Ein eigenes Kinderbuch mit selbstbestimmten Charakteren, individuellen Geschichten und sogar einem personalisierten Illustrationsstil – möglich gemacht durch künstliche Intelligenz. Google Gemini eröffnet mit seinem neuen „Storybook“-Feature völlig neue kreative Spielräume. Doch welche Technologie steckt dahinter, und was bedeutet das für Bildungseinrichtungen, Kreative und Eltern?
Storytelling neu gedacht: Was ist das Google Gemini Storybook-Feature?
Im Frühjahr 2025 stellte Google ein neues Feature in seiner KI-Plattform Gemini vor: „Storybook“. Nutzende können dabei mit wenigen Textangaben – etwa Name, Vorlieben oder ein thematischer Wunsch – ein vollständiges Kinderbuch generieren lassen. Das Besondere dabei: Die Geschichten werden nicht nur individuell erzählt, sondern Gemini erstellt auch passende Illustrationen in verschiedenen Stilen, darunter Cartoon, Anime, Aquarell oder skizzenhafter Zeichenstil.
Möglich macht das eine Kombination aus Googles Large Language Model Gemini 1.5 Pro und Bildgenerierungstechnologien, für die intern das Modell Imagen 2 zum Einsatz kommt. Laut Google sind die generierten Werke im EPUB-Format exportierbar und online teilbar, was insbesondere Plattformen für digitale Bildung oder Familienkommunikation bereichert.
Technologie hinter der Magie: LLM trifft multimodale KI
Im Zentrum der personalisierten Storybooks steht Gemini 1.5 Pro – ein multimodales LLM, das Text, Bilder, strukturierte Daten und sogar Audio verarbeiten kann. Laut Google erreicht die 1.5-Generation mit einem Kontextfenster von bis zu 1 Million Tokens enorme Reichweiten bei der Textverarbeitung – das entspricht ungefähr 700.000 Wörtern. Dies erlaubt es, komplexe, kohärente Erzählstrukturen inklusive visueller Anweisungen zu erzeugen.
Für die Bilder greift Google auf sein hauseigenes System Imagen zurück, das ähnlich wie DALL·E von OpenAI über Textprompts fotorealistische oder stilisierte Bildinhalte generiert. Durch interne Verknüpfung beider Modelle entstehen so Geschichten mit nahtlos abgestimmten Text-Bild-Kompositionen. Eltern können etwa eine Geschichte über ein Kind mit Flugangst in Cartoonoptik erstellen – Gemini gestaltet die Hauptfigur nach Wunsch und liefert ein kindgerechtes Narrativ mit passenden Bildern.
Ein Markt mit Potenzial: Bildungswesen, Content Creation & Familien
Die individuellen Storybooks sind weit mehr als ein kreatives Gimmick. Die Einsatzmöglichkeiten reichen von didaktischen Materialien in der Schule über therapeutisch begleitende Kinderliteratur bis hin zu einer neuen Form des Family Engagement.
Laut einer Studie von Common Sense Media lesen 54 % der Eltern in den USA regelmäßig (mehr als 3x pro Woche) ihren Kindern digital vor – Tendenz steigend. In Deutschland zeigt der Digitalindex 2024 der Postbank, dass mittlerweile 49 % aller Eltern im Grundschulalter ihrer Kinder regelmäßig digitale Inhalte zum Lesen bereitstellen.
Hier setzt Gemini an. Lehrkräfte können Geschichten über Umweltschutz, Diversität oder Empathie mit individuellen Bezugspunkten für ihre Klasse ausstatten. Kinder erleben sich selbst als Hauptfiguren, was erwiesenermaßen die Lesemotivation steigert. Therapeut*innen hingegen berichten vom Potenzial der personalisierten Bücher, Ängste, Autismus-Spektrum-Störungen oder Trennungsverluste erzählerisch aufzuarbeiten.
Neue Chancen – aber auch Herausforderungen für Kreativindustrien
Während Eltern und Pädagog*innen die neue Freiheit feiern, stellen sich für Autor*innen, Illustrationen und Verlage wichtige Fragen: Wird KI-generierter Content klassische Kinderbuchproduktionen ersetzen? Verlieren Kreative ihren Wert in der Kette der Buchproduktion?
Fachleute plädieren für differenzierte Betrachtung. Dirk Becker, Verleger aus München, sagt: „KI kann Prozesse beschleunigen, aber sie ersetzt kein Erzähltalent. Wer KI intelligent einsetzt, gewinnt neue kreative Spielräume.“ Tatsächlich zeigen erste Pilotprojekte bei Selfpublishing-Plattformen wie Tolino Media, dass Autor*innen Gemini als Co-Kreativpartner verwenden: Das KI-Tool erstellt grobe Treatments und Visuals, die dann weiter ausgestaltet werden.
Zudem werfen KI-generierte Bücher Fragen zu Urheberrecht, inhaltlicher Qualität und kultureller Sensibilität auf. Besonders beim Einsatz in Schulen müssen ethische Leitlinien entwickelt werden. Der Digitalverband Bitkom fordert inzwischen rechtliche Klarheit bezüglich der Nutzung generativer KI in Bildungskontexten und empfiehlt einen Kompetenzaufbau unter Pädagog*innen.
Statistik und Trends: KI-Kinderbücher auf dem Vormarsch
Schon 2024 war der Trend zu KI-gestütztem Storytelling spürbar. Laut einer Statista-Erhebung stieg die Nutzung von KI-Buchgeneratoren bei Eltern in Europa im Vergleich zu 2023 um über 36 %. Parallel dazu verzeichnete Canva, ein Anbieter von generativem Design, über 42 Millionen erstellte „AI Stories“ im Kinderbuchstil innerhalb eines Jahres (Quelle: Canva Reporting 2024).
Auch Verlage erkennen allmählich das Potenzial. Penguin Random House experimentiert mit „Prompt Writing“-Wettbewerben, bei denen Kinder ihre eigenen Geschichten durch vorgegebene KI-Abläufe gestalten. Das Ziel: Medienkompetenz aufbauen, ohne Kreativität zu verlieren.
Drei Empfehlungen für den bewussten Einsatz von Gemini Storybooks
- Medienpädagogische Einbettung: Eltern und Bildungsakteure sollten KI-generierte Inhalte gemeinsam mit Kindern reflektieren. Was wurde von der KI bestimmt? Was ist eigene Idee?
- Stilwahl gezielt nutzen: Bestimmte Illustrationsstile (z. B. Aquarell für Emotionen, Cartoon für Humor) eignen sich besser für didaktische oder therapeutische Zwecke. Stilwahl kann gezielt pädagogisch eingebunden werden.
- KI als Co-Autor verstehen: Die besten Ergebnisse entstehen, wenn Menschen und Maschine kollaborieren. Textvorgaben, Feedbackloopen und nachträgliche Editierung machen das Endprodukt qualitativ wertvoller.
Fazit: KI als Erzählinstrument – nicht als Ersatz
Die Google-Gemini-Storybooks zeigen eindrucksvoll, wie KI als kreatives Werkzeug neue Dimensionen erschließen kann. Zugleich bleibt klar: Die besten Geschichten entstehen im Dialog – zwischen Mensch und Maschine, Kind und Erwachsenem, Vorstellungskraft und Technologie.
Es liegt nun an uns, wie wir diese neuen Möglichkeiten formen: als Bildungschance, als kreative Demokratisierung oder als neue Generation des Storytellings. Welche Erfahrungen habt ihr mit KI-generierten Geschichten gemacht? Welche Tools setzt ihr ein? Diskutiert mit uns in den Kommentaren und lasst uns gemeinsam die literarische Zukunft gestalten.