Influencer-Marketing ist längst kein Nischenphänomen mehr – es gehört zu den zentralen Strategien im digitalen Marketing-Mix vieler Unternehmen. Doch zwischen ROI-Druck und Markenpositionierung stellt sich besonders für Händler die Frage: Wie lassen sich kurzfristige Kosteneffizienz und langfristiger Markenaufbau in Einklang bringen?
Influencer-Marketing im Spannungsfeld von Budget und Branding
Die Bitkom-Studie „E-Commerce-Trends 2024“ offenbart einen tiefen Einblick in die Budgetverteilung deutscher Händler. Demnach nutzen 46 % der Online-Händler Influencer-Marketing aktiv, wobei die Budgetspanne stark variiert: Während kleinere Unternehmen mit monatlich unter 1.000 € kalkulieren müssen, investieren größere E-Commerce-Häuser mitunter fünf- oder sechsstellige Summen je Kampagne.
Diese Budgetunterschiede beeinflussen nicht nur die Wahl der Influencer, sondern auch Zielsetzung und Wirkung: Während große Unternehmen strategisch am nachhaltigen Markenimage arbeiten, setzen kleine Player häufiger auf kurzfristige Abverkaufsziele.
Klein vs. Groß: Unterschiedliche Herangehensweisen
Kleine Unternehmen fokussieren sich häufig auf Mikro-Influencer. Diese verfügen in der Regel über zwischen 1.000 und 100.000 Follower und punkten mit hoher Zielgruppenbindung und authentischer Kommunikation. Sie sind zudem deutlich günstiger als sogenannte Makro- oder Mega-Influencer, also Profile mit mehreren hunderttausend bis Millionen Followern.
Ein Beispiel: Das Berliner Start-up „GreenThreads“ erzielte mit einer Kampagne von fünf Mikro-Influencern auf TikTok und Instagram eine Steigerung seines Frühjahrsumsatzes um 18 %, bei einem Gesamtbudget von unter 2.500 €. Die Strategie: Aufbau vertrauensvoller Personalisierung statt bloßer Werbedruck.
Demgegenüber stehen Konzerne wie About You oder Zalando, die gezielt in Mega-Influencer investieren – nicht vorrangig zur Absatzsteigerung, sondern zur Markenbildung. Der Case mit Lena Gercke als About-You-Testimonial trug maßgeblich zum Markenimage „modisch, relevant und weiblich“ bei.
Kostenstruktur und ROI: Der schmale Grat in der Budgetplanung
Die größte Herausforderung im Influencer-Marketing liegt im Financial Controlling. Laut einer HubSpot-Umfrage (2024) bewerten 39 % der Marketer die ROI-Erfassung von Influencer-Kampagnen als „herausfordernd“. Das liegt auch daran, dass viele Effekte – etwa Markenwahrnehmung, Reichweitenwachstum oder Community-Engagement – nur schwer monetär messbar sind.
Zudem steigen die Preise: Laut dem „Influencer Marketing Benchmark Report 2024“ ist der durchschnittliche Preis für einen Instagram-Post eines Makro-Influencers mit über 500.000 Followern im DACH-Raum auf rund 2.700 € angestiegen – eine Zunahme von 12 % gegenüber dem Vorjahr.
Unternehmen stehen somit vor einem Investitionsdilemma: Reichweite kostet Geld, Wirkung braucht Zeit. Die Balance zu finden bedeutet, genau zwischen kurzfristiger Performance und langfristigem Branding zu navigieren.
Strategischer Markenaufbau durch Influencer: Langfristiger Return statt Quick Wins
Insbesondere im B2C-Bereich kann Influencer-Marketing dann seine volle Kraft entfalten, wenn es als Teil eines ganzheitlichen Brand Storytelling verstanden wird. Marken wie „Heimplanet“ (Reise-Outdoor) oder „KoRo“ (Lebensmittel) haben durch jahrelanges, konsistentes Kooperationen mit wiederkehrenden Persönlichkeiten nicht nur ihre Reichweite erhöht, sondern auch ein klar positioniertes Markenbild geschaffen.
Dabei ist entscheidend, die Influencer nicht als bloße Werbeträger, sondern als Content Creators in den Markenbildungsprozess einzubinden. Langfristige Kooperationen (mindestens 6 Monate) zeigen signifikant höhere Engagement-Raten und Conversion Rates, wie eine Analyse von CreatorIQ 2024 belegt.
Gleichzeitig haben Unternehmen erkannt, dass „Always-on“-Strategien – also kontinuierliche statt punktuelle Influencer-Aktivierung – im Brand Building besonders wirksam sind. Der Nebeneffekt: Sinkende CPIs (Cost-per-Influencer-Engagement) durch Lerneffekte und optimierte Prozesse.
Technologischer Wandel und Plattformdiversität als Herausforderung
Ein weiteres Spannungsfeld ergibt sich durch die Dynamik der Plattformen: TikTok, Instagram, YouTube, Twitch – jede Plattform bringt eigene Algorithmen, Formate und Nutzungslogiken mit. Für kleinere Unternehmen bedeutet dies einen erhöhten Ressourceneinsatz, um kanalübergreifend konsistente Markenkommunikation zu ermöglichen.
Hinzu kommen technologische Neuerungen im Kampagnenmanagement: KI-gestützte Tools wie Upfluence, HypeAuditor oder Influencity helfen, passende Creator anhand von Zielgruppen-Schnittmengen, Reichweitenqualität (z. B. Follower-Fake-Rates) und thematischer Passung zu identifizieren.
Große Konzerne integrieren diese Tools inzwischen tief in ihre Marketing Operations. Kleine Unternehmen schöpfen das Potenzial häufig noch nicht voll aus – eine Chance, aber auch ein Wettbewerbsnachteil.
Praktische Tipps zur Optimierung von Influencer-Strategien
- Ziele klar definieren: Möchten Sie Markenbekanntheit aufbauen, Produkte verkaufen oder neue Zielgruppen erschließen? Eine klare Zieldefinition erhöht die Kampagneneffizienz signifikant.
- Langfristige Kooperationen bevorzugen: Influencer, die längerfristig mit Marken arbeiten, entwickeln eine stärkere emotionale Bindung zur Community und fördern Vertrauen.
- Performance tracken und KPIs anpassen: Setzen Sie auf Tools wie Google Analytics 4, UTM-Parameter oder Creator-Dashboards, um verlässliche Daten zu sammeln und Learnings abzuleiten.
Markenaufbau kostet – aber nicht jede Investition lohnt sich
Die Bitkom-Befragung legt offen, dass gerade kleinere Händler mit Influencer-Marketing oft experimentieren, ohne klare Strategie oder ROI-Kalkulation. Nur 23 % aller befragten Unternehmen haben laut Bitkom ein dediziertes Influencer-Marketing-Budget oder arbeiten mit festen Agenturen zusammen. Das bleibt eine vertane Chance.
Gleichzeitig findet eine Professionalisierung statt: Immer mehr Unternehmen – auch KMU – bauen interne Creator-Relations-Manager auf, kooperieren mit Plattformen wie Reachbird oder Storyclash und implementieren klare Guidelines & Briefings für Creator.
Fazit: Influencer-Marketing als Spagat zwischen Effizienz und Vision
Das Influencer-Marketing steht exemplarisch für ein Dilemma, das viele Unternehmen im digitalen Zeitalter beschäftigt: Wie investieren wir sinnvoll in kurzfristige Performance, ohne die langfristige Markenidentität aus dem Blick zu verlieren?
Beides ist möglich – aber nur mit einem Strukturwandel im internen Marketingverständnis, datengestützter Planung und einem klaren Blick für Authentizität. Wer heute nur auf Reichweite setzt, verliert morgen die Relevanz; wer aber strategisch in Menschen investiert, gewinnt langfristige Kundenbindungen und markenprägende Wirkung.
Was denken Sie? Haben Sie bereits erfolgreich mit Influencern kooperiert – oder stehen Sie noch vor dem ersten Schritt? Teilen Sie Ihre Insights, Erfahrungen und Fragen gerne mit unserer Community in den Kommentaren.




