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IT-Fachkräftemangel auf dem Rückzug: Was steckt dahinter?

Ein lichtdurchflutetes modernes Büro mit motivierten IT-Fachkräften in entspannter, freundlicher Atmosphäre, die konzentriert und zugleich kollegial an Laptops und digitalen Whiteboards zusammenarbeiten, während warme Sonnenstrahlen das Szenenbild mit natürlichem Glanz und lebendiger Energie erfüllen.

Monatelang dominierte der Fachkräftemangel die Diskussion in der IT-Branche – jetzt aber vermeldet der Branchenverband Bitkom überraschend einen deutlichen Rückgang: 20 Prozent weniger unbesetzte IT-Stellen. Ein Zeichen der Trendwende oder nur ein kurzfristiger Effekt? Wir analysieren, was wirklich hinter diesen Zahlen steckt und wie sich der IT-Arbeitsmarkt nachhaltig verändert.

Weniger offene IT-Stellen: Die Zahlen hinter der Bitkom-Meldung

Im Frühjahr 2025 veröffentlichte der Digitalverband Bitkom aktuelle Zahlen zur IT-Arbeitsmarktlage in Deutschland. Demnach waren zum Stichtag rund 117.000 IT-Stellen unbesetzt – ein Rückgang um immerhin 29.000 Stellen im Vergleich zum Vorjahr, was einem Rückgang von rund 20 Prozent entspricht.

„Es ist das erste Mal seit Jahren, dass der langfristige Trend steigender Vakanzen unterbrochen wurde“, erklärt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. Gleichzeitig betont der Verband jedoch: Trotz des Rückgangs bleibt der Bedarf an qualifizierten IT-Fachkräften hoch.

Als Gründe für die Entspannung werden mehrere Faktoren angeführt: steigende Absolventenzahlen in relevanten Studiengängen, stärkere Umschulungs-Initiativen und eine zunehmende internationale Rekrutierung von IT-Talenten. Vor allem aber spielt ein technologischer Megatrend zunehmend eine Rolle – die künstliche Intelligenz.

Künstliche Intelligenz als Jobmotor oder Stellenkiller?

Die wachsende Verbreitung von KI-Tools und Automatisierungstechnologien verändert den Bedarf an IT-Kräften spürbar. In vielen Unternehmen übernehmen generative KI-Systeme wie ChatGPT, Copilot oder große Language-Model-basierte Tools Aufgaben, die zuvor von Menschen erledigt wurden – etwa bei der Softwareentwicklung, in der Datenanalyse oder im IT-Support.

Gleichzeitig schafft KI aber auch neue Jobprofile, von Prompt Engineers über KI-Trainer bis hin zu Ethikbeauftragten für KI-Systeme. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) aus dem Jahr 2024 bewerten 68 % der befragten Unternehmen KI als Jobtransformator – mit mehr neu entstehenden als wegfallenden Stellen.

McKinsey bestätigt in einer globalen Umfrage von Ende 2024, dass Unternehmen mit hohem KI-Reifegrad signifikant weniger Probleme bei der Personalgewinnung im IT-Bereich melden. Die Automatisierung von Routinetätigkeiten verschafft Software- und Operations-Teams mehr Luft für komplexere Projekte – ein Wettbewerbsvorteil auch im Recruiting.

Digitalisierungsgrad und Weiterbildung zeigen Wirkung

Ein weiterer Treiber für den Rückgang unbesetzter IT-Stellen liegt in der allmählich fruchtenden Weiterbildungslandschaft. Programme wie „IT-Fachkräfte für morgen“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie Angebote der Bundesagentur für Arbeit haben sich auf Quereinsteiger spezialisiert. Laut Bundesagentur wurden 2024 rund 21.000 IT-Umschulungen erfolgreich abgeschlossen – ein Plus von 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Parallel verzeichnet Deutschland steigende Einschreibungen in Informatik-Studiengänge. Allein im Wintersemester 2024/25 wurden laut Statistischem Bundesamt rund 47.200 Studienanfänger in Informatik registriert – ein leichter, aber stabiler Zuwachs.

Remote-Arbeit und internationale Rekrutierung verschieben den Markt

Ein oft unterschätzter Aspekt: die zunehmende geografische Flexibilität. Seit der Pandemie hat sich Remote-Work in vielen Tech-Unternehmen etabliert. Diese Umstellung erlaubt es Firmen, IT-Talente weltweit zu rekrutieren – ohne sie physisch nach Deutschland zu holen.

Unternehmen wie SAP, Siemens oder Zalando setzen verstärkt auf internationale Softwareentwickler aus Mittel- und Osteuropa sowie Indien. Das beschleunigt nicht nur Entwicklungszyklen, sondern dämpft auch den Konkurrenzdruck auf dem lokalen Arbeitsmarkt.

Diese neue Offenheit wirkt sich auch auf Gehälter und Arbeitsvertragsmodelle aus. Arbeitgeber nutzen hybride Modelle, um Kosten zu senken und gleichzeitig die besten Köpfe zu gewinnen. Für Bewerber bedeutet das: Mehr Wettbewerb, aber auch mehr Optionen.

Langfristige Trendwende oder temporäres Phänomen?

Trotz der positiven Entwicklung bleibt die Frage offen, ob es sich bei dem aktuellen Rückgang der offenen IT-Stellen um eine echte Trendwende handelt. Experten wie Prof. Dr. Hanna Thiel vom Hasso-Plattner-Institut warnen vor verfrühter Euphorie: „Die strukturelle Lücke an digitalem Know-how ist weiterhin enorm. Viele IT-Rollen, etwa in der Cybersicherheit oder Cloud-Architektur, sind kaum nachbesetzt.“

Besonders betroffen ist laut Bitkom der Mittelstand, der seltener in internationale Rekrutierung investiert und häufiger beim Gehaltsniveau unter dem Branchendurchschnitt liegt. Hier könnten KI-gestützte Low-Code- und No-Code-Plattformen mittelfristig helfen, die Produktivität trotz Fachkräftemangel zu steigern.

Die Nachfrage nach Spezialisten im Bereich IT-Security, KI-Engineering und DevOps steigt weiter. Laut einer Prognose des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) wird Deutschland bis 2030 rund 800.000 Tech-Fachkräfte zusätzlich benötigen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Was Unternehmen jetzt tun können: Drei zentrale Handlungsempfehlungen

  • KI als Unterstützungs-, nicht als Ersatzlösung begreifen: Der kluge Einsatz von KI zur Automatisierung repetitiver Tasks kann Teams entlasten, ohne Arbeitsplätze zu gefährden.
  • In Weiterbildung investieren – auch intern: Statt lange zu rekrutieren, sollten Unternehmen eigene Mitarbeiter digital weiterqualifizieren. Programme wie Udacity, Coursera oder Tech-Upskilling-Kampagnen bieten passende Inhalte.
  • Internationale Talente aktiv einbinden: Wer von Remote-Optionen profitiert, sollte gezielt in Employer Branding und Onboarding für internationale Fachkräfte investieren.

Ausblick: Der IT-Arbeitsmarkt bleibt dynamisch

Der Rückgang offener IT-Stellen ist eine gute Nachricht, aber kein Anlass zur Entwarnung. Technologien wie KI, Remote-Arbeit und digitale Bildung verändern den Markt fundamental. Wer heute frühzeitig in Fachkräftebindung, agile Schulungen und neue Arbeitsformen investiert, profitiert langfristig.

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