen wie Google, Amazon und Salesforce veranstalten regelmäßig interne Wettbewerbe, um Innovationen zu fördern. Auch Universitäten und NGOs nutzen Hackathons, um Lösungen für gesellschaftliche und wissenschaftliche Herausforderungen zu erarbeiten.
Ein bemerkenswerter Trend: Die thematische Spezialisierung. So gewinnen unter anderem GovTech-, Klima- und Nachhaltigkeitshackathons an Bedeutung. Der „HackZurich“, einer der größten europäischen Hackathons, verzeichnete 2024 mit über 6.500 Bewerbungen aus 93 Nationen einen neuen Rekord (Quelle: hackzurich.com).
Zudem wird Diversität stärker gefördert: Immer mehr Formate richten sich gezielt an unterrepräsentierte Gruppen in der Tech-Community. Initiativen wie „Women Hack“ oder „AfroTech Hackathon“ stärken so auch langfristig die Vielfalt im Innovationsgeschehen.
Fazit: Warum sich der Sprung ins kalte Wasser lohnt
Ein Hackathon ist mehr als eine codierlastige Nachtschicht – er ist ein kreativer Ausnahmezustand mit teils lebensverändernden Erfahrungen. Wer durchhält, wird belohnt mit neuem Wissen, echten Kontakten und manchmal sogar mit einer Geschäftsidee, die Zukunft hat.
Für Entwicklerinnen und Entwickler ist die Teilnahme eine hervorragende Möglichkeit zur beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung. Wer also Lust auf Innovation, Gemeinschaft und ein bisschen Wahnsinn hat: Macht mit, bringt eure Ideen ein – und zeigt, was in euch steckt!