Die DSGVO feiert ihr siebenjähriges Bestehen – doch statt Routine hat sich vielerorts Frust eingestellt. Besonders kleine und mittlere Unternehmen (KMU) beklagen zunehmende Belastung durch Datenschutzvorgaben. Ist der Datenschutz zur Innovationsbremse geworden? Dieser Artikel beleuchtet aktuelle Zahlen, zeigt Problemfelder auf und analysiert Entlastungsmöglichkeiten.
Bitkom-Studie: Belastung durch Datenschutz in Unternehmen auf Rekordhoch
Der Digitalverband Bitkom hat im Januar 2024 eine breit angelegte Umfrage unter rund 600 deutschen Unternehmen veröffentlicht. Die Ergebnisse sind alarmierend: 94 Prozent der Unternehmen empfinden die Umsetzung der Datenschutzvorgaben als „sehr große“ oder „große“ Herausforderung. Besonders betroffen sind kleinere Firmen bis 49 Mitarbeiter, von denen 79 Prozent angeben, dass Datenschutzvorschriften ihre Geschäftsprozesse erschweren (Quelle: Bitkom-Studie „Datenschutz in der Wirtschaft 2024”).
Fast drei Viertel (74 Prozent) sagen sogar, dass die Datenschutzregeln Innovationen behindern. Im Vergleich zu früheren Erhebungen ist das ein deutlicher Anstieg – noch 2020 lag dieser Wert bei 61 Prozent. Es zeigt sich: Die Anforderungen an Datenverarbeitung, Dokumentationspflichten sowie Verstöße und Ordnungswidrigkeiten erzeugen wachsenden regulatorischen Druck.
Die durchschnittlichen Kosten für die Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) belaufen sich laut Bitkom auf rund 25.000 Euro pro Unternehmen. Für kleinstrukturierte Organisationen ist das ein finanzieller Drahtseilakt.
Kleine Unternehmen besonders betroffen
Während Großunternehmen in der Regel eine eigene Datenschutzabteilung haben oder spezialisierte Kanzleien beauftragen, kämpfen kleinere Betriebe oft mit limitierten Ressourcen. Viele KMU leisten Datenschutz „nebenbei“, ohne ausreichendes Fachwissen oder Schulungsbudget.
Die Komplexität der Vorschriften stellt eine massive Hürde dar. So müssen Unternehmen nicht nur die Informationspflichten laut Art. 13 und 14 DSGVO erfüllen, sondern auch ein vollständiges Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten führen, Datenschutz-Folgenabschätzungen durchführen und technische sowie organisatorische Maßnahmen regelmäßig dokumentieren.
Hinzu kommt eine stetige Zunahme an Aufsichtsmaßnahmen: Allein im Jahr 2023 haben die deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden laut dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz (BfDI) über 40.000 Beschwerden erhalten – ein Plus von rund 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Handwerksbetrieb in Niedersachsen musste nach einem Verstoß gegen Auskunftspflichten ein Bußgeld von 5.000 Euro zahlen – trotz geringem Verschulden. Solche Fälle verunsichern und belasten besonders inhabergeführte Betriebe.
Notwendiger Schutz vs. bürokratische Überforderung
Niemand stellt den Sinn von Datenschutz infrage – doch in der Praxis führt die pauschale Anwendung der DSGVO-Vorgaben häufig zu Überregulierung. Besonders für nicht-digitale Geschäftsmodelle oder datenarmer Betriebe stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit.
Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder betont: „Es braucht ein pragmatisches Datenschutzverständnis, das Risiken differenziert bewertet. Ein Blumenladen muss keine gleichen Anforderungen erfüllen wie ein datenverarbeitender Gesundheitsdienstleister.“
Der Ruf nach einer Entschlackung der Regulierung wird lauter. Das Problem ist nicht der Datenschutz an sich, sondern die Art seiner Umsetzung.
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Politische Reformansätze: Erste Schritte, aber reicht das?
Im April 2024 hat das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) einen Diskussionsentwurf zur Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) vorgelegt. Darin sind unter anderem Vereinfachungen beim Bestellpflicht für Datenschutzbeauftragte sowie flexiblere Dokumentationspflichten für kleine Unternehmen vorgesehen.
Zudem fordert Bitkom gemeinsam mit anderen Wirtschaftsverbänden:
- Einheitlichere Auslegung der DSGVO durch deutsche Aufsichtsbehörden
- Risikobasierter Regulierungsansatz für KMU
- Verzicht auf überzogene Bußgelder bei geringfügigen Verstößen
Im Juni 2024 hat auch die Europäische Kommission einen Bericht über die Effektivität der DSGVO veröffentlicht. Darin wird anerkannt, dass insbesondere der administrative Aufwand für kleinere Unternehmen ein Problem darstellt. EU-Justizkommissar Didier Reynders kündigte an, Erleichterungen für KMU prüfen zu lassen.
Praktische Wege zur Entlastung: Was Unternehmen selbst tun können
Auch wenn gesetzgeberische Reformen notwendig erscheinen, können Unternehmen proaktiv Maßnahmen ergreifen, um das Datenschutzmanagement effizienter zu gestalten. Drei zentrale Empfehlungen:
- Externe Datenschutzberatung nutzen: Für KMU lohnt sich häufig eine externe Datenschutzberatung auf Abruf. So lassen sich Kosten bündeln und Fachwissen gezielt einholen.
- Prozesse dokumentieren statt improvisieren: Einheitliche Vorlagen für Datenschutz-Folgenabschätzungen, Verzeichnisse oder Einwilligungserklärungen minimieren Haftungsrisiken und sparen Zeit.
- Mitarbeiter sensibilisieren: Regelmäßige Schulungen und leicht verständliche Datenschutz-Guidelines erhöhen die Compliance und senken das Fehlerrisiko.
Ein Blick in die Praxis: Was funktioniert schon gut?
Es gibt erfolgreiche Modelle: In Bayern unterstützt das Projekt „go-digital“ KMU beim Aufbau datenschutzkonformer Strukturen mit Fördermitteln. In Nordrhein-Westfalen bietet die Landesdatenschutzbehörde kostenlose Webinare für betriebliche Datenschutzkoordinatoren.
Auch Open-Source-Projekte wie „datenschutz-generator.de“ von Rechtsanwalt Dr. Thomas Schwenke helfen dabei, DSGVO-konforme Texte rechtssicher zu implementieren – kostengünstig und unkompliziert.
Viele mittelständische Betriebe haben zudem interne Datenschutzprozesse in bestehende Qualitätsmanagementsysteme integriert – ein effizienter Weg, um Synergien zu nutzen.
Fazit: Datenschutz darf schützen – nicht lähmen
Datenschutz ist ein hohes Gut, das Unternehmen, Kunden und Gesellschaft schützt. Doch die Balance zwischen Schutzinteressen und wirtschaftlicher Handhabbarkeit muss stimmen. Die Zahlen der Bitkom zeigen: Gerade kleinere Unternehmen sehen sich überfordert, ohne dass sie zwangsläufig risikobehaftete Daten verarbeiten.
Es bedarf eines realistischen Maßnahmenkatalogs, der die Prinzipien der DSGVO wahrt, aber praktische Wege eröffnet – durch politische Reform, verbesserte Behördenkommunikation und flexiblere Instrumente. Nur so wird die digitale Souveränität Europas mit wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit versöhnt.
Was sind Ihre Erfahrungen mit der Umsetzung des Datenschutzes im eigenen Unternehmen? Teilen Sie Ihre Ideen, Fragen oder Tipps mit unserer Community im Kommentarbereich!